Der 1967 geborene Solothurner Thomas Hauert hat in über 25 Jahren ein einmaliges Werk für seine Compagnie Zoo und viele weitere Ensembles geschaffen. Auch als Dozent hat er viele junge Tänzer und Tänzerinnen nachhaltig geprägt. Nun erhält er den Schweizer Grand Prix Darstellende Künste / Hans-Reinhart-Ring.
Als Thomas Hauert 2017 für das Stück «inaudible» mit einem Schweizer Tanzpreis ausgezeichnet wurde, sagte er in einem Interview: «Wir sollten die Komplexität als etwas Willkommenes annehmen, anstatt ständig das Mögliche zu begrenzen.» In diesem Satz kondensiert sich die wesentliche Triebfeder von Hauerts Schaffen.
Es ist auch ein Statement für die Vielfalt der Kunst und ihre gesellschaftliche Bedeutung. Bis heute, nach über 20 Werken, hat er nicht aufgehört, zusammen mit seiner Compagnie Zoo neue Bewegungsformen sowie Körperbilder zu erforschen. Mit einer feinen Bewegungssensibilität und einem weltoffenen, kritischen Geist reagiert der Choreograf und Tänzer dabei auf unsere Gegenwart.
Aus Solothurn in die Welt
Aufgewachsen ist der Schweizer Hauert, der heute in Brüssel lebt, in den 1970er-Jahren in einem kleinen Dorf im Kanton Solothurn. Mit fünf Jahren sah er «Holiday on Ice» live in Bern, war fasziniert und begann, unbeobachtet erste Tanzschritte auszuprobieren. Doch erst machte er eine Primarlehrer-Ausbildung, bevor er an die Tanzakademie Rotterdam ging.
Je unterschiedlicher die Perspektiven auf ein Thema, desto reicher fällt das Ergebnis aus.
Nach der Tanzausbildung folgten verschiedene Engagements als Tänzer, so in der renommierten Compagnie Anne Teresa De Keersmaeker. Schliesslich gründete Hauert 1997 in Brüssel mit anderen zusammen eine eigene Compagnie, die Compagnie Zoo. Auch wenn Hauert die Fäden in der Hand hält, wird kollobarativ gearbeitet, ohne Hierarchien.
«Es ist meine Überzeugung», sagt Hauert, «dass wir alle kreativ sind. Je unterschiedlicher die Perspektiven auf ein Thema sind, desto reicher und komplexer fällt auch das Ergebnis aus.» Das erste Stück – Premiere war 1998 – heisst «Cows in Space» und schlug bei Publikum und Presse gleichermassen ein.
Instant Choreography
Was in diesem Stück angelegt war, wurde im Laufe der Jahre immer weiter entwickelt. Es ist das Prinzip der «Instant Choreography»: Die Tänzer und Tänzerinnen improvisieren innerhalb eines strukturierten Rahmens.
So entsteht jeden Abend das Stück neu, lebendig und mit einer enormen Präsenz, die unweigerlich aufs Publikum überspringt. Auf der Bühne entspinnt sich ein Netz an wechselnden Beziehungen, wird der Raum ausgelotet, weit und nah.
Es ist wie im Fussball, wo es klare Regeln gibt, alles andere aber offenbleibt.
Hauert gibt seine «Methode» in Workshops weiter und ist seit 2013 auch als künstlerischer Leiter des Bachelor-Studiengangs für zeitgenössischen Tanz an der Hochschule für Darstellende Künste La Manufacture in Lausanne. «Ein Rezept ist es nicht», meint der Choreograf, «es ist wie im Fussball, wo es ebenfalls klare Regeln gibt, alles andere aber offenbleibt.»
Tatsächlich hat das Spielerische in Hauerts choreografischer Arbeit einen hohen Stellenwert. Gleichzeitig ist alles präzis gesetzt ohne überflüssige Schlenker. Wer Hauert in seinem jüngsten Solo «Troglodyte» tanzen sieht, begreift etwas von der unmittelbaren Wirkung von Tanz: Auch wenn wir auf unsern Stühlen festsitzen, sind wir bewegt, körperlich und mental. Da ist etwas Rohes, Starkes und auch ganz Zartes.