1982 begann die Regisseurin Ellen Steiner mit ihrer Langzeitreportage «Für müde Füsse ist jeder Weg zu lang» über den Traumberuf Schauspielerin. Damals begleitete sie vier Nachwuchstalente beim ersten Tag in der Zürcher Schauspielakademie. 40 Jahre später besuchte sie die vier ein letztes Mal. Ein Gespräch über Glücksmomente und Illusionen.
SRF: Wie suchten Sie aus 26 Schauspielschülern Ihre Protagonisten aus?
Ellen Steiner: Zuerst hat mich verblüfft, dass sich so viele junge Menschen für den Schauspielerberuf entschieden haben.
Mich haben die verschiedenen Lebenswege von Menschen immer fasziniert.
Als sich die neue Klasse auf die Rede des damaligen Direktors der Schauspielakademie konzentrierte, habe ich rein intuitiv ausgewählt, wen ich porträtieren möchte: Corina Remund, Monik Kravarik, Stéphane Maeder und Kamil Krejčí. Es war reine Neugierde darauf, was hinter den unterschiedlichen Gesichtern steckt.
Wussten Sie damals schon, dass es eine Langzeitbeobachtung werden soll?
Das war mir von Anfang an klar. Mich haben die verschiedenen Lebenswege von Menschen immer fasziniert. Später war ich zu neugierig, um aufzuhören. Ich wollte wissen, wie es weitergeht.
Was für eine Beziehung haben Sie zum Theater?
Ich stamme aus einer Schauspieler-Familie und wusste, dass es kein leichter Beruf ist. Mein Vater war der Schauspieler Sigfrit Steiner, der lange Zeit am Schauspielhaus Zürich engagiert war. Er hat in unzähligen Schweizer Spielfilmen mitgewirkt und in Deutschland bei Film und Fernsehen eine Alterskarriere gemacht.
Es braucht viel Kraft, um die ständige Kritik auszuhalten.
Waren Sie selbst auch an einer Schauspielschule?
Nein, aber ich war einige Jahre Regieassistentin an verschiedenen Theatern. Ich habe hautnah erlebt, wie anspruchsvoll der Schauspielerberuf ist. Abgesehen von Begabung, Fleiss, Glück und Disziplin braucht es auch sehr viel Kraft, um die ständige Kritik auszuhalten.
Ihr Film zeigt Erfolge, spart aber die harten Seiten nicht aus. Wie schwierig war es, Ihre Protagonistinnen dabei zu filmen? Nicht jeder lässt sich gerne beim Scheitern zusehen.
Ich hatte das Glück, dass wir durch die Jahre ein enges Vertrauensverhältnis aufbauen konnten. Sie merkten auch, dass ich vom Theater etwas verstehe.
Als «Scheitern» würde ich es nicht bezeichnen, wenn man merkt, dass es nicht mehr für einen stimmt. Ich bewundere, wenn jemand neue Wege sucht und sich nicht unterkriegen lässt.
Mehrere der Schauspielerinnen im Film ziehen sich mit dem Kinderkriegen zunehmend ins Private zurück. Was ging Ihnen dabei durch den Kopf?
Es hat mich nicht erstaunt, dass für Frauen der Schauspielberuf mit Kindern sehr viel schwieriger zu bewältigen ist als für Männer. Während meiner Theaterzeit hatte ich viele Kolleginnen, die ständig mit schlechtem Gewissen ins Theater kamen.
Im Theater ist es nicht anders als anderswo: Frauen werden im Berufsleben benachteiligt. Darauf habe ich als Journalistin immer wieder aufmerksam gemacht.
Man startet mit vielen Illusionen ins Berufsleben und wird immer wieder von der Realität eingeholt.
Heute stehen die vier Protagonistinnen kurz vor der Pensionierung. Sie selbst sind 81 Jahre alt. Was hat Sie daran gereizt, die vier nochmals zu besuchen?
Ich finde das Projekt einfach sehr spannend. Man startet mit vielen Illusionen ins Berufsleben und wird immer wieder von der Realität eingeholt. Für die sogenannten «Traumberufe» ist das noch eklatanter.
Gibt es nach so vielen Drehtagen eine Art Resümee zum Traumberuf Schauspielerin oder Schauspieler?
Das zeigt der Titel: «Für müde Füsse ist jeder Weg zu lang». Bei solchen Berufen dürfen die Füsse einfach nie müde werden.
Das Gespräch führte Barbara Seiler.