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Eine Superheldin als Vorbild – und als Kassenmagnet
Aus Tagesschau vom 08.03.2019.
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Abstossender Comic Captain Marvel wird vergewaltigt – und kaum einen stört es

Mit «Captain Marvel» kommt eine Superheldinnen-Geschichte über Frauenpower und Gleichberechtigung auf die Leinwand. Wie weit der Weg dahin war, zeigt eine alte Geschichte der Comic-Heldin.

Captain Marvel ist die erste Titelheldin der Marvel Studios. In den 20 bisherigen Comic-Verfilmungen hatten immer Männer die Hauptrolle.

Superhelden – lange ein Produkt von Männern für Männer. Wie sexistisch Comics waren, zeigt das Beispiel der 200. Ausgabe der «The Avengers»-Comic-Reihe aus dem Jahr 1980.

Filmkritik «Captain Marvel»

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Zwei verfeindete Alien-Völker kämpfen um das Universum: die Skrull und die Kree. Zu den Kree gehört die junge Frau Vers (Brie Larson). Sie hat keine Erinnerungen an ihre Vergangenheit. Doch sehr starke Superkräfte.

Als sie versehentlich auf der Erde landet, muss sie nicht nur ihre Feinde bekämpfen, die ihr dicht auf den Fersen sind. Sie beginnt auch ihre eigene Herkunft zu erforschen.

In diesem Film hat zum ersten Mal in der Geschichte von Marvel Studios eine Frau die Hauptrolle. Und es führte auch zum ersten Mal eine Frau Co-Regie. Anna Boden und Ryan Fleck («It’s Kind of a Funny Story») liefern ein Action-Spektakel, das zwar etwas lahm beginnt. Dann aber umso mehr an Fahrt aufnimmt.

Captain Marvel ist kein sexy Püppchen in knappem Outfit. Sondern eine starke Kämpferin. Die Story ist überraschend und witzig. Vor allem dank einem herzigen Büsi, das allen die Show stiehlt.

Auch Nick Fury, Samuel L. Jacksons Figur aus mehreren Marvel-Filmen, spielt eine wichtige Rolle. Eine Origin-Story also nicht nur für Captain Marvel. Sondern für das gesamte Marvel Cinematic Universe.

Captain Marvel liegt im Kreissaal. Während ihre Helden-Kollegen vor der Tür warten, bringt sie einen Jungen zur Welt.

Alle freuen sich. Ausser der frischgebackenen Mutter. Denn sie weiss nicht, wer der Vater dieses Kindes sein soll.

Sohn und Vater ist die gleiche Person

Der Junge wächst beängstigend schnell. Und ist nach kurzer Zeit bereits ein erwachsener Mann.

Der stellt sich als Marcus Immortus vor und erklärt, er sei sein eigener Vater. Er war in einer Zwischenwelt, dem Limbo, gefangen, wollte sich aber gerne mal auf der Erde umsehen. Also entführte er Captain Marvel, hypnotisierte sie und pflanzte sich ihr ein.

Ein Comicsteifen: Nahaufnahme einer Frau in Ekstase.
Legende: Marvel/«The Avengers #200»

Er sei so einsam in seiner Zwischenwelt, sagt er mit Tränen in den Augen. Jetzt müsse er aber halt doch wieder dorthin zurück.

Was jetzt passiert, macht die Geschichte noch widerwärtiger: Captain Marvel sagt, sie wolle mit ihrem Vergewaltiger mitgehen.

Sie habe noch immer die gleichen Gefühle für ihn wie im Limbo. Wir erinnern uns: Marcus hat sie dort hypnotisiert und damit gefügig gemacht.

Vom Vergewaltiger zum Sohn zum Lover

Also fliegen die beiden – in kurzer Zeit von Frau/Vergewaltiger zu Mutter/Sohn zu Liebespaar mutiert – gemeinsam davon. Die anderen Superhelden wünschen den Zweien alles Gute.

Filmszene: Frau in Superheldenkostüm
Legende: Auf der Leinwand ist Captain Marvel 2019 eine Frau mit Power. Die Figur hat einen weiten Weg hinter sich. Marvel Studios

Vor 39 Jahren wurde diese absurde, frauenfeindliche Geschichte geschrieben. Damals lasen vor allem Kinder die Comic-Hefte.

Wie haben es hier mit dem sogenannten Vergewaltigungsmythos zu tun. Sexuelle Gewalt wird verharmlost, das Verhalten der Männer mit einer natürlichen Triebhaftigkeit entschuldigt. Und unterschwellig gesagt, dass Frauen vergewaltigt werden wollen.

Übrigens: Im Heft «The Avengers #200» sind vier Männer als Plot-Schreiber aufgelistet. Im Nachhinein sollen alle abgestritten haben, für die Vergewaltigungs-Story verantwortlich zu sein.

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Trailer «Captain Marvel»
Aus Kultur Extras vom 05.03.2019.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 58 Sekunden.

Die Erste, die den Comic öffentlich verurteilte, war Kunstkritikerin Carol A. Strickland. Die Reaktionen auf ihren Artikel beschreibt sie auf ihrer Website: «Viele schrieben mir, ich müsse mal wieder flachgelegt werden, um klar denken zu können.»

Anscheinend war die Geschichte den Marvel-Verlegern dann aber doch unangenehm. Ein Jahr später tauchte Captain Marvel wieder auf. Sie liess die versammelten Superhelden wissen, wie enttäuscht sie von ihnen sei.

Dass einer der grössten Comic-Verlage der USA solch eine Geschichte druckte, scheint unglaublich.

Frauen erobern die Comics

Zum Glück sieht es heute etwas anders aus. Immer mehr Frauen interessieren sich für Comics. Und auch immer mehr Frauen schreiben und zeichnen sie.

Das hat inhaltliche Folgen: Es gibt lesbische und muslimische Heldinnen. Der Donnergott Thor war zwischendurch eine Frau. In der Rüstung von Iron Man steckt mittlerweile auch eine.

Die Superheldenwelt wird weiblich. Das wird hoffentlich dafür sorgen, dass solche Geschichten nicht mehr erscheinen.

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