- Die Zukunft der Raumfahrt ist angebrochen: Private Raumfahrtunternehmen dringen in den Kosmos vor.
- Prominente Unternehmer wie Elon Musk, Richard Branson und Jeff Bezos bauen eigene Raketen und Satelliten.
- Visionen wie der Abbau von Rohstoffen im All sind dabei auf weite Sicht nicht lukrativ.
- Geschäfte wittern die Unternehmer jedoch bei Dienstleistungen für die Erde, etwa durch ein weltumspannendes Internet über Satelliten.
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Wir schreiben das Jahr 2024. Dies sind die Abenteuer eines privaten Raumschiffs. Es ist Millionen Kilometer von der Erde entfernt unterwegs, um fremde Asteroiden, unbekannte Bodenschätze und neue Rohstoffe zu entdecken. Dabei dringt es in Dimensionen vor, die kein Unternehmer zuvor gesehen hat.
Luft- und Raumfahrt: Kein lukratives Geschäft
Frei nach dem Intro der Science-Fiction-Serie «Raumschiff Enterprise» wähnen sich heute manche Wirtschaftsführer kurz vor dem ganz grossen Geschäft in der Luft- und Raumfahrt.
Es klingt so wunderbar einfach: Ein Raumschiff fliegt einen der zahllosen Asteroiden im Sonnensystem an, einen Brocken aus Gestein und Metall. Per Harpune nimmt das Raumschiff den Asteroiden an den Haken und baut Edelmetalle ab. Das Gold, Platin, Indium und vieles mehr bringt es dann zur Erde – ein wahrlich himmlisches Geschäft für die Unternehmer.
Doch das grosse Business mit der Raumfahrt bleibt auf absehbare Zeit eine Utopie. Rohstoffe aus dem Weltall sind eine faszinierende Idee – aber momentan kein gutes Geschäft.
Zu teuer ist der Bau von Raketen, zu kostspielig der Flug hin zum Asteroiden und zurück. Selbst wenn der Mond aus Gold bestünde, würde sich der Abbau kaum lohnen – die horrenden Transportkosten machten jedes Geschäft zunichte.
Zumal für Bergbau auf einem Asteroiden noch schweres Gerät ins All gebracht werden müsste. Denn Gold, Platin & Co. werden auch den umtriebigsten Unternehmern nicht den Gefallen tun, als Barren auf der Oberfläche eines Himmelskörpers herumzuliegen.
Hat die Zukunft der Raumfahrt schon begonnen?
Seit einigen Jahren sorgt die Idee des «New Space» für grosses Aufsehen: eine neue Ära des Vordringens in den Kosmos. Dabei sind nicht mehr nur staatliche Agenturen wie die NASA und die ESA beteiligt, sondern auch private Firmen wie SpaceX, Virgin Galactic oder Blue Origin.
Doch was genau der «neue Weltraum» ist, weiss niemand so recht. Es ist eine Floskel, die modern klingt – mehr ein Gefühl als eine klar definierbare Grösse.
Private Raumfahrtunternehmen
Dass der «New Space» in aller Munde ist, hat auch damit zu tun, dass drei schillernde Persönlichkeiten die Raumfahrt auf den Kopf stellen wollen. Elon Musk, der Gründer von Paypal und Tesla, mischt mit seinem Unternehmen SpaceX die Raumfahrtszene kräftig auf.
Richard Branson vom Flugunternehmen Virgin setzt nun mit Virgin Galactic auf Minutentrips an den Rand des Alls. Jeff Bezos von Amazon arbeitet mit seiner Firma Blue Origin ebenfalls am Zugang zum Weltraum.
Raumfahrt zum Mars?
Allen drei ist gemein, dass sie gerne so tun, als sei die Raumfahrt ein Kinderspiel. Elon Musk präsentiert regelmässig kühne Animationen, die den Flug riesiger Raumschiffe zum Nachbarplaneten Mars zeigen.
Kürzlich verkündete er die Konstruktion einer «Big Fucking Rocket», mit der die Menschheit binnen weniger Jahre andere Planeten kolonialisieren könne. So würde die Menschheit zur «multiplanetaren» Spezies, die nicht mehr allein die Erde bewohnt.
SpaceX mit NASA, ESA mit Airbus
Elon Musks Unternehmen SpaceX hat unter den Neulingen der Branche mit Abstand die Nase vorn. Es startet seine Falcon-9-Raketen mittlerweile etwa zweimal im Monat.
Doch Geld verdient SpaceX nicht mit Flügen zum Mars, sondern auf ganz klassische Weise: Aufgrund milliardenschwerer Verträge mit der NASA versorgt es die Internationale Raumstation ISS mit Nachschub und startet Satelliten für das US-Verteidigungsministerium.
SpaceX hat die Raumfahrt nicht privatisiert, sie hat sie kommerzialisiert. Nun stellen auch in den USA kommerzielle Firmen ihre Leistungen der NASA zur Verfügung. Bei der europäischen Ariane-Rakete ist das seit Jahrzehnten der Fall. Diese baut Airbus im Auftrag der ESA.
Rückschläge für Branson und Bezos
Für Richard Branson läuft es dagegen nicht so gut. Zwar hat er nach eigenen Angaben schon Flugtickets an fast 1000 Interessierte verkauft. Diese wollen für einen sechsstelligen Dollar-Betrag mit seinem SpaceShipTwo bis in 100 Kilometer Höhe aufsteigen, um dort für einige Minuten Schwerelosigkeit zu erleben.
Doch auch dreizehn Jahre nach dem Erstflug des Vorgängermodells SpaceShipOne ist noch völlig unklar, wann alle technischen Hürden überwunden sind. 2014 musste Branson einen Rückschlag hinnehmen: Bei einem Absturz wurde der Prototyp des SpaceShipTwo zerstört.
Passagierflüge an den Rand des Alls dürften frühestens in zwei Jahren beginnen. «Der Weltraum ist härter als wir gedacht haben», klagte der ansonsten erfolgsverwöhnte Manager kürzlich.
Jeff Bezos hat vor knapp zwei Jahren als erster eine Rakete nach dem Flug wieder auf der Erde landen lassen und damit Elon Musk kräftig geärgert. Dies war aber auch kaum mehr als ein PR-Gag, denn Blue Origin hat bis heute keine Rakete, die die Erdumlaufbahn erreicht. Erst das wäre wirklich Raumfahrt.
Raketen-Recycling
SpaceX von Elon Musk lässt inzwischen bei fast jedem Start die erste Stufe – also den Hauptmotor samt Tank – wieder auf der Erde landen, wo sie erneut zum Einsatz kommt. Somit ist die Falcon 9 keine reine Einwegrakete mehr.
Ob in den USA, Russland, China, Europa etc.: Bisher wurden Raketen immer nur einmal eingesetzt und im All weggeworfen. Das ist in etwa so, als wenn man mit einem nagelneuen LKW Fracht von Genf nach Zürich bringt und dort das Fahrzeug verschrottet. Dieser Absurdität hat SpaceX nun ein Ende gesetzt.
Doch eine Raumfahrt-Revolution sei das beileibe nicht, bedauert Andreas Lindenthal, der beim Bremer Satellitenbauer OHB für das operative Geschäft zuständig ist: «Was Elon Musk mit seiner Rakete Falcon-9-Reusable macht, wird schon als ‹New Space› erachtet, weil er die Preise unter Druck gebracht hat. Aber nicht um Faktoren, sondern um Prozente.»
Raketentechnik hat Grenzen
Auch mit den Raketen des Elon Musk kostet es etliche 1000 Dollar pro Kilogramm, um einen Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen. Ein wahrer Durchbruch wäre ein Preis von rund 100 Dollar pro Kilogramm.
«Das wird es nicht geben, weil die Raketentechnik ihre Grenzen hat», bedauert Andreas Lindenthal, der als Satellitenbauer über einen möglichst günstigen Zugang zum Weltraum mehr als erfreut wäre.
Doch eine Rakete muss in sehr kurzer Zeit sehr viel Schub bekommen, um von der Erde ins All zu gelangen. Das geht nicht mit Wind- oder Solartechnik.
So sind auch die Falcon-Raketen von Elon Musk im Prinzip nichts anderes als einst die Sputnik- und Apollo-Raketen: Sie verbrennen in wenigen Minuten grosse Mengen chemischen Treibstoffs.
Warum bleibt die Raumfahrt so teuer?
Raketen sind ein begehrtes «Spielzeug» der neuen Raumfahrt-Alphatiere. Doch eine scheinbar unverbrüchliche Erfahrung gilt hier nicht. Die Firmenbosse sind es gewohnt, dass alles enorm billiger wird, wenn man es nur immer und immer wieder tut.
Es gibt eine Ausnahme: die Schwerkraft. Sie kennt keinen Rabatt. Der 1000. Flug ins All braucht genauso viel Energie wie der erste.
Wer den Regenwald ausbeuten will, muss einmal mit grösstem Aufwand eine Schneise schlagen und eine Piste anlegen – danach erledigen Allradfahrzeuge den Rest. So etwas gibt es im Weltraum nicht.
Die Raketen mögen durch Serienfertigung oder Wiederverwendbarkeit etwas günstiger werden. Die Raumfahrt erfordert aber stets den gleichen Aufwand.
Täglich Satellitenbilder von der Erde
So kann es beim Geschäft mit dem All bisher nicht darum gehen, Raketen zu starten und Rohstoffe zurück zur Erde zu bringen. Das ist viel zu teuer. Geld lässt sich im Kosmos vor allem da verdienen, wo die «Ware» per Funk auf den Boden kommt, etwa in Form von Bildern.
Die Firma Planet, gegründet im Silicon Valley, heute mit grossen Vertretungen auch in Amsterdam und Berlin ansässig, hat eine einfache Geschäftsidee: «Wir haben rund 200 Satelliten, die um die Erde kreisen», erklärt Robbie Schingler, Chef von Planet. «Mit ihnen machen wir einmal am Tag ein Bild der ganzen Welt.»
Für Robbie Schingler und sein Team liegt das Gold nicht auf fernen Asteroiden, sondern auf der Erde – in Form wertvoller Daten. Die vielen Satelliten, zumeist nur so gross wie ein Schuhkarton, liefern jeden Tag ein komplettes Bild der Erde. Darauf sind noch Details von etwa drei Metern Grösse zu sehen.
«Wir zeigen genau, was auf dem Planeten passiert – wir liefern ein tägliches Update der Erde», sagt Schingler. Mit den Aufnahmen begutachten Versicherungen Schadensfälle, Agrarunternehmen überwachen den Zustand ihrer Anbauflächen und Behörden erkennen anhand der Bilder, wo viele Menschen an eine Grenze drängen.
Internet aus dem Weltall
SpaceX setzt auf das Internet aus dem Weltall. Gemeinsam mit Google plant man den Start von mehr als 4000 Satelliten, die per Funk Internetverbindungen an jedem Punkt der Erde ermöglichen. Boeing verfolgt ein Konkurrenzmodell mit mehr als 1300 Satelliten.
Weniger bekannt als die beiden Mitbewerber, dafür aber im Rennen klar in Führung: OneWeb. Das «eine Netz» braucht rund 700 Satelliten, die die Erde wie ein riesiger Kokon einhüllen.
Satellitenbau mit Schweizer Technik
Am Bau der Satelliten ist Airbus beteiligt. Als Lieferant der Ariane-Rakete gehört das Unternehmen zum klassischen «Old Space».
Doch nun hat Airbus nicht seine Raketen revolutioniert, sondern den Satellitenbau. In der Fertigungsstrasse rollt pro Tag ein Satellit vom Band. So etwas galt noch vor wenigen Jahren als völlig unmöglich. Beteiligt ist auch die Schweizer Firma Ruag.
Weltraummüll auf der Erdumlaufbahn
OneWeb will im nächsten Jahr die ersten Satelliten starten. Wann genau die Mitbewerber folgen, ist noch unklar. Es könnte durchaus sein, dass sich binnen weniger Jahre die Zahl der derzeit knapp 1500 funktionstüchtigen Satelliten in der Erdumlaufbahn mehr als vervierfacht.
Das birgt grosse Gefahren: Entfernen die Betreiber ausgefallene Satelliten nicht aus der Umlaufbahn – was zusätzliche Kosten verursacht – so werden die Wracks im Laufe der Zeit mit anderen Satelliten kollidieren und für zahllose Schrottteile sorgen.
In einigen Jahrzehnten wären die Umlaufbahnen kreisende Müllkippen, die weitere Raumfahrt unmöglich machten. Siegt beim himmlischen Internet die Gier über den Verstand, wird aus «New Space» über kurz oder lang «No Space».
Keine revolutionäre Weltraumtechnik
Wohin führen die neuen Weltraumaktivitäten? Raumfahrt als Selbstzweck hat keinen Markt. Nur staatliche Behörden schicken Menschen auf die Raumstation oder zum Mond.
Bei derzeit Hunderten Millionen Franken Reisekosten muss sich Dramatisches tun, bis Raumflüge nicht nur für ein paar Superreiche zum bezahlbaren Spass würden.
Auch für den Bergbau auf Asteroiden oder die Kolonisierung des Mars bedarf es revolutionär neuer Technik, um preiswert in und durch das All zu kommen. Die ist nicht in Sicht.
Das Geschäft mit der Raumfahrt bleibt irdisch
Im «New Space» ändert sich nicht die Raumfahrt per se, sondern vor allem der Bau von Satelliten wandelt sich radikal. Doch selbst das beschränkt sich auf die grossen Netze wie OneWeb. Denn Weltraumteleskope oder Raumsonden werden auch weiterhin einzeln und mit grösster Sorgfalt gebaut werden.
So wachsen in der heutigen Raumfahrt die Bäume keineswegs in den Himmel – im Gegenteil: Sie verankern sich immer stärker im Boden. Denn beim «New Space» geht es vorerst nicht um das unendliche Geschäft auf fernen Asteroiden – sondern um das auf der guten alten Erde.