1. Wie geflüchtete Menschen und ihre Geschichten das Theater verändern
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Nachdem letztes Jahr grössere Theaterhäuser aus Solidarität ihre Türen für geflüchtete Menschen öffneten, fand das Thema Flucht und Migration nun auch auf der Bühne viel Resonanz.
Wie kann sich das Theater zu den Fluchtgeschichten in ein Verhältnis setzen, ohne geflüchtete Menschen auszustellen oder in den Metadiskurs abzudriften? Dieser Herausforderung haben sich 2016 zahlreiche Schweizer Theatergruppen gestellt und bemerkenswerte neue Erzählweisen entwickelt.
Zumal da, wo nicht über Flüchtlinge und ihre Situation referiert wurde, sondern wo die Menschen selbst zu Wort und auf die Bühne kamen. Entstanden sind auf diese Weise neue Formate wie etwa eine Abendschule für gereistes Fachwissen oder ein interkontinentales Projekt zu Medea, deren Fremdsein von der Antike bis in die Gegenwart reicht. (Kaa Linder)
2. Die Aufregung um die Berliner Volksbühne – mehr als eine Personalie?
Soviel Überhitzung, Zorn und Beleidigungen sind selbst in Theaterkreisen selten. Dabei geht es eigentlich (nur) um eine Personalie: Frank Castorf soll 2017 nach 25 Jahren die Intendanz der Berliner Volksbühne abgeben. Seit aber bekannt geworden ist, dass der Museumkurator Chris Dercon sein Nachfolger sein wird, kocht die Sache hoch.
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Eine «Eventbude» werde dieser aus dem wichtigsten Haus in Berlin machen, wettern die einen, andere sehen zumindest noch die theoretische Chance auf einen Wandel.
Mittlerweile liegen vor allem Scherben am Boden und die Hoffnung, dass die Berliner Kulturpolitik dieses Prozess moderieren könnte, haben sich verschlagen, war sie doch aktiv an der Verwüstung beteiligt. (Dagmar Walser)
3. Der kulturpolitische Aufreger in Zürich: Wie das Theater Neumarkt wegen einer schlechten Provokation abgestraft wird.
Dicke Luft um ein dünnes Theaterprojekt: Philipp Ruch vom «Zentrum für Politische Schönheit» will mit viel digitalem Brimborium und Vaudou-Zauber die «Schweiz entköppeln». Die Sache selbst verliert sich in warmer Luft. Aber der Zürcher Regierungsrat bestraft das Theater am Neumarkt mit einer Subventions-Busse von 50 000 Franken.
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Wer zahlt, befiehlt. Von Geschmacksfragen abgesehen, manifestiert sich in der politischen (wohlverstanden: nicht strafrechtlichen) Strafaktion ein gewissermassen vordemokratisches, feudales Demokratieverständnis. Wes' Brot ich ess, des' Lied ich sing: Das kann nicht der gesellschaftliche Auftrag der Kunst sein. (Andreas Klaeui)
4. Klassiker, neu geschrieben – mehr als reine Aktualisierung
Was heisst Werktreue? Wenn der Regisseur Simon Stone Ibsen oder Tschechow inszeniert, bleibt kein Wort auf dem andern und dennoch das Original im Ganzen bestehen. Wenn der Dramatiker Ewald Palmetshofer Marlowe überschreibt, wird die alte Dichtung heutig und verliert dennoch nichts an Substanz.
Jede neue Auseinandersetzung mit einem Stoff ist eine Weiterschreibung, bewusst oder unbewusst. Die Überschreibung funktioniert wie ein Palimpsest: Der alte Text wird abgerieben und neu verfasst. Friedrich Dürrenmatt mit seinen Bearbeitungen propagierte das Modell als «Basler Dramaturgie». Gegenwärtig erfährt es im Theater eine beglückende Renaissance. (Andreas Klaeui)
5. Jeder ein Richter: Bei Ferdinand von Schirach entscheidet das Publikum
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Mehr als 40 Theater haben das Theaterstück «Terror» von Ferdinand von Schirach seit seiner Uraufführung im Oktober 2015 aufgeführt. Mehr als 90 Prozent der Vorstellungen gingen mit einem Freispruch aus: Lars Koch steht vor Gericht, weil er – ohne ausdrücklichen Befehl – einen von Terroristen gekidnappten Flieger mit 164 Menschen an Bord, abgeschossen hat - um eine grössere Katastrophe zu verhindern.
Hat er zivil couragiert oder kriminell gehandelt? – Spätestens seit dem TV-Event diesen Herbst, bei dem das Publikum online abstimmen konnte, ist klar, dass Interaktivität zwar einer der Zauberbegriffe der zeitgenössischen Performance ist, aber auch leicht populistische Tendenzen dadurch stärkt. (Dagmar Walser)