Lena Rohrer ist 26 Jahre alt, hat zwei Katzen und ihr Herz an den Technoclub «uferlos» in Luzern verloren. Dort wollte die angehende Theaterpädagogin ihre Bachelorarbeit auf die Bühne bringen. Geplant hatte sie eine Recherchearbeit über den geschichtsträchtigen Club, zusammen mit Laien, die nie zuvor Theater gespielt hatten.
Ihr schwebte eine Art Tanzperformance vor. «Schwer zu sagen, was daraus geworden wäre», sagt die junge Studentin der Zürcher Hochschule der Künste. Anstatt im «uferlos» mit den Laien zu proben, verbrachte Lena Rohrer den Frühling in ihrem Haus in Emmenbrücke. Allein vor der Mattscheibe. «Es war schon hart», sagt sie und macht eine lange Pause. Es habe auch lange gedauert, bis sie wieder Ideen gehabt hätte.
Von der Bühne zu Whatsapp
Unterstützt von ihrer Studienmentorin entwickelte Lena Rohrer neue Ansätze: «Ich wollte die besondere Atmosphäre des ‹uferlos› einfangen, wenn frühmorgens die Lichter angehen und man sieht, mit wem man die Nacht verbracht hat.»
Zusammen mit den Laien, in häufigem E-Mail-Kontakt, erforschte die Theaterpädagogin den Begriff «uferlos». Den Prozess dieser Arbeit hielt sie in einem Logbuch fest. Das Ganze mündete in einer interaktiven Whatsapp-Lesung, von den Laien in vier Chats gleichzeitig durchgeführt.
«Man kann durchaus am Telefon Theater spielen», bilanziert die 26-Jährige. Theaterpädagogische Arbeit sei sowieso immer «work in progess», das Ergebnis immer offen. Die langen Wochen vor dem Laptop und am Handy haben Lena Rohrer gelehrt, in ihrer Rolle als Theatervermittlerin mutiger zu werden.
Das «Nichts» wurde Realität
Ähnlich positiv klingt es auch bei Julius Schröder, der an der Berner Hochschule der Künste dieses Jahr seinen Master in Schauspiel macht. Auch seine Pläne wurden im März von Corona rabiat durchkreuzt. Gewisse Unterrichtsfächer wurden weitergeführt, andere wanderten ins Internet, wie etwa das Modul «MANIFESTO».
Julius Schröder wollte sich in diesem Soloprojekt mit dem «Nichts» künstlerisch beschäftigen und musste auf einen Schlag alles neu denken. «Es war spannend, meine Ideen auf ein anderes Medium zu übertragen», sagt der 25-Jährige und grinst. Es scheint, als hätte er sich im Lockdown, mit Laptop und Kamera, ganz gut zurechtgefunden.
Julius Schröder hat einen achtminütigen Videoclip gedreht. Er zeigt den jungen Schauspieler in einem Hühnerkostüm durch die Räume seiner Basler Wohnung gehen. Er öffnet Schubladen und Schränke und findet immer wieder ein Ei. Mal liegt es im Backofen, mal in der Seifenschale. Dazu hört man den Schauspieler in ernstem Ton über das Nichts reflektieren, was bezüglich Corona erfrischend eigenwillig daherkommt.
Die Möglichkeiten, die sich dem Theaterspielen durch digitale Werkzeuge öffnen, sind für die Generation von Julius Schröder nicht neu. Die «digital natives» sind in virtuellen Realitäten zu Hause, gehen spielerisch leicht mit technischen Errungenschaften um.
Das Bangen um ein Engagement, die Frage nach der Zukunft des Theaters, die würden sich auch ohne Corona stellen, findet Julius Schröder: «Wir gehen mit der Situation um, wie sie ist – das ist letztlich immer so im Schauspielberuf.»