Die Musikerin PJ Harvey, die gern mit Musikpoeten wie Nick Cave verglichen wird, liest Gedichte: Das klingt wie ein Versprechen für Tiefsinn und gewaltige Bilder. Das Publikum johlt, sobald sie die Bühne betritt.
Mit trauriger Stimme über traurige Themen
Mit zarter Stimme dankt die zierliche, ganz in schwarz gekleidete Frau für den Applaus und erzählt, dass die folgenden Gedichte auf Reisen nach Afghanistan, Kosovo und Washington DC entstanden sind.
Diese Reisen wagte sie zusammen mit dem Filmer und Kriegsfotografen Seamus Murphy, der bereits einige Musikvideos für Harvey realisiert hat.
Wie sieht der Alltag in Konfliktregionen aus? Für dieses Spannungsfeld zwischen normalem Leben und Konfliktsituation, habe sie sich interessiert, erklärt Harvey. Dann legt sie los: Ihre Stimme klingt hell und verletzlich.
Atmosphärische Wortbilder
In «I thought I saw a young girl» beschreibt sie die Suche nach einem Mädchen. Kaum folgt sie ihm, scheint das Mädchen wie vom Erdboden verschluckt. Auch Spuren, wie eine Puppe, verraten ihr nicht, wo das Mädchen ist. Sie läuft ins Leere.
Lyrisches Reisetagebuch
Die Beschreibung des Erlebten zieht sich wie ein roter Faden durch PJ Harveys Gedichte – wie ein lyrisches Reisetagebuch.
Harvey jedoch versucht mit ihren Wortbildern weiterzugehen: Sie möchte nicht nur die Stimmung einfangen, sondern auch das Elend der Armut, das Vakuum in den Kinderherzen, die Verletzung, die Versuche der Menschen, sich in einer zerstören Umgebung Normalität zu bewahren.
Naiver Blick mit einfacher Wahrheit
Sie betont, dass sie den Spuren des Krieges bewusst mit Kinderaugen begegnen wollte. Durch diesen Vorsatz, diese Methode, sei es erst möglich, auf den Reisen eine Art Naivität zu bewahren. Eine Reise in unbekanntes Terrain ohne Vorurteile zu unternehmen.
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Das sind sie auch, diese Gedichte – ungefilterte Schilderungen menschlichen Wahnsinns. Ob Kosovo, Afghanistan oder Washington DC – Harvey findet Parallelen im Leid der Menschen.
In Washington DC beschreibt sie nicht nur das Elend der westlichen Welt. Harvey möchte mit den Gedichten über diese Stadt Ursache und Wirkung verknüpfen: DC als Machtzentrum, in dem massgeblich über die Zukunft des Kosovos und Afghanistans entschieden wurde. Ein schöner Gedanke.
Die Wirkung zielt ins Leere
Die Gedichte von PJ Harveys bleiben die Poesie einer Aussenstehenden, die verzweifelt versucht, den Irrsinn versehrter Orte und Menschen in Worte zu fassen.
Die betonte Naivität ihres Blicks legt keine neue Wahrheit frei. Die Wirkung der Gedichte zielt ins Leere.
Kaum ist das letzte Gedicht in Luzern verklungen, erschallt tosender Applaus. Ob der Applaus der Lyrikerin gilt, oder in Wahrheit der etablierten Musikerin, bleibt offen.