Im südfranzösischen Film-Mekka Cannes wetteifern die Nationen nicht nur um die Goldene Palme. Mindestens genauso wichtig ist der Kampf um Aufmerksamkeit für künftige Produktionen.
Besonders viel Mühe gibt sich dabei ein Land, das mit Kino vor Kurzem noch nichts am Hut hatte: Saudi-Arabien.
Im Geheimen gedreht
Filme aus dem wahhabitischen Königreich: Das war lange undenkbar. Kinos gab es keine. Wer als Saudi in den letzten 35 Jahren öffentlich einen Film auf der grossen Leinwand sehen wollte, musste dafür nach Dubai fliegen.
Und in Saudi-Arabien produzierte Spielfilme gibt es bis heute erst einen: «Das Mädchen Wadjda», ein im Geheimen gedrehtes Drama von Haifaa al-Mansour.
Land im Wandel
Dank Kronprinz Mohammad bin Salman, der im letzten Jahr damit begonnen hat, sein Land zu modernisieren, soll rasch alles besser werden: fürs Kino, für die Frauen und für die Wirtschaft.
An mangelndem Selbstbewusstsein wird das Vorhaben nicht scheitern. Das grösste und mächtigste Land Vorderasiens will nichts weniger als den globalen Filmmarkt erobern. Das machte der saudische Kulturbeauftragte Ahmad bin Fahd Almaziad auf der Pressekonferenz in Cannes deutlich:
«Einige nennen uns die Väter der Zivilisation. Andere den schlafenden Giganten der Industrie, da wir erst vor einem Monat unser erstes Kino eröffnet haben. Doch egal, wie wir genannt werden: Wichtig ist, dass wir nun da sind – und offen für Geschäfte.»
Frauen werden gefördert
Um westliche Investoren anzulocken, präsentiert sich Saudi-Arabien ungewohnt fortschrittlich – auch in Geschlechterfragen. Der Frauenanteil in der nationalen Kulturbehörde beträgt erstaunliche 54 Prozent.
Regisseurin Haifaa al-Mansour, die 2012 mit dem ersten saudi-arabischen Spielfilm überhaupt Filmgeschichte schrieb, ist als Beraterin ebenfalls mit an Bord. Und auch unter den in Cannes promoteten, frischen Regie-Talenten befinden sich viele Frauen.
Eines der neuen, weiblichen Aushängeschilder ist Regisseurin Maram Taibah. Den unpolitischen Kurzfilm «Don’t Go Too Far» hat sie während des Studiums in New York gedreht. Ihr Spielfilmdebüt will sie in Saudi-Arabien realisieren, obwohl unklar ist, wie viel Freiheit ihr die Zensurbehörde geben wird.
Unklare Aussichten
Im Interview blickt die junge Frau, die in Cannes unverhüllt auftritt, ihrer Zukunft als staatlich geförderte Filmemacherin optimistisch entgegen: «Einschränkungen kann man umgehen. Zumal wir unsere Religion heute auf andere Art bewerten und verstehen als früher.»
Hoffen ist erlaubt. Schliesslich zeigt sich Saudi-Arabien dieser Tage in Cannes als Nation, die zu neuen Ufern aufbrechen möchte. Mit Frauen als Galionsfiguren sticht das Land in die Film-Weltmeere. Doch ist der Öl-Riese wirklich schon bereit für die westliche Kino-Welt?
Zweifel sind angebracht. Zumal das Königreich seine Zensurbestimmungen erst in ein paar Wochen kommunizieren will.