Sie haben mit Dietmar Schönherr in den 80er-Jahren zwei Filme gedreht: «Der Schwarze Tanner» und das Flüchtlingsdrama «Die Reise der Hoffnung». Dabei haben Sie viele Drehtage mit ihm erlebt. Was ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben?
Xavier Koller: Als Erstes tut es mir wahnsinnig leid, dass Dietmar gestorben ist. Ich habe vergangene Woche noch probiert, ihn anzurufen – leider ohne Erfolg. Ich habe ihm E-Mails geschrieben, er hat nicht geantwortet. Da hatte ich mich schon gewundert, ob es ihm nicht gut gehe.
Heute Morgen, als ich von seinem Tod erfahren habe, tat es mir sehr leid. Dietmar war ein sehr guter Freund zu jener Zeit. Durch mein Wegziehen aus der Schweiz hat sich das ein bisschen abgekühlt. Aber Dietmar war für mich einer der grossen Entertainer, der eine unheimliche Variation von Talenten an den Tag gelegt hat.
Damals, als ich ihn zuerst fragte, ob er beim «Schwarzen Tanner» einen Schweizer spielen könnte, sagte er: «Ich cha ja kei Schwiizerdütsch». Darauf sagte ich: «Wenn Sie es erlauben, können wir das synchronisieren.» Seine Antwort war: «Du kannst mir schon du sagen.»
Die Arbeit am «Schwarzen Tanner» war intensiv und freundschaftlich geprägt. Später haben wir uns viel privat getroffen, auch mit seiner Frau Vivi Bach. Sie war seine wirklich grosse, grosse Liebe.
Später war für mich klar: Ich wollte ihn in meinem Film «Reise der Hoffnung» haben und gab ihm dann die Rolle des Grenzwächters.
Sie haben mir erzählt, dass Ihre erste Zusammenarbeit bereits vor den zwei Filmen begonnen hatte. Sie haben fürs Fernsehen drehen wollen …
Ich habe damals Stücke für die «Telebühne» (ein Sendeformat des Schweizer Fernsehen DRS, Anm. d. Red.) geschrieben und inszeniert. Eines hiess «Pressefreiheit». Eine Woche zuvor hatte Dietmar eine eigene politische Sendung moderiert. Dort sagte er, Ronald Reagan sei ein Arschloch – worauf er vom Fernsehen gefeuert wurde.
Ich dachte: Zum Thema Pressefreiheit gehört Dietmar Schönherr dazu, auch wenn er gefeuert worden ist. Doch es hiess: Nein, er darf nicht eingeladen werden. Als ich entgegnete, dass dann die ganze Sendung nicht stattfinden würde, wurde er dann doch eingeladen.
Dietmar Schönherr war ein durch und durch politischer Mensch – er selbst bezeichnete sich als «skeptischer Beobachter der Gesellschaft». Wie haben Sie diese Seite von ihm erlebt?
Beiträge zum Thema
- «Der Tod zu Basel» mit Dietmar Schönherr (1992)
- «‹Wünsch dir was› mit Schönherr und Bach» (Musikwelle, 3.9.2013)
- Schönherr-Porträt zum 80. Geburtstag (Glanz & Gloria, 17.5.2006)
- Dietmar Schönherr wird 75 – ein Rückblick (Focus, 19.5.2001)
- Charles Clerc im Gespräch mit Schönherr (Sendung vom 30.4.2000)
In politischen Diskussionen hatte er immer eine sehr klare Haltung. Da war er unerschütterlich. Sein Engagement in Nicaragua zeugt davon: Er hat sich dort sehr stark engagiert, ist hingereist, ist auch fast umgekommen bei einem Angriff auf ein Dorf, in dem er eine Schule aufbauen wollte. Später hat er in Granada in einem alten Palazzo eine Musik- und Kunstschule eingerichtet und finanziert. Diesem Engagement ist er treu geblieben bis zu seinem Tod.
Wohltäter, TV-Moderator, Schauspieler, Schlagersänger – Dietmar Schönherr war offensichtlich ein sehr vielseitiger Mann. Wie wird er der Öffentlichkeit in Erinnerung bleiben?
Das ist schwer zu sagen. Heutzutage vergisst die Öffentlichkeit sehr schnell. Er ist ja in den letzten Jahren nach Ibiza gezogen und hat sich zurückgezogen, um sein Leben noch etwas zu geniessen. Daher wird wohl die Erinnerung sehr individuell sein: Einige werden ihn als politischen Aktivisten, andere als Schauspieler und wieder andere als «Wünsch dir Was»-Spezialisten im Gedächtnis behalten.
Ich erinnere mich an ihn als einen Freund und als einen herzensguten Menschen, der eine klare Haltung hatte dem Leben und den Leuten gegenüber.