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Live-Performance am TV «Dämonen»: Ein Gassenhauer der gewagten Art

Stadttheater im Wortsinne: SRF zeigt das spektakuläre Stück, in dem eine Kamera sieben jungen Leuten durch Basel folgt – in Echtzeit.

Sieben junge Schauspielende hasten durch Basel. Sie erzählen ihr Leben in die Kamera. Es soll etwas passieren, denn diese Nacht könnte ihre letzte sein.

Das ist die Ausgangslage in diesem Projekt, das von den Regisseuren Sebastian Nübling und Boris Nikitin entwickelt wurde. Das ganze Stück wird von einer Kamera gefilmt und live ins Theater Basel gestreamt.

Der Filmemacher Robin Nidecker folgt den jungen Leuten durch den Bahnhof, ins Parkhaus, in die Gassen Basels. Es gibt keinen Schnitt, keine Möglichkeit, einen Fehler zu kaschieren. Was passiert, passiert.

«Es ist eine sehr sportliche Aufgabe, die viel Kondition und Konzentration benötig. Zweieinhalb Stunden am Stück ist die Kamera ‹on›», sagt Nidecker. Es gebe keine Möglichkeit zu korrigieren, «nichts kann herausgeschnitten werden.»

Hinzu komme, dass sich die Schauspielenden durch eine unberechenbare «Aufführungssituation» bewegten. «Es ist schon passiert, dass Passanten angefangen haben mitzuspielen», sagt Nidecker. «Oder es zieht ein Gewitter auf. Das ist ein ziemlicher Ritt.»

Im Sog der Kamerafahrt

Während die Kamera den Schauspielenden folgt, hören die Zuschauenden deren Gedanken und laufen jeden Strassenzug gemeinsam mit ihnen ab. Das hat ein Tempo und eine fast hypnotische Kraft. Durch das unaufhaltsame Unterwegssein wird man regelrecht in diese nicht endende Kamerafahrt hineingezogen.

Ein Dutzend schwarz gekleideter junger geht zügig und ernsten Blickes durch eine Strasse.
Legende: Wo geht's bitte zum Theater der Zukunft? Die (Sinn-)Suchenden des Stücks «Dämonen» in den Strassen von Basel. SRF/Theater Basel/Ingo Hoehn

Für One-Shot-Filme gibt es bekannte Schweizer Vorbilder. Der Tatort «Die Musik stirbt zuletzt» (Regie Dani Levy) wurde in einer Einstellung im KKL Luzern gedreht.

Auch im ZHdK-Kurzfilm «Endsieg» von Daniel Casparis und Nicolo Castelli ist die Kamera der Star. Dass ein One-Shot noch dazu live gesendet wird, ist eine Premiere für SRF.

Der Star ist die Kamera

Das Risiko ist Teil des Konzepts. Das Stück läuft seit einem Jahr erfolgreich im Theater Basel und wurde für das Berliner Theatertreffen nominiert. Im Theater sehen die Zuschauenden den Live-Feed auf einer Leinwand, die im Zuschauerraum aufgestellt wird.

Aufnahme einer grossen Leinwand, die im Zuschauerraum eines Theaters hängt. Auf dem Screen ist eine Frau zu sehen.
Legende: Theater oder TV? Beides? Auf eine Leinwand im Zuschauerraum wird der dämonische Stadtrundgang live übertragen. SRF/Theater Basel/Ingo Hoehn

Für das Fernsehen haben Boris Nikitin, Sebastian Nübling und Robin Nidecker das Stück neu adaptiert. Anfang und Schluss wurden geändert, das Theaterstück wurde um eine Stunde gekürzt.

Das Publikum verzeiht im Theater viel. Hier wird das alles zu einem Event, das das Publikum animiert.
Autor: Boris Nikitin Theaterregisseur

Dabei sei die grösste Herausforderung die Publikumssituation, sagt Boris Nikitin: «Im Theater kommen Leute, die sich extra an diesen Ort begeben, ein Ticket kaufen, sich auf ein kollektives Ritual einlassen.»

Dass es Unterbrechungen bei der Übertragung und die ein oder andere Länge gab – geschenkt: «Das Publikum verzeiht im Theater viel. Hier wird das alles zu einem Event, das das Publikum animiert. Alles ist besonders. TV ist da ganz anders.»

Sieben Menschen, verkleidet mit Masken und unterschiedlichen Kleidern, stehen versammelt vor einem Schaufenster.
Legende: Kurze Rast, bevor der Streifzug weitergeht: Die Schauspielenden des Projekts «Dämonen» bei ihrer Performance in Basel. SRF/Theater Basel/Ingo Hoehn

Redaktionell und produktionell ist «Dämonen» ein Projekt des Theater Basel und Robin Nideckers Produktionsfirma. SRF überträgt «nur» das Signal vom Theater in die Sendeleitung im Leutschenbach.

Das TV als Bühne für das Theater?

Theater im Fernsehen ist in den vergangenen Jahren eher selten geworden. Das zu ändern ist Aufgabe des nationales Fonds DSAL «De la scène à lécran», der das finanziell möglich macht. Aufführungen aus der ganzen Schweiz werden von unabhängigen Produzierenden fürs TV adaptiert und bei SRF, RSI und RTS gezeigt.

Für was steht der «DSAL»?

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Der Verein DSAL «De la scène à l`écran» (Von der Bühne auf den Bildschirm) zielt darauf ab, dem Theater, aber auch Zirkus oder Performance im Schweizer Fernsehen eine Plattform zu bieten. Filmregisseure und Produzentinnen sollen mit Theaterleuten zusammengebracht werden, um gemeinsam bestehende Werke für den Bildschirm zu adaptieren.

Für SRF und RSI ist diese Form eine Premiere. RTS hingegen, die das Projekt 2018 angestossen haben, schauen bereits auf über zehn Produktionen zurück, die dank DSAL realisiert werden konnten.

Nationalen Theaterproduktionen soll so nicht nur ein zweites Leben gegeben werden, sondern das Schweizer Fernsehen betrachtet es auch als seine Aufgabe, das audiovisuelle Gedächtnis der Schweiz zu füttern.

Welche Rolle das Theater auch für das Fernsehen haben könnte, ist für Boris Nikitin klar: «Theater ist brüchig, körperlich, verwundbar, vergänglich. Für einen durchgestylten, kontrollierten Betrieb wie das Fernsehen ist das ein gutes Gegengift.»

Sendehinweis «Dämonen»

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  • Freitag, 23. Juni 2023, 20.10 Uhr auf SRF zwei und live auf  Play SRF
  • Nach der Ausstrahlung auch auf  Play Suisse
  • ​Den Livestream der TV-Übertragung können Besucherinnen und Besucher auch im Foyer des Theater Basel auf grossen Leinwänden verfolgen. Der Eintritt ist frei.


    Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 22.6.2023, 17:20 Uhr

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