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Bühne Von der Zürcher Anstrengung, eine Grossstadt zu sein

Die Europaallee in Zürich soll die neue Prachtstrasse der Stadt werden. Für wen entstehen hier Luxuswohnungen und «elegante Bankfilialen»? Wie urban ist Zürich wirklich? Das Theater am Neumarkt erfreut sich an einem ironischen Blick auf diese Fragen.

Europaallee, so heisst die neue Zürcher Prachtstrasse mit eleganten Geschäften, die im Zentrum der Stadt mit dem Umbau des Hauptbahnhofs entsteht. Europaallee – so heisst auch die jüngste Produktion des Zürcher Theaters am Neumarkt.

Denn diese Europaallee verkauft auch ein Lebensgefühl. Eine Anstrengung, Grossstadt zu sein. Es ist eine Anstrengung – oder eben ein Lebensgefühl – vom Reissbrett: Das hat viel unfreiwillige Komik. Ein gefundenes Fressen für das Theater.

Meienberg als Schmankerl zum Schluss

Für wen entstehen hier Luxuswohnungen und die angekündigten «eleganten Bankfilialen»? Das Theater am Neumarkt will die Fragen in einen politischen Zusammenhang stellen. Eine Schauspielerin, zwei Schauspieler und zwei Musiker sind auf der Bühne. Ab Notenpulten lesen sie: hauptsächlich Originalzitate aus den Werbeunterlagen für die Europaallee, aus Zeitungsartikeln.

Zum Schluss gibt’s noch eine kleine Dreingabe mit Kinderversen von Niklaus Meienberg. «Finger ab de Röschti, wenn de Vater d Füess druf het», das ist direkte Schweizer Mentalitätsforschung und der anschaulichste Teil des Abends. Nur leider nicht mehr als ein Schmankerl zum Schluss – über die weitesten Strecken an dem 75-minütigen Abend verfremdet das Ensemble die Zitate lediglich sprachlich, rhythmisch, musikalisch, zu einer Text-Musik-Collage (angetrieben vom tiefen Streichersound von Martin Schütz und Bo Wiget).

SVP-Schafe auf der Bühne

Die Grundhaltung ist Ironie. Nach der Abstimmung zur so genannten Masseneinwanderungsinitiative hat der Name Europaallee ja einen Beigeschmack von Ironie bekommen; die teure Prachtstrasse wird zum Kristallisationspunkt von Grössenphantasien und Verlustängsten.

Es gab im Sommer 2009 sogar einen Vorstoss zweier SVP-Gemeinderäte, sie in «Wilhelm-Tell-Allee» umzubenennen (der allerdings klar abgelehnt wurde). Das hat unfreiwillige Komik, darüber kann man sich trefflich lustig machen auf der Bühne. Regisseur Christoph Frick findet auch gewitzte Bilder, wenn etwa die Schauspieler die notorischen SVP-Schafe nachstellen, die einen schwarzen Artgenossen wegkicken.

Der Abend bleibt beliebig

Das Problem ist: Der Theaterabend geht nicht darüber hinaus. Er wird nicht zum Augenschein, zur wirklichen Auseinandersetzung und bekommt deshalb übers Ganze eine beliebige Ausstrahlung. Er bleibt in einem vorhersehbaren, schlagwortartigen Rahmen – was für Implikationen diese Europaallee für Zürich tatsächlich hat, was sie anstellt mit dieser Stadt, scheint das Ensemble gar nicht interessiert zu haben.

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