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Q&A Problem Smartphone-Konsum «Schadet zu viel Handynutzung unserem Hirn oder Gedächtnis?»

Daniel Betschart, Florian Bühler, Christina Stadler und Eva Unternährer haben Ihre Fragen im Chat zur «Puls»-Sendung beantwortet.

Fachpersonen im «Puls»-Chat

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Die Fachrunde des PULS-Chats
Legende: Daniel Betschart, Florian Bühler, Christina Stadler und Eva Unternährer srf

Daniel Betschart
Programmverantwortlicher Medienkompetenz
Pro Juventute Schweiz

Dr. Florian Bühler
Entwicklungspsychologe
University of California Berkeley | Social Origins Lab

Prof. Christina Stadler
Psychologische Klinikleiterin
Klinische Professorin für Entwicklungspsychopathologie
Klinik für Kinder und Jugendliche UPK Basel

Dr. Eva Unternährer
Psychologin und Forschungsleiterin
Kinder- und Jugendpsychiatrische Forschungsabteilung UPK Basel | SMARTIES-Studie

Die nachfolgenden Aussagen und Empfehlungen ersetzen nicht die individuelle Abklärung oder Diagnose bei Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.

Chat-Protokoll

Ich bleibe oft bis spätnachts am Handy und scrolle mich durch news und whatsapp-status... am nächsten Morgen weiss ich nichts mehr von dem was ich gelesen habe. Haben Sie Tipps um besonders abends vom Handy weg zu kommen? Und gibt es Hinweise darauf, dass zu viel Handykonsum unserem Hirn/Gedächtnis schadet?

Eva Unternährer: Ich würde ihnen empfehlen das Handy über Nacht nicht im Schlafzimmer zu haben, oder es in den Flugmodus zu setzen. Es gibt inzwischen auch bei vielen Smartphones in den Einstellungen Optionen, dass dies automatisch geschieht, wenn man es ab einer bestimmten Uhrzeit in die Ladestation stellt. Vielleicht könnte ihnen das helfen?

Zur zweiten Frage: Ja, es gibt insbesondere Hinweise, dass unsere Aufmerksamkeit unter Smartphonekonsum leiden kann. Vor allem in Kombination mit wenig Schlaf kann man sich am Tag auch weniger konzentrieren, und hat Schwierigkeiten sich Dinge zu merken. Auswirkungen auf das Gehirn sind bisher aber noch weniger gut untersucht.

Wie kann ich als älterer Erwachsener meine Handynutzung einschränken? Wo finde ich Hilfe?

Florian Bühler: Das kommt sehr auf Ihren Konsum darauf an. Einfache Massnahmen sind beispielsweise Push-Benachrichtigungen ausschalten, den Flugmodus nutzen, oder das Handy ganz bewusst (beim Arbeiten) weglegen. Falls das nicht hilft und Sie ihren Konsum als problematisch empfinden, finden Sie beispielsweise hier weitere Informationen: https://suchtpraevention-zh.ch/selbsttests-freundetests/selbsttests/ Natürlich können Sie auch sonstige Fachpersonen, wie Psychotherapeut:innen kontaktieren.

Wir ertappen unseren 11 jährigen Sohn dabei, dass er immer wieder mitten in der Nacht ein Handy oder Tablet holt und benutzt. Wenn wir alles private abriegeln benutzt er das Tablet der Schule das wir nicht sperren können.

Christina Stadler: Ich würde mit Ihrem Sohn vereinbaren, dass er abends das Handy nicht in seinem Zimmer hat. Ich würde diese Regel aber für die ganze Familie umsetzen, Sie sind so auch ein positives Modell.

Was soll man tun, wenn seine Mitmenschen vor lauter aufs Smartphone «starren» nichts mehr von ihrer Umgebung mitbekommen?

Eva Unternährer: Ich würde die Person freundlich darauf hinweisen. Wenn es um tägliche Gespräche geht, die gestört werden, dann kommunizieren sie, dass sie das stört. Auch wenn akute Gefahr aus der Umgebung droht, dann auf jeden Fall bitten das Handy auf die Seite zu legen.

Unsere beiden Kinder (4.5 und 6 Jahre alt) sind beide im Kindergarten. Von der Schulleitungen gibt es Empfehlungen, wie viel Bildschirmzeit in welchem Alter sinnvoll ist. Unsere Kinder haben 2x am Tag je 15 Minuten fix Bildschirmzeit eingeplant. Dabei schauen sie eine Kindersendung (z.B. Spidey, Bluey etc.), einfach auch um etwas entspannen zu können. Sind solche fixen Zeiten sinnvoll oder empfehlen sie mehr Flexibilität?

Christina Stadler: Ich glaube, die Zeit, die Sie für Ihre Vorschulkinder festgesetzt haben sind im guten Rahmen und wahrscheinlich unter dem, was die Schulleitung vorgibt. Je nach Alter kann die Zeit angepasst werden und mit den Kindern verhandelt werden.

Kleiner Tipp: Bildschirmzeit nicht nach Konflikt zur Entspannung einsetzten, aber das machen Sie wahrscheinlich sowieso nicht.

Mein Partner (43) kann sich sehr schwer von Bildschirmen lösen (Fernseher, PC, Handy, Tablet). Sowohl im Bad als auch beim Essen oder im Schlafzimmer ist immer ein Gerät präsent. Er sieht ein, dass das problematisch ist, allerdings scheitern Pläne wie «im Schlafzimmer keine Bildschirme» oder «ab 21h kein Handy mehr» bereits nach kurzer Zeit. Haben Sie einen Rat, wie er seinen Gerätekonsum langfristig etwas einschränken könnte? Vielen Dank!

Eva Unternährer: Ich finde es sehr gut, dass sie beide versuchen feste Regeln miteinander auszumachen, umso schader, wenn dies nicht klappt im Alltag. Vielleicht wäre es mal hilfreich zu fragen, ob es ein Bedürfnis gibt, das mit dem Scrollen und Bildschirmkonsum gestillt wird? Eine weitere Idee wäre kleine Wettbewerbe zu organisieren, wer es länger ohne schafft, und der Verlierer lädt den Gewinner zum Essen ein? Falls dies auch nicht hilft, wäre es vielleicht mal sinnvoll Professionelle Hilfe und Unterstützung von Ausserhalb zu suchen? Viel Erfolg

Gibt es Hinweise darauf, dass bei häufigem Konsum von Kurzvideos (Reels, Shorts, Tiktoks, etc.) kurzfristig die Konzentrationsfähigkeit leidet, langfristig aber sogar das Demenzrisiko steigen könnte?

Florian Bühler: Die Studienlage ist nicht eindeutig. Es gibt Hinweise, dass sich der Konsum von sozialen Medien beispielsweise auf die Aufmerksamkeit auswirken kann. Viele Studien zeigen aber auch keine Auswirkungen. Zudem fehlen zurzeit Langzeitstudien, die beispielsweise einen Zusammenhang mit Demenz untersuchen.

Ich leide definitiv unter Handysucht. Oft bin ich bis um 2 Uhr morgens im Bett am Doomscrollen. Ich sage mir immer: «Noch drei Videos, dann ist Schluss!» Letztendlich halte ich das aber leider nie ein. Habt ihr irgendwelche Tipps, wie man das doomscrollen «besser» unterbrechen kann? Und wie gehe ich am besten vor, wenn ich meine Handysucht in den Griff kriegen möchte? Leider brauche ich mein Smartphone für mein ÖV-Billet (Ausgedruckt ist nicht möglich).

Eva Unternährer: Es gibt inzwischen unterschiedliche Apps, welche nach einer festgelegten Zeit eine Erinnerung zum Aufhören schicken, oder die App einfach direkt beenden. Falls sie das Gefühl haben, dass sie den Konsum nicht mehr kontrollieren können und ihr Alltagsleben darunter leidet, dann würde ich mir professionelle Hilfe (zum Beispiel durch einen Psychotherapeuten) suchen.

Ist es problematiscch, wenn ich (78) 2 std. im Tag Jasse, Sudocu oder andere Spiele mache am Handy?

Florian Bühler: Nein, das hört sich nach einem unproblematischen Konsum an. Falls Sie diese Zeit gerne anders nutzen würden, könnten Sie sich zum Jassen beispielsweise auch mit Freund:innen treffen. Grundsätzlich ist es aber sicher gut einen bewussten Umgang mit Medien zu haben und die eigenen Gewohnheiten auch immer wieder mal kritisch zu hinterfragen.

Meine durchschnittliche tägliche Bildschirmzeit beträgt 1,5 Stunden. Das beinhaltet jedoch nicht die vielen Podcasts, die ich täglich höre. Beim Spazieren, Aufräumen usw. höre ich gerne Podcasts zu Themen wie Gesundheit, Wissenschaft, Sprache, Konsum, Recht, Geschichte, Nachrichten usw. Wahrscheinlich sind es mehrere Stunden pro Tag, da ich täglich mindestens eine Stunde spazieren gehe und auch sonst viel im ÖV unterwegs bin. Ist das bedenklich?

Christina Stadler: Nein, dass Sie Podcast hören, sehe ich nicht als bedenklich, dann müssten wir ja auch Zeitungslesen bedenklich finden.

Das Smartphone frisst die Lebenszeit weg. Wo früher die Langeweile war, oder die Zeit, sich mit sich selbst und seinem Leben auseinanderzusetzen, wird diese nun mit bedeutungslosem Inhalt gefüllt. Könnte ein übermässiger Konsum die Auswirkung haben, dass sich Kinder und Jugendliche langsamer entwickeln? Ich bin über 30 Jahre alt und im besten Alter, Kinder zu kriegen. Neben den wichtigsten Faktoren wie «Nestbau"-Möglichkeiten (Miete zu hoch, Haus zu teuer), Arbeitsaufteilung (beide Eltern müssen gut verdienen) und der politischen Grosswetterlage (Trump), glaube ich, dass der Medienkonsum für das Aufschieben der Familienfrage eine Rolle spielte. Ich habe mich lange nicht mit der grossen Kinderfrage auseinandergesetzt, weil ich einfach abgelenkt war. Und das kleine schwarze Rechteck hat mir sicherlich Jahre genommen. Eine Vielzahl an Momenten, kumuliert in Jahren, in denen ich mich mit mir selbst hätte auseinandersetzen müssen. Oft redet man von fehlenden Langzeitstudien. Dass diese Content-Epidemie aber weitreichende und schwere Folgen hat (Mobbing, Radikalisierung, Aufmerksamkeitsstörungen, Sinnkrisen), ist im Alltag überall ersichtlich. Warum gibt es hier jedoch keine regulatorischen Vorschriften, die zum Schutz der Bevölkerung dienen?

Christina Stadler: So einfach ist Ihre Frage nicht zu beantworten. Manche Dinge lernen Kinder besser durch Medien, z.B. ist die Kompetenz Englisch zu sprechen eindeutig gestiegen seit Kinder und Jugendliche die meisten Filme auf Netflix Englisch ansehen. Ihre Reaktionszeit bei Spielen ist sicher schnelle als in meiner Generation. Problematisch ist es dann, wenn man wegen zu hoher Nutzen weniger echte Kontakte hat, dann können sich soziale Kompetenzen weniger gut entwickeln. Und ich kenne Befragungen an Kindern, die deutlich zeigen, dass Mobbing sehr ausgeprägt in der Schule vorkommt. Dies macht deutlich, dass ein Verbot von Handys nicht die Gesamtheit der Probleme und Herausforderungen von Kindern und Jugendlichen reduzieren kann – wir müssen generell daran arbeiten, ihre Selbstwirksamkeit zu steigern, dass sie weniger abhängig werden vom Einfluss sozialer Medien.

Können Sie die neurophysiologischen und psycho-sozialen Auswirkungen von häufigem social media-Konsum, scrollen, liken etc. beschreiben, evtl. sogar nach Altersgruppen? Vielen Dank!

Eva Unternährer: Diese Frage ist sehr komplex, weil die Forschung zum Thema nicht immer zum selben Ergebnis kommt. Es gibt inzwischen Meta-Analysen und Systematische Übersichtsartikel dazu, sowie einige empfehlenswerte Bücher, zum Beispiel «Verbunden» von Anna Miller. Auch Jonathan Haidt listet einige mögliche negative Konsequenzen in seinem Buch «Generation Angst» auf, allerdings sind einige seiner Thesen meiner Meinung nach zu simpel.

Mein Sohn, 19, hat mir kürzlich gesagt, dass das Smartphone-Suchtverhalten (Doomscrolling und Co.) unter Jugendlichen mittlerweile ein erschreckendes Ausmass angenommen hat. Depressionen, Schlafstörungen, hormonelle Veränderungen durch übermässige Dopaminausschüttungen, Gedächtnisstörungen, soziale Distanz, Minderwertigkeitskomplexe, Essstörungen, Bewegungsmangel. Emotionsverluste und vieles mehr sind die Folgen für die Jugendlichen, so berichtete er mir (ein Jugendlicher!), weil er sich stark mit diesem Thema beschäftigt und alles aus nächster Nähe beobachten kann. Meine Frage: Meines Wissens ist es wissenschaftlich schon mehrfach erwiesen, dass das Gehirn von Kindern und Jugendlichen noch nicht ausreichend entwickelt ist, um sich gegen die Sucht von sozialen Medien, Games etc. mit einem ausgereiften Bewusstsein zu wehren. Weshalb werden der ungesunde Smartphone-Konsum (insbesondere Konsum von Games und sozialen Medien wie Tiktok, Instagram etc.) von Politik, Gesellschaft und teils auch Schulen nicht endlich ausreichend ernsthaft als sehr grosses Suchtproblem bei Jugendlichen wahrgenommen und nützliche(re) Lösungen für eine gezielte und wirksame Suchtbekämpfung angestrebt, wie z.B. die Zugänglichkeit zu gewissen Medien erst ab einem möglichst hohen Mindestalter zulassen (beim Alkohol, Drogen und Zigaretten geht es ja auch)? Was braucht es noch, bis uns endlich die Augen geöffnet werden, was in sozialen Medien wirklich abgeht und welche Auswirkungen sie für eine ganze Generation haben?

Christina Stadler: Sie haben Recht: Das Gehirn von Jugendlichen ist in einer entscheidenden Entwicklungs- und Umbauphase. Präfrontale Areale, die für die Kontrolle unseres Verhaltens zuständig sind, wachsen dabei langsamer als limbische Areale. Von daher kein Wunder, dass Jugendliche impulsiver und risikofreudiger sind. Evolutionsbiologisch macht dies auch Sinn, damit Jugendliche Dinge ausprobieren, experimentieren, neue Wege gehen lernen und sich auch letztendlich von den Eltern lösen. Es ist also in gewissem Masse auch eine «gefährliche» Zeit. Die Zusammenhänge zwischen Medienkonsum und psychischen Erkrankungen sind jedoch nicht so eindeutig und teils widersprüchlich und auf alle Fälle eher klein. Was man jedoch sagen kann, ist dass bei Kindern, bei denen noch andere Risikofaktoren gegeben sind, der Einfluss sozialer Medien ungünstig sein kann, also beispielsweise psychisch kranke Kinder oder Kinder, die wenig Unterstützung in ihrem Umfeld haben und die dann sensibel sind, sich in gefährlichen Foren zu bewegen.

Ich finde, es soll jeder selber entscheiden wie lange man am Handy ist. Denn es schadet dann schlussendlich Ihm/Ihr. Bildschirmzeit zu haben findet ich persönlich nicht gut, weil das, kommt drauf an, sehr viel einschränkt (kommunikation,…).

Christina Stadler: Es kommt auf das Alter des Nutzers an. Kinder sollten das nicht alleine entscheiden. Wichtig ist, Kinder und Jugendliche einzubeziehen in die Abmachungen, aber generell dürfen Eltern Regeln vorgeben, sie geben so auch Orientierung.

Ist das Geschrei um die Smartphonenutzung nicht völlig übertrieben? Jede Generation hat doch ihren (medialen) Aufreger, sei es das Radio, das TV, Rockmusik – sogar Bücher wurden damals von griechischen Philosophen schon als schädlich für die (wertlose) Jugend gebrandmarkt und immer wurde der Untergang des Abend- oder beliebigen anderen Landes prophezeit. Smartphone und Internet haben unsere Realität übernommen und der Umgang damit reguliert sich von alleine. Was soll denn bitteschön die Alternative sein? Zurück zur Natur und Kabeltelefon?

Florian Bühler: Tatsächlich ist ein allgemeiner Aufschrei bei neuen Technologien und insbesondere Medien keine Neuigkeit. Wie Sie sagen gab es bereits bei der Einführung von Zeitungen, dem TV oder auch Games grosse Sorgen. Forschung zu den Gefahren und Risiken von Smartphones ist noch sehr jung und Langzeiteffekte sind noch wenig erforscht. Nichtdestotrotz sollten neue Medien kritisch betrachtet werden und es ist wichtig einen bewussten Umgang damit zu lernen. In den nächsten Jahren wir die Wissenschaft hoffentlich mehr zum Verständnis von Risiken und Chancen beitragen.

Unsere Tochter (13) hat noch kein Social Media. Alle ihre Kolleginnen seien auf Snapchat. Ab wann empfehlen Sie Snapchat? Danke und freundliche Grüsse

Eva Unternährer: Ich würde Snapchat erst ab 16 Jahren empfehlen, da es sehr viele Mechanismen beinhaltet, welche potentiell suchtfördernd sein könnten (zum Beispiel Streaks oder das Flämmli sammeln). Ausserdem ist es über Snapchat relativ einfach mit Unbekannten Personen zu chatten, was die Jugendlichen unterschiedlichen Gefahren aussetzen kann. Falls Sie ihrer Tochter trotzdem Snapchat ermöglichen möchten, sollten sie sich mit ihr austauschen und die Sicherheitseinstellungen gemeinsam festlegen und diskutieren, wie sie sich auf Snapchat schützen kann. Auch sollten sie Regeln besprechen, zum Beispiel nur Personen zu befreunden, die man auch im echten Leben kennt, wie oft und lange möchte man die App benutzen, etc. Liebe Grüsse zurück

Würden Sie abgesehn von den Mediengutscheinen oder auch einem Medienvertrag weitere Hilfsmittel empfehlen, um mit Kindern zuhause Abmachungen zu treffen und diese konkret „festzuhalten“, habe Sie das Best Practice Beispiele? Die Sichtbarkeit von best. definierten Regeln kann je nach Alter der Kinder wahrscheinlich noch hilfreich sein.

Daniel Betschart: Guten Abend. Vielen Dank für die Frage! Sie sprechen ein wichtiges Thema an wenn es um Mediennutzung im Familienalltag geht, das Thema der Regelung. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Mediennutzung der Kinder zu Hause zu Regeln. Als Grundsatz gilt: Regeln oder Vereinbarungen sind wichtig und nötig. Denn Kinder brauchen Leitplanken die Orientierung geben. Dank Regelungen in Bezug zur Mediennutzung können Kinder lernen, dass es Situationen oder Zeiten gibt, an denen es ok ist am Bildschirm zu sein, und zu anderen Zeiten oder Orten nicht.

Ein Tool das dabei hilfreich sein kann ist der Mediennutzungsvertrag (https://mediennutzungsvertrag.de). Der kann als Vorlage für eine Vereinbarung dienen. Schlussendlich ist das Tool aber nebensächlich. Hilfreich ist dabei, wenn Sie gemeinsam mit dem Kind (oder den Kindern) die Regelungen besprechen und dann definieren. Die Erfahrung zeigt, dass Kinder Regeln besser einhalten können, wenn sie diese mitgestalten durften. Ausserdem hilft es, die festgelegten Regeln sichtbar zu machen, also z.B. auszudrucken/aufzuschreiben und aufzuhängen. Das bestätigen uns z.B. auch Lehrpersonen, denn in den meisten Klassenzimmern sind auch die Klassenregeln gut sichtbar aufgehängt. So können sie auch einfach mal drauf deuten und sagen «das haben wir besprochen und definiert, hier stehts».

Wichtig zu Regeln ist auch: wenige, dafür klare Regeln. Es nützt kaum etwas ein grosses und kompliziertes Regelwerk zu haben. Und die Regeln sollen vom Kind verstanden werden, es soll also klar sein was damit gemeint ist. Und Regeln können sich ändern, wie sich auch die Kinder in der Entwicklung ändern. Mediennutzung darf neu diskutiert und Regeln angepasst werden.

Nebst Regeln die für das Kind gelten finde ich es auch schön, wenn es Familienregeln gibt, beispielsweise kein Handy beim Esstisch. Da müssen sich dann auch die Erwachsenen dranhalten.

Und zu guter Letzt: Regeln allein führen nicht automatisch zu einem guten Umgang mit Medien. Es braucht ein stetiges Begleiten. Bleiben Sie im Kontakt mit dem Kind, z.B. in dem Sie regelmässig über Medien sprechen oder auch gemeinsame Medienerlebnisse (Film schauen, Games spielen) haben.

Wieviel Bildschirmzeit ist problematisch?

Florian Bühler: Diese Frage lässt sich so pauschal nicht beantworten. Es kommt auf das Alter darauf an und vor allem auch auf den Inhalt. Also beispielsweise ob die Bildschirmzeit zum Zeitung lesen, TV schauen, chatten, gamen, social media... genutzt wird.

Verändert das Aufkommen der KI die Risiken der Smartphonenutzung zum besseren oder schlechteren?

Christina Stadler: Es ist sicher zu vermuten, dass wir durch neue KI-Technologien auch das Smartphone mehr nutzen werden. Beispielsweise werden Studierende (oder SchülerInnen) individualisierte Prüfungsaufgaben aus den gehörten Vorlesungen (oder der Schule) bearbeiten, Quizze machen zum Lernstoff, vom persönlichen KI-Coach zum Lernen motiviert werden – all das wird bald kommen und Einiges wird sicher auch positiv sein.

Lange galten soziale Kontakte via Online als weniger wertvoll als solche in der «realen Welt». Hat sich daran etwas geändert oder wächst uns da eine Generation von sozialen Analphabeten heran?

Christina Stadler: Auch hier kann man keine pauschale Antwort geben. Ich kenne aus der Praxis Jugendliche, die lange keine Kontakte hatten und die erst durch soziale Medien (Spiele) etc. sich Kontakte aufgebaut haben, die sie als wertvoll erleben und die sich regelmässig treffen... Aber natürlich besteht die Gefahr, dass Kompetenzen weniger gut entwickelt werden, wenn wir uns nimmer weniger real sehen würden (bspw. wie regle ich einen Konflikt – da kann ich ja nicht mein gerät abschalten). Und was noch eine Gefahr ist, ist dass Jugendliche durch die geschönte Welt im Netz an Selbstvertrauen verlieren und deswegen Kontakte meiden. Eine kritische Diskussion über diese Gefahren ist dringend notwendig.

Soll die Bildschirmzeit unterschieden werden jeh nach dem was man tut? (z.B. Tiktok oder Informieren)

Eva Unternährer: Neuere Studien und Meta-Analysen (Studien über Studien) zeigen, dass es nicht einfach die Zeit zu sein scheint (welche wir am Smartphone oder mit Social Media verbringen) die uns schaden kann. Wenn wir das Smartphone als Werkzeug benutzen (zum Beispiel Nutzung von GPS Funktionen, Tickets lösen, zur Kommunikation nutzen) kann man dies in einer anderen Kategorie sehen als sich bloss unterhalten zu lassen. Allerdings ist es heutzutage so, dass sich auch viele Personen (und insbesondere junge Leute) auch über Social Media informieren, wobei man hier natürlich immer wachsam gegenüber Fake News sein sollte. Auch der gemeinsame oder bewusste Konsum (etwa das gemeinsame Filme schauen, oder sich eine Reportage anschauen) kann eine andere Qualität haben als alleine auf TikTok oder Youtube unterwegs zu sein.

Was ist eigentlich der aktuelle Stand zum Thema Strahlenbelastung? Stundenlang so nahe in einen Handybildschirm starren kann doch nicht einfach unbedenklich sein?

Eva Unternährer: Die aktuelle Studienlage deutet derzeit nicht darauf hin, dass wir uns über die Strahlenbelastung durch Smartphones grosse Sorgen machen müssen. Allerdings kann das stundenlange Starren auf einen Bildschirm Augenprobleme, Haltungsschäden und andere körperlichen Probleme verursachen, und wurde auch mit unterschiedlichen psychischen Symptomen in Verbindung gebracht.

Hallo! Finde es super, dass dieses Thema angeschaut wird und vielen Dank für diese Möglichkeit. Ich habe teilweise Mühe, meinen Smartphone-Konsum (6h pro Tag, v.a. Youtube-Videos über News und Historische Infotainment-Videos) zu reduzieren und ein möglicher Ansatz wäre, ein Mobiltelefon etwas ohne Webbrowser zu besitzen, dass ich nicht immer Zugang auf das Suchtmittel habe. Hintergrundinformation: Ich bin ein ca, 30-jähriger Mann, arbeite als Arzt und bin schon mein ganzes Leben lang etwas anfällig auf hohen Medienkonsum. Habe als Teenager viel Computer gespielt, t.w. Als Coping-Strategie auf Einsamkeit. Ich habe ebenfalls eine leichte Zwangsstörung mit Zwangsgedanken, habe in der Vergangenheit mit Depressionen zu kämpfen gehabt, habe eine Rezidivprophylaxe mit einem SSRI und habe ein mildes ADHS, das relativ gut mit Elvanse eingestellt ist. Als Kind wurde bei mir ausserdem eine Hochbegabung festgestellt. Gibt es Dumb-Phone-Alternativen, die Whatsapp- und Spotify-Fähig sind? Und gibt es Verhaltensalternativen, was man mit der freiwerdenden Zeit machen kann, wenn das Craving nach Smartphone-Konsum wieder auftritt?

Christina Stadler: Was sie erleben, ist absolut nachvollziehbar: Gerade wenn man einsam ist, kann das Handy eine wirksame Ablenkung sein – kurzfristig. Man kann schwierige Gedanken und Gefühle so leicht vermeiden indem man sich von einem zum anderen zappt oder scrollt. Auch wenn Sie jetzt intensiv Sport machen könnte das wieder eine Ablenkung sein. Vielleicht wollen Sie mal ein Coaching oder eine Therapie machen, um sich nochmals mit dem Thema zu beschäftigen wie man schwierige Gefühle im Alltag bewältigen kann, es gibt hier hilfreiche Ansätze. Ob es eine Dumb-Phone Alternative gibt, eher nein.

Ich habe eine Frage nicht zum Handy sondern zu meinem Spielverhalten. Ich spiele am Wochenende Freitag und Sonntag Zelda Breath of the Wild. Aber ich Game sowohl am Freitag auch am Sonntag bis zu 8 Stunden ohne Pause. Und als ich Urlaub hatte, habe ich jeden Tag bis zu 8 Stunden ohne Pause The Legend of Zelda breath of the Wild gespielt. Ist das schon ein suchtverhalten?

Daniel Betschart: Guten Abend, und danke für Ihre Frage. Die Frage nach «ab wann ist Gamen eine Sucht» lässt sich nicht mit dem Faktor Zeit beantworten. Die Zeitdauer scheint eine weniger wichtige Rolle zu spielen als man sich vielleicht vorstellt. Es lässt sich also nicht sagen, ab z.B. 5 oder 6 Stunden ist es eine Sucht. Vielmehr geht es darum, ob das Konsumverhalten den Alltag und das Wohlbefinden einschränkt und ob man noch die Kontrolle über das Medienverhalten hat. Nehmen Sie sich vor, weniger zu gamen, aber das klappt nicht? Vernachlässigen Sie andere wichtige Bereiche Ihres Lebens (z.B. Schule, Beruf, Beziehungen, Gesundheit, genügend Schlaf)? Oder sehen Sie durch das Game-Verhalten bereits negative Konsequenzen, spielen aber trotzdem weiter? Dies wären klare Hinweise auf ein suchtartiges Verhalten. Wenn Sie das Gefühl haben, das Gaming nicht mehr unter Kontrolle zu haben, können Sie sich professionelle Hilfe holen.

Meine durchschnittliche Bildschirmzeit liegt gemäss Auswertung bei 7 Stunden pro Tag. Youtube, Chrome, Chat GPT nutze ich am meisten (4:30) gefolgt von Outlook (1:30). Ich konsumiere insbesondere Nachrichten und informiere über Wissenschaftsthemen. Sollte ich meine Smartphonenutzung überdenken? An was kann man feststellen, ob der Konsum zu viel ist?

Florian Bühler: Einzig anhand der Dauer lässt sich nicht festhalten, ob der Konsum zu viel ist. Falls ein grosser Teil dieser Zeit für die Arbeit genutzt wird ist es unbedenklich. Falls es aber Ihre Freizeit betrifft und Sie diese Zeit gerne für andere Dinge nutzen würden macht es durchaus Sinn sich dazu Gedanken zu machen. Problemhaft wird es, wenn die Bildschirmzeit auch andere Lebensbereich beeinflusst, wie beispielsweise soziale Beziehungen oder auch Ihre Schlafqualität.

Puls, 25.08.2025, 21:05 Uhr ; 

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