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Shakespeare auf Schweizerdeutsch, Vorsicht, Rutschgefahr!
Aus Kultur-Aktualität vom 11.06.2019. Bild: Emanuel Wallimann
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Mundart-Theater in Luzern König Shakespeare auf Schweizerdeutsch

Kann man Shakespeare auf Schweizerdeutsch übersetzen? Autor Thomas Hürlimann hat es mit der Komödie «Was ihr wollt» versucht. Das Resultat ist jetzt an den Luzerner Freilichtspielen zu sehen. Im Interview spricht Hürlimann über die Schönheit und Schwierigkeit einer Herkulesaufgabe.

Thomas Hürlimann

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Der Schweizer Schriftsteller debütierte 1981 mit der Erzählung «Die Tessinerin» und hat seither zahllose Romane und Theaterstücke geschrieben. Viele seiner Stücke wurden am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt. Zuletzt erschien sein autobiographischer Roman «Heimkehr».

SRF: Shakespeare ist ein Sprachkünstler sondergleichen. Kann da das Schweizerdeutsche mithalten?

Thomas Hürlimann: Nein. Da muss man harte Entscheidungen treffen. Shakespeares Figuren – nehmen Sie zum Beispiel den Narren in «Was ihr wollt» – sind grandiose Kommentierer ihrer selbst. Man könnte sagen: Sie gehen gewissermassen mit weit geöffneten Seelenflügeln durch die Gegend und kommentieren jeden Schritt.

Das ist dem Schweizerdeutschen so nicht gegeben – auch nicht unserem Charakter. Der Schweizer ist stummer. Er geht mit geschlossenen Seelenflügeln durch die Welt.

Ich kann die Figuren auf Mundart also nicht so reden lassen wie bei Shakespeare. Wenn sie Schweizerdeutsch reden, haben sie – mit Elias Canetti gesagt –, eine andere Sprachmaske. Die bedingt einen anderen Charakter.

William Shakespeare hat Theater fürs Volk gemacht. In London, im Globe Theatre, kam die breite Masse. Sie haben kürzlich einer Zeitung gesagt, «das moderne deutsche Theater ist viel zu ernst – ihm ist die Lust abhanden gekommen. Im Volkstheater lebt sie noch». Ist für Sie Volkstheater die einzig wahre Theaterkunst?

Das Theater kommt von den Plätzen, den Dorfplätzen. Wahrscheinlich ist es in früherer Zeit da entstanden. Einerseits im Kultischen, im alten Griechenland, andererseits auf Sizilien in der Commedia. Da zogen die Truppen von Ort zu Ort. Das hatte immer sehr viel mit Lust, Freude und Scherzen zu tun, teilweise auch derben.

Shakespeare hat viel Humor in seine Stücke gepackt. Er musste sein Publikum ja auch unterhalten. Immer da, wo es um Liebe geht – wie eben auch in «Was ihr wollt» – da hat man meist beides: Humor und Tragik.

Denn es ist in der Liebe nicht immer so, dass sich alle Wünsche erfüllen. Wenn das Stück zu Ende ist, dann entfernen sich die Figuren auch wieder auseinander. Die einzige Heirat, zu der es bei «Was ihr wollt» kommt, wird nicht unbedingt eine glückliche sein.

In der Ankündigung heisst es, Shakespeare werde in die Gegenwart übertragen. Was heisst das genau?

Das Stück spielt am Vorabend des Dreikönigstags. Wir haben versucht, diese Winternacht in den Luzerner Sommer zu holen. Deswegen hatten Barbara Schlumpf (die Regisseurin, Anmerkung der Redaktion) und ich die Idee, das Ganze auf eine Eisbahn zu bringen.

Veranstaltungshinweis

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«Was ihr wollt» ist vom vom 11. Juni an bis zum 14. Juli an den Freilichtspielen Luzern zu sehen.

Warum diese Übertragung auf das Eis? Erstens weil wir schneller sein müssen, als die fünf Akte dauern würden. Die Kufen verleihen den Figuren eine gewisse Geschwindigkeit.

Und zweitens erzählt das Stück von Paaren, die aufeinander zuschweben und einander wieder fliehen. Das lässt sich auf dieser Eisbahn darstellen.

Das Gespräch führte Sarah Herwig.

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