Für Autorin und Regisseurin Angela Richter sind Whistleblower die Helden unserer Zeit. Darum collagierte sie aus Interviews und anderen Texten einen eindringlichen Theaterabend mit dem Titel «Supernerds» . Dabei schlüpfen Schauspieler in die Rollen von Julian Assange, Edward Snowden und anderen Informanten.
Live-Interview mit Julian Assange
Erschütternd sind die Schikanen, die etwa Juristin Jesselyn Raddack erdulden musste, weil sie auf einen fairen Prozess gegen einen vermutlichen Terroristen bestand. Berührend der traurige Monolog von Bradley Manning, der es als Nachrichtenanalyst im Irak nicht mehr aushielt, ein Mitwisser der Untaten der US-Armee zu sein. Er hatte das Video der «Collateral Murder» geleakt, das Soldaten im Hubschrauber zeigt, die Jagd auf Zivilisten machten.
Bradley (heute Chelsea) Manning wurde zu 35 Jahren Haft verurteilt, Edward Snowden lebt bekanntlich im Exil in Moskau, und Julian Assange sitzt seit fast drei Jahren in der ecuadorianischen Botschaft in London fest. Er darf allerdings Interviews geben, am Theaterabend in Köln sogar live: Wie aus dem Nichts erscheint er als 3D-Hologramm auf der Bühne und beantwortet die Fragen der Moderatorin. Seiner Ansicht nach gehen wir vom Überwachungsstaat zu einer Überwachungsgesellschaft über. Wir sind also nicht nur Opfer, sondern auch Mittäter. Dies klar zu machen, ist auch das Ziel von «Supernerds».
Auch die Handys des Publikums werden überwacht
Für den «Überwachungsabend» tat sich das Schauspiel Köln mit dem Westdeutschen Rundfunk zusammen. Am Premierenabend gab es eine Live-Sendung im Fernsehen, moderiert von Bettina Böttinger, die immer mal wieder auf der Bühne auftauchte; die Aufführung wurde auch am Radio übertragen, dezent kommentiert, fast wie ein eine Papstmesse.
Wer eine Aufführung von «Supernerds» besuchen will, muss sich anmelden mit Adresse, Geburtsdatum, Telefonnummer und Email. Schon im Vorfeld könnte er dann mit überraschenden Mails und anrufen traktiert werden.
Beiträge zum Thema
Wie die digitale Überwachung funktioniert, erfährt das Publikum auch während des Theaterabends. Zwischen den Szenen führte der Netzjournalist Richard Gutjahr anschaulich vor, wie viel man aus wenigen Daten über jemanden herausfinden kann. Als er sich in das Smartphone eines Zuschauers einschleicht, die Kamera aktiviert und damit die Sitznachbarn abfilmt, ist das nicht nur für den betroffenen Handybesitzer ein Schock.
Was Whistleblower riskieren
Das crossmediale Projekt «Supernerds» will die Zuschauer aus ihrer «Was geht das mich an?»-Haltung aufrütteln. Das wird erreicht durch die Spiele mit den Handys, aber noch mehr durch das Bühnengeschehen. Verkörpert durch grossartige Schauspieler erfährt man hier mehr von den Widerstandskämpfern unserer Zeit: von den Gründen, die sie bewegten, Informationen weiter zu geben, wie der ehemalige Pentagon-Mitarbeiter Daniel Ellsberg, der schon 1971 mit Informationen zum Vietnamkrieg an die Presse ging; von ihrem Mut und von dem, was sie riskieren, wenn sie verraten, wie der Überwachungsapparat funktioniert.