In Bern am Kornhausplatz steht das imposante Stadttheater. 1903 eröffnet als Kulturtempel für das Bildungsbürgertum, ist es in die Jahre gekommen und wird jetzt renoviert. Dabei geht es vor allem um infrastrukturelle Verbesserungen, neue Toiletten, mehr Beinfreiheit fürs Publikum.
In den letzten 100 Jahren hat sich einiges geändert. Auf der Bühne und im Publikumsraum. Für wen sind dann aber noch die Logen gedacht, die zu dem neobarocken Bau gehören und zur feudalen Gesellschaftsstruktur von damals passten? Kann eine zeitgenössische Ästhetik überhaupt hinter einem golden gerahmten Bühnenportal bestehen?
Bühne und Spiel im produktiven Widerspruch
Der Theaterhistoriker Andreas Kotte spricht von einem «produktiven Widerspruch»: «Wir betreten das Haus durch die imposante Eingangspforte, bestaunen die neobarocke Fassade und das leitet den Theaterabend ein. Das ist ein Übergang. Denn wenn das Licht ausgeht und man die neue Bestuhlung nicht mehr sieht, muss das überzeugen, was auf der Bühne passiert.»
Aktuelles Theater kann in jedem Raum stattfinden. Das zeigt auch der Blick in die Theatergeschichte. Bertolt Brecht, der mit dem epischen Theater eine der bahnbrechendsten Theaterästhetiken entwickelt hat, tat dies ausgerechnet in einem Theater, das geradezu überfüllt ist von Dekorationen, die ihm und seinem Theater ein Gräuel waren: Stuckaturen, schwere Samtvorhänge, kitschige Malereien. Der Theaterhistoriker Andreas Kotte: «Was hätte der arme Mann denn tun sollen? Auf das Theater am Schiffbauerdamm in Berlin verzichten? Es gibt nur eins: Spielen! Gegen den Raum anspielen!»
Städtische Infrastruktur: Wie die Kirche im Dorf
Pragmatisch gesehen ist es auch einfach eine Realität: Es gibt die historischen Theaterbauten, sie gehören zur Stadtgeschichte und es ist billiger, sie alle paar Jahrzehnte zu renovieren oder umzubauen als neu zu bauen. Interessant ist dabei, dass diese notwendigen Millionenkredite für die aktuellen Renovationen von der Bevölkerung jeweils deutlich angenommen werden. 75 Prozent haben in Bern Ja gesagt, in Baden waren es 77 Prozent, in Solothurn sogar 80 Prozent. Das ist erstaunlich, gehen doch gerade mal zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung ab und zu ins Theater.
Das schönste Barocktheater der Schweiz
Theaterspielen kann man überall: in Hallen, auf der Strasse, sogar in Beizen. Das hat das Ensemble des Theater Solothurn in den letzten 17 Monaten bewiesen. Auch hier musste das Theater renoviert werden. Während dem Umbau hat man barocke Fresken entdeckt, die frisch renoviert wurden und ab Januar 2015 auch für Theaterbesucher sichtbar sind. Das Theater ist stolz und nennt sich neuerdings «das schönste Barocktheater der Schweiz.»
Beitrag zum Thema
Welche Art Theater in Zukunft darin gespielt wird, wird nicht von dieser historischen Adelung abhängen, sondern davon, wie zeitgenössisch sich die Künstler darin bewegen. Wie hat es der Theaterhistoriker Andreas Kotte gesagt: Spielen! Gegen den Raum anspielen!