Vor zwei Wochen wurde dem Probenleiter des Ballett-Ensembles von Bühnen Bern fristlos gekündigt. Das berichtete bereits gestern das Berner Onlinemagazin «Hauptstadt». Die Journalistin Flavia von Gunten über Vorwürfe und Versäumnisse, welche die Bühnen Bern teuer zu stehen kommen könnten.
SRF: Die Bühnen Bern haben mittlerweile bestätigt, dass sie dem Ballettmeister gekündigt haben. Dies allerdings erst auf öffentlichen Druck hin. Sie haben den Artikel geschrieben, der dies aufdeckte. Woher wussten Sie von dieser Kündigung?
Flavia von Gunten: Eine Quelle hat mir diese Information mitgeteilt. Allerdings muss ich diese Quelle schützen und darf deshalb keine weiteren Informationen herausgeben.
Die Missbrauchsvorwürfe wurden am 29. September zum ersten Mal in der Wochenzeitung «Die Zeit» publiziert. Laut Recherchen der Zeitung stehen diese Vorwürfe allerdings seit 2021 im Raum. Der Ballettmeister wurde damals für zwei Monate freigestellt und erhielt anschliessend mit einer Probezeit eine Art zweite Chance . Was wissen Sie über die Begründung, mit der er nun entlassen wurde?
Über die Begründung kann ich keine Auskunft geben. Der Probenleiter hat «Hauptstadt» mitgeteilt, dass auch er über die Gründe der Entlassung nicht informiert worden sei, obwohl er schriftlich nachgefragt habe.
Haben sich denn die Bühnen Bern Ihnen gegenüber zu den Gründen geäussert?
Nein, haben sie nicht.
Wissen Sie, wie die Tänzerinnen und Tänzer am Haus über die Kündigung und deren Grund informiert wurden?
Auch die Tänzerinnen und Tänzer haben erst aus den Medien von den Vorwürfen erfahren. Es gab allerdings einen Untersuchungsbericht der Anwaltskanzlei zu den Vorwürfen der sexuellen Belästigung. Jene Tänzerinnen, die eine Vertraulichkeitserklärung unterschrieben haben, durften diesen Bericht lesen.
Die bisherige Kommunikation von Bühnen Bern gegenüber der Stadt stärkt das Vertrauensverhältnis gar nicht.
Mit der Ausnahme einer Person haben alle unterschrieben. Es ist jedoch so, dass nur acht Tänzerinnen der aktuellen Compagnie zu diesen Personen gehören. Beim Rest gab es in der Zwischenzeit Wechsel.
Diese Erklärung beinhaltete auch, dass man Stillschweigen bewahrt.
Genau. Die Tänzerinnen dürfen nicht darüber reden, was sie dort gelesen haben. Und sie haben auch nur jenen Teil des Berichts lesen dürfen, der sie persönlich betrifft, also nicht den ganzen Bericht.
Das Stadttheater Bern hat also nicht nur die eigenen Mitarbeitenden im Unklaren gelassen. Es hat auch versäumt, die Stadt Bern über die Vorwürfe zu informieren. Inwiefern könnte das problematisch für die Bühnen Bern werden?
Auch die Stadt Bern hat nur aus den Medien von den Vorfällen erfahren. Dabei wären die Bühnen Bern gemäss Leistungsauftrag verpflichtet gewesen, die Stadt über die Missbrauchsvorwürfe und die Untersuchung, die sie dann eingeleitet haben, zu unterrichten.
Die Kulturbeauftragte der Stadt Bern hat gegenüber «Hauptstadt» gesagt, dass es theoretisch möglich wäre, dass die Subventionen gekürzt werden.
Ausserdem ist der Zeitpunkt für Bühnen Bern gerade sehr ungünstig, weil in diesem Moment die Stadtregierung die Botschaft für die Jahre 2024 bis 2028 behandelt. In dieser Botschaft sind eben auch die Subventionen für die Bühnen Bern geregelt.
Ein unglücklicher Moment, könnte man sagen.
Total. Insgesamt denke ich, dass die bisherige Kommunikation von Bühnen Bern gegenüber der Stadt das Vertrauensverhältnis gar nicht stärkt.
Das Gespräch führte Katrin Becker.