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Bühne Ein Brückenbauer zwischen Volk und Kunst

Regisseur Geri Dillier hat das Mundart-Hörspiel geprägt wie kein Zweiter. Nun geht der 65-Jährige in Pension. Aus diesem Anlass publiziert SRF Auszüge aus der Laudatio, die der Schauspieler Hanspeter Müller-Drossaart anlässlich einer Preisverleihung in diesem Jahr gehalten hat.

Geri Dillier

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1949 in Sarnen (OW) geboren. Geri Dillier studierte Germanistik und Philosophie und arbeitet seit 1978 bei Radio SRF: Zuerst journalistisch, seit 1995 dann als Regisseur und Dramaturg für die Redaktion Hörspiel. Sein Schaffen wurde mehrfach ausgezeichnet, zuletzt 2014 mit dem Medienpreis der SRG Zentralschweiz.

Die erste Begegnung

Ich erinnere mich gerne an unsere erste Begegnung, die – wie könnte es anders sein – in einem Theater stattfand. Als junger, tendenziell leicht präpotenter Schauspielstudent sass ich im Theater am Neumarkt in Zürich: in der ersten Reihe, in euphorischer Erwartung von John Milington Synges Stück «Die Kesselflickerhochzeit». In perfektem Hochdeutsch, von deutschen Schauspielern gesprochen und gespielt, wie es sich im «richtigen» Theater gehört.

Ich war im tiefsten Kern überzeugt davon, dass ich dem «cherbigen», gutturalen Urschweizer Sprach-Geröll entfliehen musste, und den dumpfen und stummen Heimatboden hinter mir lassen, um zur «reinen», wirklich «bedeutenden» Theater-Kunst zu gelangen. Da sass ich also – von diesem fundamentalen Irrtum durchzittert – und da setzte sich plötzlich, mit einem mächtigen Souffleur-Regiebuch in der Hand, Geri Dillier neben mich. Auch ein Obwaldner Landei wie ich, aber einer, der es geschafft hatte, der hier in der Grossstadt in der «richtigen» Kunst angekommen war!

Ernst Süss, Geri Dillier, Hanspeter Müller-Drossaart im Hörspiel-Studio.
Legende: Ernst Süss, Geri Dillier, Hanspeter Müller-Drossaart bei den Aufnahmen zu «Dr Birglerheiri dä Sakerdiär», 1996. SRF

Es wurde mir später bewusst – vor allem auch dank Geri – wie sehr es die Herkunft, die Wurzeln und die Inhalte sind, die den künstlerischen Ausdruck wahrhaft nähren. Und nicht allein die attraktive, äussere Erscheinung. Dass der sprachliche Wohlklang, wenn ihm das existentielle Movens fehlt, in kurzlebige Äusserlichkeit zerfliesst.

Seine Hörspiele

Zwei Hörspiel-Arbeiten sind mir besonders in Erinnerung geblieben: Jon Fosses Familiendrama «Der Sohn» in der Urner Mundart-Fassung von Marco Schenardi. Und der Monolog «Klemens», den Geri aus dem Roman «Froschnacht» von Markus Werner entwickelt hat.

Bei Jon Fosse konnte ich zusammen mit der Urner Theaterfamilie Schenardi am Mikrophon wirken. Ich war erschüttert von der berührenden Einfachheit und Unmittelbarkeit meiner Kollegen im Laienstatus. Was ich mir oft mühseligst erspielen muss, tragen sie eng verbunden mit sich und schenken es den Figuren, die sie stimmlich verkörpern und beseelen.

Für «Klemens» von Markus Werner verpflanzte Geri den Monolog eines alten Bauern, der sich an sein Leben erinnert und die zerfallenden Werte reflektiert, in die Innerschweizer Sprachwelt. Ich habe selten so deutlich gespürt, wie meine ursprünglichste Heimatsprache, das Obwaldnerische, mit der Figur identisch wurde.

Er traf den richtigen Ton

Und wie arbeitet Geri denn als Regisseur? Auf respektvoller Augenhöhe, gleichzeitig die eigene Idee skizzierend und das Gemeinsame befragend. Immer wohlwissend um die Verletzlichkeit von uns Wort-Arbeitern setzt Geri bestimmt und dennoch unangestrengt seine gestalterischen Akzente:

«Chenntsch mer das nu einisch?»

«Wurdsch mer dete echli meh?»

Ich glaube nicht, dass ich zu sehr ins Blaue assoziere, wenn ich sage, dass Geri so sinnstiftend mit Schauspielern – mit uns Sprach-Bauern sozusagen – arbeiten kann, weil er die echten Bauern und ihre inneren Räume sehr gut kennt.

Kurz-Hörspiel zum Abschied

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«Der abenteuerliche Gericissimus – oder wie dä Dillier Geri s'Mundarthörspiel het erfunde (und s Hörspiel und dä Mundart au)». Vom tütsche Sprachzwischenschaftler Doktor Höll, gsproche vom Stalder Reto vo Bärn:

Teil 1, Teil 2, Teil 3

Ein Obwaldner, eine Urnerin lassen sich nicht zwingen. Oder wie das bei uns auch noch heisst: «z’Sinn-chemiger uberschnure». Für die Auswärtigen unter Ihnen: Da muss einem gefälligst schon etwas mehr in den Sinn kommen, wenn man die verführen will.

Geri Dillier hat seine Kunst angesiedelt, verortet. Landschaften und Literaturen untereinander in den Dialog geführt, in der Sprache Welten miteinander verbunden, hörbar, sichtbar, am Radio und auf der Bühne. Ein Brückenbauer zwischen Volk und Kunst, zwischen verwurzeltem Dasein und sprachlich-künstlerischem Diskurs darüber.

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