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Filmfestival Locarno Maja Hoffmann: Das ist der Plan der Roche-Erbin für Locarno

Die Milliardärin Maja Hoffmann hat unlängst die Leitung eines Filmfestivals übernommen, das sie kaum kennt. Dieses Jahr wird sie sich ein erstes Bild von Locarno machen. Zeit, sich auch ein Bild von ihr zu machen – und ihrem Plan.

Maja Hoffmann fühlt sich deutlich unwohl vor der Kamera. Deutsch zu sprechen, falle ihr schwer. Sie kommuniziere lieber auf Französisch oder Englisch. Dennoch setzt sich die neue Präsidentin des Internationalen Filmfestivals Locarno für ein kurzes deutschsprachiges Gespräch für die SRF-«Tagesschau» in den bereitgestellten Sessel. «Was mich am meisten angetrieben hat, dieses Amt anzunehmen, ist der Dialog mit den Filmemachern und Künstlerinnen darüber, was Kultur heute ist», erklärt Hoffmann.

Einflussreiche Kunstmäzenin

Tatsächlich steht sie ungern selbst im Rampenlicht, überlässt lieber den Kulturschaffenden die Bühne. Bei der Pressekonferenz zum Festival, die im Zürcher Westbau stattfindet, stellt sie sich zwar vors Publikum und spricht einige Worte, überlässt die Show dann aber schnell dem künstlerischen Direktor Gionna A. Nazzaro.

Hoffmann gilt als äusserst einflussreiche Kunstmäzenin. Sie sitzt in verschiedenen Vorständen, unter anderem im Stiftungsrat der Emanuel Hoffmann-Stiftung, zusammen mit ihrer Cousine Maja Oeri. Die Stiftung betreibt das Basler Schaulager und sieht ihren Zweck darin, «die Kunst der Gegenwart zu unterstützen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen».

Hoffmann sammelt auch selbst leidenschaftlich Kunst: Sie vermittelt, baut Brücken, interessiert sich für die Umwelt, wie einst ihr Vater, der WWF-Mitgründer Lukas «Luc» Hoffmann.

Gastlich gestalten: Arles als Vorzeigeprojekt

Maja Hoffmann verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Arles. Die Roche-Erbin und Pharma-Aktionärin, deren Vermögen von Bloomberg auf knapp sieben Milliarden US-Dollar geschätzt wird und die damit auf Platz 421 der Liste der reichsten Menschen der Welt rangiert (Stand 7.8.2024), fühlt sich der südfranzösischen Stadt bis heute verpflichtet.

So investierte sie nicht nur in Hotellerie und Gastronomie, um den Ort ihrer Kindheit gastlich zu gestalten, sondern auch in Kunst und Kultur. 2014 legte Hoffmann den Grundstein für den Kulturkomplex LUMA Arles.  

Moderne architektonische Struktur mit verspiegelten Oberflächen bei Sonnenschein.
Legende: Schimmernder Hingucker: Der gewundene Turm des kanadisch-amerikanischen Architekten Frank Gehry bietet dem Ausstellungskomplex und Sitz der «LUMA» Foundation in Arles ein strahlendes Zuhause. KEYSTONE/Christian Beutler

Im ehemaligen Industriegelände des Parc des Ateliers entstand ein Ort für Ausstellungen, Kunst, Forschung und Bildung, aus dessen Mitte der 2021 fertiggestellte Turm – «La Tour» – des Stararchitekten Frank Gehry ragt. Ihr Engagement für Arles möchte Hoffmann als Geschenk an die Stadt verstanden wissen.  

Kritische Stimmen, die Gentrifizierung anprangern, Hoffmann als «Königin von Arles» bezeichnen oder die touristische Belagerung inklusive steigender Preise fürchten, perlen an ihr ab.  

Sie bringt das «nötige Kleingeld»

Nun möchte Maja Hoffmann auch der Schweiz etwas «zurückgeben», wie sie es gegenüber der «NZZ» formulierte , und übernahm zu diesem Zweck das Präsidium des Internationalen Filmfestivals Locarno. Das Festival könnte tatsächlich brauchen, wovon Maja Hoffmann sehr viel hat – nämlich Geld. In finanzieller Hinsicht müsse man unbedingt weiterwachsen, bemerkt Geschäftsführer Raphaël Brunschwig auf der Pressekonferenz.

Frau sitzt vor Leoparden-Hintergrund auf gelbem Stuhl.
Legende: Voller Vorfreude: Maja Hoffmann in ihrem neuen Amt als Präsidentin des Internationalen Filmfestivals Locarno bei der Medienkonferenz in Zürich. KEYSTONE/Ennio Leanza

Ihr Geld direkt ins Festival buttern will die Präsidentin nicht und es werde von Festivalseite auch nicht von ihr erwartet, was, wie Hoffmann im Gespräch betont, ein weiterer Grund für sie war, das Mandat zu übernehmen: «Es ist eben nicht: Maja, Du machst das, weil Du das Geld hast.»

Ihre 2004 gegründete Luma-Stiftung, benannt nach den Anfangsbuchstaben der Vornamen ihrer inzwischen erwachsenen Kinder Lucas und Marina, könnte hingegen aushelfen. Das bestätigt auch Hoffmann: «Die Luma-Stiftung kann Programme von Locarno unterstützen.» Aber das sei, laut Hoffmann, bisher nicht der Fall.

«Türöffnerin» mit frischem Wind

Geschäftsführer Brunschwig ergänzt: «Bisher konzentrierte sich unser Sponsoring und unsere private Finanzierung auf Schweizer Partner. Dank Hoffmann öffnen sich internationale Türen.» So könne das Festival bereits in diesem Jahr eine Kooperation mit der Stiftung Bloomberg vorweisen. «Maja Hoffmann ist eine exzellente Garantin für die Werte des Festivals», sagt Brunschwig, gleichzeitig bringe die neue Präsidentin frischen Wind in die Festivalorganisation.

Das Gerede über Geld, vor allem von der Journaille, gefalle ihr überhaupt nicht, äusserte sie sich unlängst gegenüber dem «Blick» . Lieber wolle sie sich über tiefsinnige Themen unterhalten. Wie sie sich abseits vom Mammon konkret als Präsidentin einbringen will, bleibt jedoch offen.

Vorderhand kaperte Hoffmann das Konzept der Plakatgestaltung. Ihre Idee: Jedes Jahr wird das Festivalplakat von einem namhaften Künstler gestaltet.

Ich rede über Kunst, weil ich das am liebsten und am besten tue.
Autor: Maja Hoffmann Präsidentin Locarno Film Festival

Einzige Bedingung: Es muss ein Leopard zu sehen sein und die Farbe Gelb eingesetzt werden. Für die diesjährige 77. Ausgabe bat sie ihre Freundin Annie Leibovitz um den Gefallen. Die Fotografin reflektierte, laut Hoffmann, über das Festival, bevor sie ein viel diskutiertes Plakat gestaltete: Auf der Fotomontage posiert ein Leopard am See, über ihm ein mit Wolken verhangener Himmel.

Letzterer spiegle das Weltgeschehen wider, interpretiert Hoffmann das Poster, denn der globale Krisenmodus sei alles andere als sonnig.

Das Zeug zur Filmfestival-Präsidentin hat sie

Sie werde sich auch in Zukunft künstlerisch einbringen, fügt Hoffmann hinzu: «Ich kann mich nicht unkünstlerisch einbringen. Ich rede über Kunst, weil ich das am liebsten und am besten tue.»

Auch wenn das Vorhaben unkonkret bleibt, unterscheidet sie sich damit klar von ihrem Vorgänger Marco Solari, der sich explizit nicht in künstlerische Belange einmischen wollte und inhaltliche Fragen lieber der künstlerischen Direktion überliess. Auch im Umgang mit den Medien schlägt Hoffmann einen anderen Ton an.

Während Solari die Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit stets nutzte, um für sein Festival zu werben, scheut Hoffmann den Auftritt vor Kameras und Mikrofonen, räumt zum Teil nur kurze Interview-Slots ein, in denen der von ihr im «Blick» geforderte Tiefgang kaum möglich ist.

Es fehlt noch der Einblick

Bleibt zu hoffen, dass sich Maja Hoffmann ein klares Bild von dem ihr bisher weitgehend unbekannten Filmfestival machen kann, um das Spektrum ihres Wirkens abzustecken. «Ich bin seit 27 Jahren nicht mehr während der Festivalzeit in Locarno gewesen», gesteht die 68-Jährige. «Es ist natürlich wichtig, dass ich es sehe und schaue und beobachte, um zu wissen, wo kann man wirklich etwas bewirken, für die Filmemacher und für das Publikum.»

Das Zeug dazu hat Maja Hoffmann – schliesslich hat sie Film studiert und selbst schon einige Dokumentarfilme produziert , unter anderem mit dem Vater ihrer Kinder, ihrem Lebensgefährten Stanley F. Buchthal.

Das nötige Kleingeld und die internationalen Beziehungen, um dem Festival zu helfen, hat Maja Hoffmann. In Locarno steckt man seit jeher in der Klemme zwischen Cannes und Venedig, findet zu wenig starke Filme auf dem Markt, um der Konkurrenz die Stirn zu bieten.

Geld könnte hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Vielleicht tut es aber auch die terminliche Verschiebung, die Hoffmann gegenüber dem «Blick» ins Spiel bringt. Ein Filmfestival im November mit Daunenjacken auf der Piazza Grande? Vielleicht inspirierender als der regenreiche August. Oder ein Frank Gehry Bau auf der Piazza Grande?

Stadtplatz mit ungewöhnlichem Gebäude und Leoparden, umgeben von Bergen.
Legende: Was wäre, wenn Maja Hoffmann ihren guten Draht zu Stararchitekt Frank Gehry nutzen und das Filmfestival in den November verlegen würde? Die KI hat die fiktive Piazza Grande mal anskizziert. KI-Bild: MS Image Creator/SRF

Die Ideen, welche die Künstliche Intelligenz locker entwirft, nimmt der Stadtpräsident Nicola Pini lächelnd zur Kenntnis und kommentiert: «Wir sind der Meinung, dass gute Ideen immer geprüft werden sollten. Ich würde aber sagen, dass man so etwas vorher mit dem Kanton besprechen sollte. Die Piazza Grande ist ein Kulturgut von kantonalem Interesse ist und deshalb wird sie vom Kanton geschützt.»

So oder so – auch die Stadt Locarno könnte von der neuen Präsidentin profitieren. In Arles hat Hoffmann unlängst eine Bio-Bäckerei ins Leben gerufen. Das wäre doch etwas für das Tessiner Städtchen, wo man gutes Brot bisher vergeblich sucht.

Veranstaltungshinweis

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Das Filmfestival Locarno findet vom 7. bis 18. August 2024 statt.

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Radio SRF2 Kultur, Kultur-Aktualität, 7.8.2024, 17:10 Uhr

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