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Nach Knall beim Béjart-Ballett Kann es der Publikumsliebling Julien Favreau richten?

Nach der Entlassung seines künstlerischen Leiters steht das Lausanner Béjart-Ballett vor einer ungewissen Zukunft.

Julien Favreau ist einer der Pfeiler und Star-Tänzer der Kompanie. Nun wechselt er unvermittelt hinter den Vorhang und übernimmt die künstlerische Leitung des Béjart-Balletts Lausanne (BBL). Dies, nachdem der bisherige Leiter, Gil Roman, vor einer Woche Knall auf Fall entlassen wurde.

Mit Julien Favreau setzt der Stiftungsrat nicht nur auf den Publikumsliebling der Lausanner Ballett-Fans. Favreau geniesst offenbar auch intern grossen Rückhalt: Seine Nomination wurde von den Tänzerinnen und Tänzern der Kompanie offenbar mit einem langen Applaus quittiert.

Julien Favreau tanzte schon zahlreiche Rollen am Béjart-Ballett – hier 2007 mit Kateryna Shalkina.
Legende: Julien Favreau tanzte schon zahlreiche Rollen am Béjart-Ballett – hier 2007 mit Kateryna Shalkina. Keystone / AP / Murad Sezer

Favreau gehört quasi zum BBL-Inventar: Der gebürtige Franzose war 1994 in die zur Kompanie gehörenden Ballett-Schule «Rudra Béjart» eingetreten. Nach nur einem Jahr holte ihn Maurice Béjart in die Kompanie, wo er zahlreiche tragende Rollen tanzte.

Favreau kennt die berühmten Choreografien des verstorbenen Altmeisters Béjart. Das freut Grégoire Junod, Stadtpräsident von Lausanne und Vizepräsident der BBL-Stiftung: «Julien Favreau ist einer der wenigen verbleibenden Künstler der Kompanie, die noch während der Béjart-Ära getanzt haben. Das ist sehr wichtig für eine Kompanie mit so einem Repertoire.»

Cholerischer Umgang

Es geht also weiter mit dem Béjart-Ballett – so die unterschwellige Botschaft der schnellen Nomination Favreaus zum Interimsleiter. Für Jean-Pierre Pastori, Lausanner Journalist und Kenner des Béjart-Balletts, kann die Kompanie so einen Bruch vermeiden: «Favreau steht für Stabilität. Da er mit Maurice Béjart selber zusammengearbeitet hat, ist auch er als Nachfolger legitimiert.»

Mit der Absetzung von Gil Roman versucht der Stiftungsrat einen Strich unter die Krise zu ziehen, in der das BBL seit 2021 steckt. Damals zeigten zwei Audits gravierende Mängel in der Leitung der Ballettschule, die daraufhin geschlossen wurde, sowie Fälle von Mobbing und sexueller Belästigung in der Kompanie.

Das führte schliesslich zur Entlassung des Produktionsleiters des BBL. Gil Roman aber konnte sich als künstlerischer Direktor halten. Dies, obwohl auch er durch das Audit scharf kritisiert wurde – als cholerisch und vulgär im Umgang mit seiner Kompanie.

Der berühmte Tropfen

Nun wurde Roman zum Verhängnis, dass er eben jenen Produktionsleiter zu einem BBL-Auftritt in Paris mit anschliessendem Apéro eingeladen hatte, der wegen sexueller Belästigung entlassen worden war. Das sei respektlos nicht nur gegenüber der Kompanie, sondern widerspreche auch der Null-Toleranz-Strategie, so die Stiftungsleitung.

Szenarien: Wie weiter mit dem Béjart-Ballett?

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Der Posten der künstlerischen Leitung des Béjart Ballett Lausanne (BBL) soll im Sommer definitiv neu besetzt werden. Bereits im Frühling will der Stiftungsrat die Details und den Fahrplan zur Ausschreibung kommunizieren.

Gil Roman ist noch bis Ende April 2024 im Amt, ab dann übernimmt Julien Favreau interimistisch die künstlerische Leitung.

Für Béjart-Kenner Jean-Pierre Pastori wird im Sommer der entscheidende Moment dafür sein, wie es mit dem BBL weitergeht. «Es könnte gut sein, dass Favreau das Ballett weiterführt, es können sich aber auch Externe bewerben.»

Sinkende Besucherzahlen

So oder so stünden der künftigen Leitung eine Herkules-Aufgabe hervor. Die Besucherzahlen sinken, wie Radio RTS jüngst vorrechnete . «Die finanzielle Situation ist eine andere als zu den grossen Zeiten des Béjart-Balletts», sagt Pastori.

Inhaltlich gehe es darum, das Erbe von Maurice Béjart fortzuführen und weiterzuentwickeln. Gil Roman habe dazu sowohl eigene Choreografien eingebracht als auch punktuell mit externen Choreografinnen und Choreografen zusammengearbeitet. «Die neue Person wird dem Ballett sicherlich ihren Stempel aufdrücken», so Pastori.

Was passiert mit der Ballettschule?

Ob die Ballett-Schule «Rudra Béjart» dereinst ihre Tore wieder öffnet, ist indes mehr als ungewiss. «Ich glaube nicht daran», sagt Jean-Pierre Pastori. «Man hätte die Schule niemals schliessen dürfen, das war ihr Todesurteil. Ihre Reputation ist dahin.»

Und selbst wenn die Schule wieder aufginge, wäre es nicht mehr dasselbe. «Der Zugang zur Béjart-Schule war kostenlos, die Talente standen Schlange. Neu soll man dafür zahlen müssen – das zieht eine andere Klientel an.»

Offiziell steht das Ziel noch, die Schule wieder zu eröffnen. Es wurde jedoch schon mehrere Jahre in Folge verschoben.

«Ich nehme an, dass dies der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat», so Ballett-Kritiker Pastori. Man dürfe trotzdem nicht vergessen, dass Gil Roman auf künstlerischer Ebene über viele Jahre eine grosse Arbeit geleistet habe.

Darf das BBL noch Béjart tanzen?

Ende April muss Gil Roman gehen – aber nimmt er dabei auch gleich das wertvollste Gut mit, das ihm anvertraut wurde? Roman ist nämlich noch Präsident der Stiftung Maurice Béjart, die die Rechte an sämtlichen Béjart-Choreografien innehat.

Wäre dies der Fall, könnte sich das Béjart-Ballett vor der Situation wiederfinden, keinen «Béjart» mehr tanzen zu dürfen. «Das ist nicht unmöglich», gab Stiftungsvizepräsident Junod gegenüber Radio RTS unumwunden zu. Das Szenario sei aber wenig wahrscheinlich, zumal alle anderen Akteure darauf hinwirken, dass das Ballett weitergeführt werden könne. Eine Ungewissheit bleibt.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 5.2.2024, 16:30 Uhr.

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