Angefangen hat die Geschichte der Schweizer Radiosender mit einem Flughafenfunker aus Lausanne, der Grammophon-Platten via Funk ins Cockpit spielte. Zu den ersten Melodien, welche die erstaunte Besatzung zu hören bekam, gehörte die Ouverture von Rossinis Willhelm Tell. Das ist nur eine von vielen Anekdoten zu den Anfängen des Schweizer Radios.
Der Bund erkannte im Jahr 1922 das Potenzial des neuen Mediums und sicherte sich via Gesetz die Hoheit über die Radiosender.
In der gleichen Zeit gab es die ersten Radiogeräte für Zuhause. Da war beispielsweise die Radiofee – ein Gerät, das sich die Hörerinnen und Hörer selber zusammenbauen mussten. 1931 mündeten alle Entwicklungen schliesslich in der Gründung der SRG.
Zu Gast in der «Zeitblende» sind:
- Juri Jaquemet, Sammlungskurator Museum für Kommunikation, Bern
- Edzard Schade, Medienhistoriker FH Graubünden
Literatur, Quellen, weiterführende Links:
Edzard Schade; Herrenlose Radiowellen, Hier und Jetzt Verlag
Juri Jaquemet, https://blog.nationalmuseum.ch/2021/10/99-jahre-radio-in-der-schweiz/
Recherche & Archive SRF
Museum für Kommunikation , Bern
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Audiotranskript
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Rachel Beroggi:
September 1922. Ein Flugzeug mit Namen Goliath ist auf dem Weg von Paris nach Lausanne. Neuerdings erhält der Pilot die Wetterprognosen aus der Schweiz via Funk ins Cockpit. Doch anstelle der Prognosen erschallt plötzlich Musik im Kopfhörer. In Lausanne sitzt der diplomierte Funker Roland Pièce und legt Grammophon-Platten auf. Den Trichter des Plattenspielers richtet er aufs Mikrophon. Unter anderem spielt Pièce die Ouvertüre von Rossinis Wilhelm Tell zur Unterhaltung der Besatzung, wie er später in einem Interview sagt.
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Roland Pièce:
Agreable le voyage de passage outlide de los transmettre de discurs de Grammophon.
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Rachel Beroggi:
Roland Pièce ist damit einer der ersten Menschen, die in der Schweiz Versuche mit Radioübertragungen machen. Aus heutiger Sicht ein Radiopionier. Bald entstehen neben Lausanne weitere Programme in der Schweiz und vor 100 Jahren, im August 1924 auch der erste Deutschschweizer Sender Radio Zürich. 1925 und 26 folgen Bern und Basel. Radio ist zu Beginn der 20er Jahre noch Neuland. Diese Zeitblende widmet sich den ersten Jahren des Radios in der Schweiz, die schliesslich in die Gründung der SRG münden. Welchen Herausforderungen sahen sich die ersten Radios ausgesetzt? Und wie hörte man damals Radio? Das ist die Zeitblende über die Pionierzeit des Radios. Mein Name Rachel Berochi. Die Geschichte des Radios beginnt mit der Erfindung der Telefonie, sagt Juri Jaquemet. Er arbeitet im Museum für Kommunikation in Bern als Kurator für Informations- und Kommunikationstechnologie in.
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Juri Jaquemet:
Der Schweiz wurde 1880 in Zürich das erste Telefonnetz gebaut. Und da kann man ja plötzlich Töne übertragen, nicht nur Signale wie bei der Telegrafie. Und eine der ersten Ideen war Wir übertragen Musik. Und ein gutes Beispiel ist das Schweizerische Sängerfest 1880. Das fand in Zürich statt. Ein privater Betreiber eines kleinen Telefonnetzes in Basel hat dann via Telegraphenleitung diesen Gesangsbeitrag der Basler nach Basel übertragen. Und das ist ja eigentlich Radio.
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Rachel Beroggi:
Und untrennbar mit der Geschichte der Übertragung von Ton verbunden ist der Italiener Guglielmo Marconi. Noch vor der Jahrhundertwende, mit nur 21 Jahren und ohne nennenswerte akademische Abschlüsse erzielt Marconi erste Ergebnisse in der drahtlosen Kommunikation. Dabei experimentiert er in der Sommerresidenz der Familie der abgeschiedenen Villa Griffone mit elektromagnetischen Wellen und ist damit schneller als viele bedeutende Wissenschaftler dieser Zeit, die im gleichen Bereich forschen. Auch die Schweiz spielt bei Marconis Versuchen eine Rolle.
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Juri Jaquemet:
Ja, es war wahrscheinlich ein Zufall. Marconi stammt ja aus Italien, und Gutbetuchte pflegten in der Belle Epoque den Sommer im Gebirge zu verbringen, wo es etwas kühler, etwas angenehmer war. Und aus diesem Grund war offenbar Marconi im Wallis, und deshalb hat es dann dort zu den ersten Versuchen mit Funk geführt. Und er war auch ein guter Geschäftsmann und auch die ersten Radiotelegraphiestationen in der Schweiz waren von Marconi.
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Rachel Beroggi:
Am 12. Dezember 1901 gelingt Marconi sein Meisterstück, die erste Funkübertragung über den Atlantik. Über 3000 Kilometer weit geht die erste transatlantische Radiosendung. Und damit wird die Radiotechnologie definitiv interessant für das Militär. Laut dem Schweizer Medienhistoriker Edzard Schade wird sie damals vielfältig militärisch genutzt.
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Edzard Schade:
Die drahtlose Telegraphie und dann später Telefonie fand Einsatz zuerst auch bei der Schifffahrt, weil die konnten ja keine Kabel nach sich ziehen. Sie fand Einsatz im Krieg, in den Schützengräben, in der Kommunikation zwischen den Feindeslinien. Sie fand Einsatz beim Flugverkehr. Auch die konnten auch keine Kabel hinter sich herziehen wie beim Telefon. Diese Kommunikation, die hatte Vorrang vor der zivilen Nutzung, breiten Nutzung.
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Rachel Beroggi:
Im Ersten Weltkrieg ist deshalb die zivile Nutzung der Radiotechnologie fast überall verboten. Ideen allerdings gibt es schon früh, wie der Rundfunk auch zur Unterhaltung genutzt werden könnte.
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Edzard Schade:
Es gibt Geschichten, die sind dramatischer, die gehen in die Schützengräben im Ersten Weltkrieg, wo die Soldaten sich die Zeit vertreiben oder das Leben ein bisschen erleichterten, indem sie begannen, auch Musik zu übertragen. Es gab auch schon ab Anfang eine breite Bewegung, die Radiobastler Radio Pioniere, auch vereinzelt Frauen, die eben Radio bastelten und diese Kommunikation nutzten. Als Hobby würde man heute sagen, oder aus Begeisterung in die Welt hineinzuhören. Und das war etwas völlig Neues.
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Rachel Beroggi:
Zu diesen Bastlern gehört auch der Westschweizer Roland Pierce. Während seiner Zeit im Gymnasium beginnt er, mit technischen Geräten herumzuexperimentieren. Mit einem selbst konstruierten Funktelefonempfänger gelingt es ihm 1914, das Zeitzeichen des Pariser Eiffelturms zu empfangen. Dazu spannt er einen Antennendraht vom Dach seines Elternhauses zum Nachbarhaus. Sieben Jahre später erhält Roland Spiez als Student der Elektrotechnik einen wichtigen Auftrag, da die französische Fluggesellschaft Compagnie des Grand Express Arbon in dieser Zeit eine regelmäßige Fluglinie zwischen Lausanne und Paris betreiben will, benötigt der Flugplatz Lausanne Blecheret eine Funkstation, die in der Stadt stationiert ist. Diese Station hat eigentlich nur einen Auftrag, sagt Juri Jaquemet vom Museum für Kommunikation.
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Juri Jaquemet:
Diese Sendung war eigentlich dazu da, mit den Flugzeugen, die aus Paris nur einmal pro Woche kamen, Kontakt zu halten, denen das lokale Wetter anzukündigen und sonstige Hilfestellung zu bieten. Und offenbar blieb Zeit für Versuche. Da hatte dann Roland Pieke im September 22 die Idee, mal mit einem Wachswalzen Phonographen auch Musik abzuspielen und das ins Flugzeug zu übertragen.
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Rachel Beroggi:
Die erfolgreichen Musikübertragungen ins Flugzeugcockpit reichen Roland Pièce nicht. Er organisiert im Geheimen die erste Radioübertragung aus dem Sendestudio ins Hotel Beau Rivage in Lausanne ushi. Im noblen Hotel sind wichtige Gäste anwesend. Zur offiziellen Einweihung des Flughafencenters im Oktober 22 ein Bundesrat, hohe Beamte der Post, Telefon und Telegrafenbetriebe PTT. Der französische Botschafter und Vertreter der Stadt Lausanne, wie Roland Pièce in einem Radiointerview später erzählt, hätten die Anwesenden nicht schlecht gestaunt, als plötzlich aus einem versteckten Lautsprecher die Marseillaise und die Schweizer Hymne ertönt, ist aber weder ein Orchester noch eine Sängerin zu sehen waren.
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Roland Pièce:
Alors que les discours officielle et immediatement et person en attendant en la salle du banquet la Marseillaise et consigues.
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Rachel Beroggi:
Nur ein paar Monate später wird aus dem Flughafensender eine richtige Radiostation. Im Jahr 1922 ereignet sich ein weiterer Meilenstein in der Schweizer Radiogeschichte. Der Bund erkennt das Potenzial des neuen Mediums und sichert sich via Gesetz die Hoheit über die Radiosender. Die Behörden haben neu die Oberaufsicht und genehmigen die Konzessionen mit einem konkreten Ziel, sagt Medienhistoriker Edzard Schade.
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Edzard Schade:
Der Bundesrat möchte ein Radio, das quasi von der Gesellschaft mitgetragen wird. Es soll nicht kommerziell sein. Es ist auch ein Entgegenkommen gegenüber linken Kräften, die sich in dieser Zeit sehr stark gegen Kommerzialisierung einsetzen, auch gegen den Kapitalismus. Es ist Klassenkampf in dieser Zeit, und von daher sagt der Bundesrat Wir wollen ein Medium, das nicht kommerziell ist, das von den verschiedenen Bevölkerungskreisen und Wirtschaftskreisen gemeinsam getragen wird.
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Rachel Beroggi:
Nach und nach entstehen in den 20er Jahren neben dem Sender in Lausanne auch Radiostationen in Genf, Zürich, Basel und Bern. Und Radio ist bald überall empfangbar. In einem Zeitungsbericht der Engadiner Post beschreibt ein Leser 1924 sein Radioerlebnis im Glarnerland in der Saghütte Clariden, die er während einer Bergwanderung besucht.
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Sprecher liest den Bericht eines Lesers der «Engadiner Post» von 1924:
Da auf einmal ertönt der Ruf Paris konzertiert, Zürich spricht, Stuttgart rezitiert und London singt. Flink die Hörmuschel an den Kopf, und man ist in einem Moment in den grössten Städten Europas und geniesst mit den Städtern den Genuss von Rezitation, Musik und Gesang. Ein prächtiger Cellovortrag aus Paris, die lieblichen Kindermärchen und Lieder aus Zürich, mit erstaunlicher Reinheit wiedergegeben, angehört am Rande der Gletscher wirken ergreifend. Belustigend wirkt es in verlassener Bergeswelt die neuesten Kartoffelpreise zu erfahren. Wer weiss, ob man nicht bald am clariden oben seine Bestellungen drahtlos ins Tal senden kann. Nein, nein, nur das nicht.
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Rachel Beroggi:
Im Museum für Kommunikation sind noch Radiogeräte aus den 20er Jahren ausgestellt. Eines der ganz frühen damals ist die Radiofee. Ein Gerät, das sich die Hörerinnen und Hörer selbst zusammenbauen müssen. Ich schaue mir die Radiofee mit Juri Jaquemet genauer an.
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Juri Jaquemet:
Die Radiofee. Die ist ins Jahr 1923 24 datiert. Man konnte damals auch schon fertig zusammengebaute Radios kaufen. Die waren allerdings sehr teuer. Wir sprechen da von einigen 1000 Franken vielleicht. Auf heute gerechnet. Und darum gab es ebenso Bastelsets, indem man vorgefertigte Elemente dann selber zusammenbaute und somit wurde das Gerät billiger und auf Diesem Radio haben wir verschiedene Skalen, wo man dann die entsprechenden Sender suchen kann. Obendrauf Spulen und Röhren, die dann das Signal eben etwas verstärken.
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Rachel Beroggi:
Wie viel technisches Know how braucht es da also? Die Verpackung sieht ein bisschen aus wie ein Spielzeug. Ein bisschen. Aber ich glaube, so einfach war das nicht.
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Juri Jaquemet:
Ja. Etwas Technikbegeisterung braucht es schon. Und ich vergleiche es noch gern. Es gibt eine Parallele, die noch näher ist an unserer Zeit. Und zwar der Anfang des Heimcomputers. Das war genau dasselbe. Die ersten Heimcomputer, das waren auch so Bausätze, die man dann selbst noch zusammenlötete, zusammenbaute. Das brauchte eine gewisse Leidenschaft für Handwerk, technisches Faible, damit man das gut zusammenbauen konnte. Ich kann allerdings keine Zeitangaben machen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie viel Zeit es brauchte, um diese Radio fe zusammenzubauen.
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Rachel Beroggi:
Aber eine Anleitung gab es schon dazu.
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Juri Jaquemet:
Ich glaube, es ist keine mitgeliefert, aber ich denke, da lag in ein kleines Büchlein bei und es gab auch sehr früh beispielsweise so Radiozeitschriften und Radioliteraturbücher und da wurde das diskutiert, da waren Anleitungen drin. Also das gibt es.
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Rachel Beroggi:
Der erste Techniker von Radio Zürich, Emil Meier, erinnert sich zum 40-jährigen Jubiläum der SRG 1971, wie er als junger Mann zum Ersten Mal ein Radiogerät gebaut hat.
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O-Ton von Emil Meier aus 1971:
1923 Jahren am Technikum Winterthur und hat dort probiert, einen Empfänger zu bauen, und zwar zum Spott der meisten Klassenkameraden. Es ist nur ein Freund von mir, und wir haben probiert, jeder für sich einen Apparat zu bauen. Es hat noch keine Lehrbücher gegeben. Absolut nicht. Das einzige, was wir auftreiben, ist ein norwegisches Buch. Ich habe keinen Schimmer von Norwegisch, aber man hat immerhin ein paar Daten und ein paar Schemata hätte man ausstellen und hätte sich ein bisschen raushalten. Und dann bin ich also der Empfänger zu bauen. Ich habe mehr als ein Jahr lang gebaut. Denn man hat keine Einzelteile zu kaufen. Das einzige, was man kaufen ist, sind ganz einfache Radioröhren in Lausanne.
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Rachel Beroggi:
In der Regel hören die Menschen mit Kopfhörern Radio, denn eingebaute Lautsprecher gibt es noch nicht, die kommen erst später in den dreißiger Jahren. Oder man installiert einen Trichterlautsprecher ähnlich wie bei einem Grammophon. Trotz Kopfhörern. Radio hören ist damals keine einsame Sache, sagt Juri Jaquemet, Experte für Kommunikationstechnologie.
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Juri Jaquemet:
Nein, lustigerweise bedingt, weil ich kenne mindestens drei oder vier Fotografien und auch eine Kinderzeichnung aus den 1920 Jahren. Da setzt man einfach mit mehreren Kopfhörern am Gerät und zumindest etwas. Die teuren Geräte hatten mehrere Anschlüsse für Kopfhörer und dann war das auch ein Gemeinschaftserlebnis. Beispielsweise gibt es eine Fotografie aus den 1920 Jahren, wahrscheinlich in einem Restaurant in Sirnach. Und da sitzen zwei Männer bei einem Mahl, trinken Wein und jeder hat einen Kopfhörer auf. Der Radioempfänger ist auf dem Tisch. Man ist zusammen. Also das hat eine stark soziale Komponente und hört Radio. Leider lässt sich nicht eruieren, ob beide die gleichen Sendungen hören oder ob da unterschiedliche Radiosignale empfangen werden. Wahrscheinlich hören sie mit einem Empfänger dasselbe.
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Rachel Beroggi:
Radiohören ist schon in der Pionierzeit abwechslungsreich. Die NZZ veröffentlicht das Programm von Radio Zürich. Und das sieht am 8. August 1924, zwei Wochen vor dem offiziellen Sendestart, so aus.
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Sprecher liest das Radioprogramm von Radio Zürich aus der «NZZ» vom 8. August 1994:
Aus dem Programm für Samstag, 8. August, 19:00. Wetterprognose. Nachrichten. Preisbericht des Schweizerischen Bauernverbandes. Geläute der Zürcher Kirchenglocken. 20:15. Verlängerter Tanz und Unterhaltungsabend. Hauskapelle. Herr Keel. Vortrag Max Krämer vom Stadttheater Zürich. Gesang.
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Rachel Beroggi:
Am drei und 20. August, also vor 100 Jahren, werden aus Zürich die ersten regulären Sendungen ausgestrahlt. Radio Zürich ist der erste offizielle Sender der Deutschschweiz. Aus dem Radiostudio werden neben Wetter und Börse auch Konzerte einer vierköpfigen Studiokapelle gesendet. Diese Livekonzerte werden häufig von kleinen Orchestern gespielt. Alles andere wäre zu aufwendig gewesen, sagt Juri Jacques.
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Juri Jaquemet:
Oft sind es ja eher so Kammerkonzerte oder eben der Handorgelclub. Drei, vier Menschen. Und ich weiß von Fotos, die sitzen oft in diesem Studio in Zürich. Da gibt es Vorhänge, die wahrscheinlich etwas den Schall dämmen. Und ein Mikrofon in der Mitte. Darum sitzt man. Und dann wurde dort im Studio live gespielt. So und so ganze Orchesteraufnahmen. Das ist dann auch für später. Ich denke, das war interessant. Kammermusik hat nur einige wenige Instrumente, die man da übertrug.
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Rachel Beroggi:
Das Radioprogramm soll für alle etwas bieten, also auch für Kinder.
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Juri Jaquemet:
Beispielsweise gab es sehr früh bei Radio Bern auch eine Kinderstunde. 1927 habe ich mal ein Beispiel gesehen. Ein Fräulein Gesell, die offenbar etwas über den Osterhasen erzählte. Also oft sind die Moderatoren männlich, aber wenn es dann um Kinderanliegen ging, waren dann auch offenbar Frauen hinter dem Mikrofon und machten Radios.
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Rachel Beroggi:
Eine der ersten Frauen, die in den 20er Jahren als Sprecherin bei Radio Bern arbeitet, ist Miriam Giannini. Sie erinnert sich 40 Jahre danach, wie es damals im Studio im Kursaal Schänzle zu und herging.
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O-Ton Miriam Giannini in einem Interview in den 1960er-Jahren:
Beim Sprachdienst hätte man noch den Bürodienst, Sekretariatsarbeiten und andere Sachen.
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O-Ton Interviewer in einem Interview mit Miriam Giannini in den 1960er-Jahren:
Die werden doch ganz bestimmt noch erinnern. Ich weiss, dass es in der ersten Jahre das Programm bestanden hat. Wenn das man gesendet hat und was.
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O-Ton Miriam Giannini in einem Interview in den 1960er-Jahren:
Man hat gewöhnlich am Werktag vom 12:00 um 00:30 mit dem Zeitzeichen angefangen und nachher Schallplatten bis circa um zwei und nachher ist ein Unterbruch bis um vier am Nachmittag. Wenn sie von Neuenburg durchgegeben worden ist, von den vier Minuten gedauert hat und nachdem sie zeichen sie entweder frohe Stunden oder sonst Kinder, Stunden und Schallplatten bis am Abend. Oder hört man das Orchester überdreht.
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O-Ton Interviewer in einem Interview mit Miriam Giannini in den 1960er-Jahren:
Und das Studio selber, wo die drinnen sind, hat eigentlich aus was bestanden.
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O-Ton Miriam Giannini in einem Interview in den 1960er-Jahren:
Das Studio selbst hat einen enorm grossen Raum bestanden, wo in der Mitte das Mikrofon ist und ein Sessel natürlich. Und davor und danach ist ein Flügel drinnen. Und das ist alles nicht wahr. Dort drinnen hätte man angemeldet und wenn man angemeldet hätte, ist man vielleicht rausgegangen und hätte eine halbe Stunde im Büro gearbeitet. Und nachher ist man wieder zurück zum Abmelden vom Vortrag und wieder anmelden.
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O-Ton Interviewer in einem Interview mit Miriam Giannini in den 1960er-Jahren:
Wenn der Vortrag fertig ist.
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O-Ton Miriam Giannini in einem Interview in den 1960er-Jahren:
Also die Lautsprecher, wo man immer den Vortrag hat, mehr oder weniger eine Folge.
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O-Ton Interviewer in einem Interview mit Miriam Giannini in den 1960er-Jahren:
Der unterdessen erschienen sind.
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O-Ton Miriam Giannini in einem Interview in den 1960er-Jahren:
Und alles andere, was nötig ist.
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O-Ton Interviewer in einem Interview mit Miriam Giannini in den 1960er-Jahren:
Sie sind nachher wieder ab. Möget ihr euch noch erinnern, wie der Hörer Gute Nacht gesagt hat.
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O-Ton Miriam Giannini in einem Interview in den 1960er-Jahren:
Ja, das hat man viersprachig gemacht, so dass man immer viersprachig gemacht. Da hat man gesagt Gute Nacht, Miteinander schlafen alle recht gut. Bon soir, Monsieur Boire. Signore. Signore. Good night, everybody.
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Rachel Beroggi:
Von der damaligen Radio Pionierzeit ist kaum noch etwas Tönendes vorhanden. Das meiste wird live gespielt oder gesprochen und Aufnahmebänder sind zu dieser Zeit teuer. Sie werden mehr als einmal benutzt und immer wieder überspielt. Erhalten geblieben sind jedoch die Pausenzeichen. Typisch für die damalige Zeit hier etwa das Pausenzeichen von Radio Zürich. Das Pausenzeichen wird immer dann eingespielt, wenn auf dem Sender kein Programm mehr läuft. Das 24 Stunden Radio gibt es damals noch nicht. Aus Kostengründen entscheidet sich das Studio Basel in den Anfängen für einen Wecker als Pausenzeichen. Während Zürich und Bern eigene kleine Sender betreiben, müssen die anderen die Sender der Flughäfen mitbenutzen. Basel muss sich deshalb immer wieder einschränken, was die Sendezeiten betrifft, erzählt der erste Direktor des Radio Basel, Emil Notz.
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O-Ton Emil Notz (Archivaufnahme, Jahr nicht bekannt):
Während der Flugsaison. Frühestens um 8:30, das heißt erst, nachdem die letzten Flugzeuge eingetroffen sind. Basel ist da zuerst besonders ungünstig gestanden. Es ist eben einmal vorgekommen, dass die Sendung bei grosser Verspätung von Flugzeugen haben müssen ganz ausfallen, so dass unsere geduldige Radiofreunde ihre Kopfhörer für den ganz Oberhandkönnen an Nagel hängen.
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Rachel Beroggi:
Radiosendungen zu machen ist also eine ziemliche Herausforderung in der Pionierzeit. Auch weil alles live gesendet wird, gibt es immer wieder Pannen. So erzählt der damalige Reporter Bert Herzog über eine verunglückte Reportage.
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O-Ton Bert Herzog (Archivaufnahme, Jahr nicht bekannt):
Die erste Reportage von Radio Zürich. Das ist ja fürchterlich. Ich glaube, im 28 muss das sein. Da ist der Zeppelin von Friedrichshafen nach Südamerika oder Nordamerika geflogen. Und wir haben davon gehört, dass der Zeitungen und denkt, das wäre jetzt eine Gelegenheit, einmal eine Schilderung zu machen. Wir sind ja im obersten Stock, das ist in der Seilbahn. Sie haben dort das Kabel, verkleidetes Dachzimmer, und da bin ich also der Teufel. Dann hat man mir gesagt per Telefon, in zwei Minuten kann ich reden und hat auch vom Zeppelin erzählt. Zehn Minuten ist er noch nicht da. Ich habe 20 Minuten geredet. Der Zeppelin ist immer noch nicht da. Mir ist das Material ausgegangen. Ich habe mich noch mal frisch anfangen, sozusagen mich im Kreis drehen. Nach einer halben Stunde ist er immer noch nicht da. Und dann habe ich genug gesagt. Liebe Hörer. Nein. Damals hat man noch gesagt meine Damen und Herren, liebe Hörerinnen, jetzt gehe ich aber noch machen Grammophon Musik, bis sie kommt. Kaum bin ich unten kommt der Zeppelin und ich habe ihn nicht erwischt.
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Rachel Beroggi:
Auch war das Radioprogramm nicht immer ein Hörgenuss. Da ging es aber nicht um den Inhalt, sondern eher um die Qualität. Die NZZ schreibt im September 1924.
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Sprecher liest aus der «NZZ» vom September 1942:
Programme sind von bemerkenswerter Reichhaltigkeit. Aber es ist schade um diese schöne Musik, dass sie keine bessere Wiedergabe zuteilwird. Wie weich und voll, natürlich und laut klingen die Vorträge des Londoner oder Brüsseler Radioorchesters zu uns herüber. Und wie hart, schwach und heiser tönt es dagegen, wenn man auf Zürich einstellt.
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Rachel Beroggi:
Die Qualität war auch das Thema in der Rede von Radiopionier und Physiker Hans Zickendraht anlässlich der Eröffnung des Radiostudio Basel 1926. Es ist vermutlich die älteste erhaltene Eigenproduktion der Deutschschweizer Radiosender.
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Hans Zickendraht während einer Rede 1926:
Der Rundspruch verfolgt ideale nationale und internationale Ziele. Andererseits machen unsere ernst zu nehmenden Gegner auf die verflachende Wirkung missgeleiteten Rundspruchs aufmerksam. An uns ist es daher, das Niveau zu heben. Das kann aber nur durch rücksichtslose Selbstkritik und fleissigste Arbeit geschehen. An alle Freunde der Sache richten wir daher die aufrichtige Bitte, unsere ohnehin durch die spärlichen Mittel nicht eben rosig gestalteten äusseren Verhältnisse nicht noch dadurch zu erschweren, dass durch verzerrte Lautsprecherwiedergabe, durch Druck auf das Niveau der Darbietungen und ähnliche verfehlte Unternehmungen dem gemeinnützigen Werke geschadet werde.
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Rachel Beroggi:
Die Schweiz hat also noch vor Ende der 1920 er Jahre fünf eigene Radiosender und sie alle produzieren eigenständig und lokal. Das will der Bundesrat so doch Radiomachen ist schon damals teuer und daher ist es laut Medienhistoriker Edzard Schade gar nicht so einfach zu überleben.
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Edzard Schade:
Am Anfang versuchte jede Trägerschaft, jedes Radio natürlich, sich einen Platz zu erobern. Nicht nur in der Schweiz selber, nicht nur in der Deutschschweiz, in der Westschweiz, sondern international. Radio Zürich beispielsweise oder auch Radio Bern. Die wurden bis nach Skandinavien empfangen. Aber es zeigte sich dann sehr schnell, dass die Gebührengelder in der Schweiz eher spärlich flossen. Und dazu kam eben, dass immer mehr Stationen in der Schweiz entstanden. Das schränkte die Mittel ein. Und gerade Radio Zürich klagte sehr früh, dass man eigentlich mehr zusammenarbeiten müsse, wenn man international bestehen wolle.
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Rachel Beroggi:
Bis zur Gründung der Schweizerischen Rundspruchgesellschaft SRG mit ihren Landessendern sollten aber noch ein paar Jahre vergehen. Außerdem gibt es Druck von den Zeitungsverlagen, welche die Konkurrenz des neuen Mediums fürchten.
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Edzard Schade:
Die Radiokommunikation hat am Anfang die Funktion, eigentlich sehr schnelle Kommunikation zu ermöglichen, also Kommunikation in Echtzeit über enorme Distanzen hinweg. Und das war natürlich bedrohlich für die gedruckte Presse. Die Zeitungsverlage hatten auch eine sehr starke Lobby im Parlament. Im Bundesparlament waren wahrscheinlich neben den Bauern eine der stärksten Lobbys in dieser Zeit und die waren schon darauf bedacht zu sagen, dass ihnen das Radio nicht das Wasser abgräbt.
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Rachel Beroggi:
Deshalb dürfen die Radios die Nachrichten ziemlich lange nicht selbst redigieren und lesen. Bei Radio Zürich ist in den Anfängen beispielsweise die NZZ verantwortlich. Später übernimmt die Schweizerische DepeschenAgentur SDA, kontrolliert von den Zeitungsverlagen. Auch der Bund hat ein Auge auf die Informationssendungen.
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Edzard Schade:
Die Radiogesellschaften waren verpflichtet, bei Informationssendungen Manuskripte von den Referierenden zu verlangen. Das war wie quasi ein bisschen eine Zensur. Es musste ein Manuskript vorliegen, das dann auch begutachtet werden konnte. Das war nicht Vorzensur, aber es sollte natürlich die Nachzensur ermöglichen. Und wenn wir schauen, dann gibt es auch sehr viele Eingriffe von den Bundesbehörden. Also im Nachhinein, zum Teil eben bei Vorträgen. Es gab aber dann auch die Pflicht, dass die Radiostationen gerade bei politisch heiklen Fragen die Bewilligung bei den Behörden ersuchen mussten.
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Rachel Beroggi:
Erst ab 1971 darf das spätere Radio DRS die eigenen Nachrichten redigieren und lesen. Regulierungen und Einschränkungen und eben die hohen Kosten sorgen kurz nach der Blütezeit des Radios für die erste Krise. Die bescheidenen Konzessionsgelder zwingen die Studiodirektoren, mit ihren Mitteln, haushälterisch umzugehen. Eine Sparmaßnahme besteht beispielsweise darin, dass man sich zu Gemeinschaftssendungen zusammenschließt, womit schon damals ein erster Schritt getan ist zur zukünftigen SRG. Und da sind natürlich die Hörerinnen und Hörer, die das neue Medium trotz vieler Kinderkrankheiten nicht mehr missen wollen, sagt Medienhistoriker Edzard Schade.
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Edzard Schade:
Die Beschränkung auf die Töne, auf die Stimme, das faszinierte am Anfang. Das hielt die Menschen eigentlich vor dem Lautsprecher oder an den Kopfhörern. Und die Zuhörerinnen und Zuhörer waren von daher geduldig. Bis sich eben dann auch Modelle entwickelten, mit denen sich gute Programme finanzieren liessen. Rein organisatorisch, das sehen wir in Europa wie in den USA ist die Lösung, dass man eben Netzwerke Networks bildet, also nicht unendlich viele Stationen, sondern größere Stationen, die sich das Programm aufteilen. Also eine Konzentration der Mittel.
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Rachel Beroggi:
Und so ist dann 1931 die Zeit reif für die SRG. Und gleichzeitig mit der Gründung der Schweizerischen Rundspruchgesellschaft verbessert sich auch die Radiotechnik, so Juri Jaquemet vom Museum für Kommunikation.
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Juri Jaquemet:
Ab den 1930 er Jahren gibt es in der Schweiz auch eine Radioindustrie. Da kann man sich seinen Radio kaufen. Dann hat dieser Radio ab den 1930 er Jahren einen Lautsprecher. Lautsprecher, die eben ein Signal elektrisch verstärken. Vorher musste man das mit dem Kopfhörer hören. Das Gerät wird einfacher und dann ist auch klar. Mit der Gründung der SRG und der Landessender steigt natürlich auch einerseits die Übertragungsqualität, die Inhalte werden nochmals besser und es steht auch mehr Geld zur Verfügung, um Radio zu machen.
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Rachel Beroggi:
Viele Schweizer Radio Pioniere arbeiten für den neu gegründeten Nationalen Radioverein. Auch der Westschweizer Roland Pièce. Er wird Cheftechniker bei Radio Sotton, einem der Landessender. Fast zehn Jahre, nachdem er die ersten Versuche unternommen hat, um der Besatzung des Flugzeugs Goliath auf dem Weg nach Lausanne die Reise mit Rossinis Wilhelm Tell zu verkürzen. Das war die Zeitblende zur Pionierzeit des Radios in der Schweiz. Haben Sie Feedback zur Sendung oder Anregungen? Dann sind wir unter der Mailadresse zeitblende@srf.ch erreichbar.