Mit der Vergabe der Preise sind in Solothurn die 58. Filmtage zu Ende gegangen. Den Hauptpreis Prix de Soleure gewann der Film «Until Branches Bend» von Sophie Jarvis.
Darin arbeitet Robin (Grace Glowicki) im kanadischen Montague im Sortierwerk der lokalen Pfirsichfarm-Kooperative. Mit dem Fund eines potenziell gefährlichen Käfers wird sie zur unerwünschten Whistleblowerin. Denn: Die Farmer-Gemeinde hat panische Angst vor einer Plantagen-Quarantäne. Robin erlebt die zeitgenössische Version einer Hexenjagd.
Gedreht hat diesen Film die schweizerisch-kanadische Autorin und Regisseurin Sophie Jarvis. Und auch wenn alles etwas grösser ist – die Ortschaft, die Sortierfabrik, die Käfer-Gefahr: Diese Geschichte lässt sich ganz einfach auf Schweizer Verhältnisse verkleinern.
Sophie Jarvis zeigt eine junge Frau, die sich weigert, wegzuschauen und dafür gehasst wird. Dafür hat ihr die Solothurner Jury den mit 60'000 Franken dotierten «Prix de Soleure» zugesprochen.
Ein hypnotisches Erstlingswerk
In Carmen Jaquiers « Foudre » erfährt die angehende Nonne Elisabeth, dass ihre Schwester von der bigotten Gemeinschaft im isolierten Bergtal in den Tod getrieben wurde, weil sie die Freiheit ihrer Sexualität entdeckt hat. Dass Glaube und Begehren sich nicht ausschliessen, ist eine Entdeckung für die junge Frau. Aber eine, die sie schliesslich in die Welt hinaustreibt.
Für diesen manchmal fast hypnotisch starken Spielfilm hat Carmen Jaquier die alten Schweizer Bergbilder in eine neue Bilderwelt transferiert und damit in Solothurn den mit 20'000 Franken dotierten Preis «Opera Prima» für den besten Erstling gewonnen.
Dass beide jetzt in Solothurn ausgezeichneten Filme bereits anderswo Anerkennung erfahren haben – am TIFF, dem internationalen Filmfestival im kanadischen Toronto – ist einerseits Zufall, andererseits aber auch typisch für die neuen Filme der jüngeren Generation: Nabelschau ist kein Ding mehr. Und wenn doch, dann grenzüberschreitend.
Ein packendes Porträt
Damit lebt offensichtlich auch das Publikum der Solothurner Filmtage wunderbar. Jedenfalls hat es den Publikumspreis Dani Heussers Dokumentarfilm «Amine – Held auf Bewährung» zugesprochen.
Er erzählt die Geschichte des «bekanntesten Asylbewerbers der Schweiz», Amine Diare Condo, der die eigene Angst vor Abschiebung mit Hilfe für andere Menschen bekämpft.
Zwischen Aufbruch und Altbewährtem
Die 58. Solothurner Filmtage waren geprägt von der thematischen und stilistischen Öffnung des jungen Filmschaffens. Und von einer Art Rückkehr zur bewährten Vor-Pandemie-Form. Alles lokal, kein Streaming, mehrheitlich ausverkaufte und volle Kinosäle – und sogar ein neues Gesprächsformat.
Der neue künstlerische Leiter Niccolò Castelli hat mit «Fare Cinema» eine allmorgendliche Runde eingeführt, in der das Publikum und bis zu vier Filmemachende über spezifische, praktische Aspekte des Filmemachens reden: über Intimität, Diaspora oder auch das serielle Arbeiten fürs Fernsehen.
Noch entspricht das Durchschnittsalter des Solothurner Publikums dem Alter des Anlasses. Da aber die jüngeren Generationen mit ihren Filmen auch ihr eigenes Publikum mitbringen, haben die diesjährigen Filmtage durchaus eine Ahnung von Zukunft geweckt.