Zürich 1980. Es war die Zeit der Jugendunruhen und auch in der Kultur wurde der Wunsch nach neuen Räumen und alternativen Kunstformen laut. Raus aus den verstaubten Kulissen und den etablierten Kulturpalästen! Das war die Geburtsstunde des Zürcher Theater Spektakels.
Volksfest am See
Durch seine Lage direkt am See war das «Speki» von Anfang an mehr als ein Insiderfestival für freie internationale Tanz-, Theater- und Zirkusgruppen. Es öffnete ein Fenster zur Welt und versprach ein Volksfest für Gross und Klein.
Dementsprechend wichtig war den Gründern – dem Präsidialdepartement der Stadt Zürich und dem «Tages-Anzeiger» – das Kinder- und Familienprogramm.
Populäre Mischung
Diese einzigartige Kombination von Volksfest und internationaler Avantgardekunst ist einer der Gründe, weshalb das Zürcher Theater Spektakel so erfolgreich ist.
Die Zahlen sind beeindruckend: Gegen 150’000 Menschen pilgern jedes Jahr auf die Landiwiese. Sie kommen, um sich die Gaukler und Strassenkünstlerinnen anzuschauen, um etwas Feines zu essen, im See zu schwimmen.
Gross ist aber auch das Interesse an der Kunst: Mehr als 25’000 Besuchende kaufen sich jedes Jahr ein Ticket für ein Tanz- oder Theaterstück, für ein Konzert oder für eine Zirkusvorstellung, die seit den Anfängen zur Tradition des Spektakels gehört.
Temporäre Theaterstadt
Die Veranstaltungen finden längst nicht mehr in Zirkuszelten statt, sondern in temporären Holzbauten, die jedes Jahr neu aufgebaut und nach dem Festival wieder abgebaut werden.
Was in den unterschiedlichen Theatern und auf der Wiese stattfindet, verbindet sich auch immer wieder: Im aktuellen Jubiläumsjahr wird der französische Choreograf Boris Charmatz das ganze Festivalareal bespielen, mit Tanzperformances, Workshops und öffentlichen Warm-Ups.
Lokale Verankerung
Schon in den Anfangsjahren war das Festival als Impuls für die freie Theaterszene in Zürich und der Schweiz gedacht. Diese steckte noch in den Kinderschuhen und entwickelte sich über die Jahre gemeinsam mit dem Festival.
Das Programm der letzten 40 Jahre liest sich wie ein «Who is Who» der internationalen Szene: Theaterpioniere wie die amerikanische «Wooster Group», stilbildende Regisseure wie Peter Brook, Robert Lepage oder William Kentridge kamen schon in den Anfangsjahren nach Zürich wie auch die wütenden Akrobaten «La Fura dels Baus» aus Barcelona.
Viele kamen nicht nur einmal, sondern immer wieder. Das Züricher Theater Spektakel wurde zu einem wichtigen Dreh- und Angelpunkt der internationalen Freien Szene.
Theater aus Krisenregionen
Von Anfang an waren die Veranstalter und Programmmacherinnen nicht nur an künstlerischen Experimenten interessiert. Das Programm spiegelte auch Konflikte und gesellschaftspolitische Fragen der Welt.
Künstler und Künstlerinnen aus Südafrika waren schon in Zeiten der Apartheid in Zürich zu Gast, Gruppen aus dem Nahen Osten oder aus Osteuropa brachten ihre künstlerischen wie politischen Perspektiven auf die Landiwiese und in den letzten Jahren waren vermehrt Tanz- und Theaterproduktionen aus dem globalen Süden eingeladen.
Postkolonialer Diskurs
Wie verarbeiten syrische Theaterschaffende den Krieg in ihrer Heimat? Warum positionieren sich brasilianische Tänzerinnen auf der Bühne ganz direkt gegen die rechtsnationale Politik in ihrem Land?
Die Grenzen zwischen Performance und sozialem Engagement, zwischen Politik und Kunst, Aktivismus und Diskurs lösen sich auf der Landiwiese auf.
Auch das eine der vielen Konstanten, die im Rückblick auf die letzten 40 Jahren ins Auge stechen und die das Theater Spektakel Jahr für Jahr zu einem Seismografen der globalisierten Welt machen.
Visionäre Leitplanken
Volksfest und Avantgarde, Kulinarik und Kunst, Alltag und Politik: Im Rückblick bildet der Mix aus diesen vermeintlichen Gegensätzen die spezifische Geschichte des Züricher Theater Spektakels.
Auch wenn erstaunlich viele dieser Leitplanken schon in den ersten Jahren gesetzt wurden, erfindet sich das Festival jedes Jahr wieder neu. Es gibt Anpassungen auf dem Festivalgelände, neue Formate und Angebote und die eingeladenen Gruppen erschaffen jedes Jahr zeitgenössische Kunstwelten, die das Publikum physisch erfahren und erleben kann.
Und so wird das Theater Spektakel auch in seinem vierzigstem Jahr seinem Namen alle Ehre erweisen.