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Keystone / DPA-Zentralbild / JAN WOITAS
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Zwischen Alltag und Anschlag – Antisemitismus in Deutschland

Die antisemitischen Straftaten in Deutschland sind auf einem traurigen Rekordhoch. Das äussert sich einerseits in Extrembeispielen, wie dem Angriff auf eine Synagoge in Halle 2019, und andererseits im «ganz normalen» Alltag, zum Beispiel in der Schule.

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Heute beginnt der Prozess gegen den Mann, der am 9. Oktober 2019 an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag in der Synagoge von Halle ein Blutbad anrichten wollte. Nur eine Tür, kein Polizist, hinderte den rechtsextremen Täter an seinem Vorhaben. Als der Anschlag scheiterte, tötete der Angreifer zwei Unschuldige und Unbeteiligte, eine Frau, die vor der Synagoge war, und einen Mann in einem Dönerladen.

«Halle» ist ein Extrembeispiel. Aber es fügt sich in ein Gesamtbild. Nach dem neusten Verfassungsschutzbericht hat die Zahl antisemitischer Straftaten den höchsten Stand seit Beginn der entsprechenden Statistik vor rund 20 Jahren erreicht. Auch im «ganz normalen» Alltag erleben Juden zunehmend aggressiveren Antisemitismus, zum Beispiel in der Schule. Vor drei Jahren machten brutale Angriffe auf jüdische Schüler Schlagzeilen. Doch diese Attacken waren weder Einzelfälle, noch waren sie neu.

Stephan Kramer ist als Jude einerseits ein persönlich Betroffener und als Chef des Verfassungsschutzes von Thüringen andererseits professionell mit Antisemitismus befasst. Er zieht eine niederschmetternde Bilanz: Der Anschlag von Halle war einem eklatanten Sicherheitsversagen geschuldet und, noch schlimmer: Kramer glaubt nicht, dass der Anschlag ein Umdenken in Deutschland bewirkt.

Der Satz, dass die Juden in Deutschland auf gepackten Koffern sitzen, galt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Inzwischen haben sie – bildlich gesprochen, die Koffer ausgepackt. Doch seit dem Gaza-Krieg 2014 und der Flüchtlingskrise 2015/16 beobachten sie einen zunehmend aggressiveren Antisemitismus in der Gesellschaft. Noch ist ein Exodus kein Thema, aber viele Juden fragen sich: «Wo ist mein Koffer, für den Fall, dass ich ihn packen will?»

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