In einem Berliner Hinterhof-Atelier stellen Simon Weisse und sein Team die Wunderwelten der Filmindustrie in Miniaturform her. Sei es eine fiktive französische Stadt im 20. Jahrhundert für «The French Dispatch» oder ein Eisenbahnzug mit Raketen im Stil der 50er-Jahre für «Asteroid City».
Doch warum lässt man heute noch analog 3D-Modelle bauen, wenn inzwischen fast alles digital erzeugt werden kann? «Es gibt eine Renaissance von Miniaturbauten für visuelle Effekte», sagt Simon Weisse: «Leute, die mit computergenerierten Effekten arbeiten, sagen, dass es oft zu perfekt aussieht. Wir bringen mit unseren Miniaturen einen gewissen Stil rein.»
Renaissance der Miniatur-Modelle
Letztlich sei es Geschmackssache der Regie. In den neuen Star Wars-Produktionen oder im Film «Dune» werde neuerdings wieder viel Modellbau benutzt. «Es kreiert eine gewisse Stimmung, die in Verbindung mit digitalen Effekten gut zusammenarbeitet», so Weisse.
Bis Anfang der 90er-Jahre war der Einsatz von Modellen in Filmproduktionen gang und gäbe, da die Technologie der computergenerierten 3D-Grafiken (CGI) noch nicht ausgereift und erschwinglich genug war.
Heute sei eine Kombination aus analogen und digitalen Effekte-Methoden bei Filmproduktionen oft wünschenswert. Doch Handgemachtes hat seinen Preis. «Wir kosten halt viel Geld», sagt Simon Weisse: «Unsere Arbeiten dauern mehrere Wochen oder Monate. Oft erhalte ich Anfragen und muss die Leute erstmal über die Kostenfaktoren von Modellen und deren Logistik aufklären. Meistens endet es dann voll im digitalen, weil es billiger ist.»
Karriere durch «Learning by Doing»
Wer es sich leisten kann, heuert Simon Weisse und sein Team an. Längst arbeitet der Berliner nicht nur für Wes Anderson, sondern auch für Regie-Grössen wie Steven Spielberg («Bridge of Spies»), ausserdem entwarf er die Miniaturbauten für «Die Tribute von Panem».
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Bild 1 von 7. Eine Wunderwelt in Miniatur: die Wüstenlandschaft des Films «Asteroid City» (2023). Bildquelle: Atelier Simon Weisse.
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Bild 2 von 7. Erschaffen wurde sie von Simon Weisse... Bildquelle: Atelier Simon Weisse.
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Bild 3 von 7. ... und seinem Team. Bildquelle: Atelier Simon Weisse.
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Bild 4 von 7. Die analogen Modelle werden später am Computer mit modernster 3D-Grafiken ergänzt. Bildquelle: Atelier Simon Weisse.
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Bild 5 von 7. So entstehen zum Teil ganze Strassenzüge, wie hier in Wes Andersons Film «Henry Sugar». Bildquelle: Atelier Simon Weisse.
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Bild 6 von 7. Angefertigt werden die Modelle zuächst in Simon Weisses Berliner Hinterhof-Atelier. Bildquelle: Atelier Simon Weisse.
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Bild 7 von 7. Bereits 36 Jahre ist der Modellbauer Simon Weisse im Geschäft. Bildquelle: Atelier Simon Weisse.
Durch seinen Vater, der Standfotograf beim Film war, ist Simon Weisse über Praktika an Filmsets ebenfalls in die Branche gerutscht. 1988 flimmerte sein erstes Modell über die Leinwand in «Die Abenteuer des Baron Münchhausen» von Terry Gilliam. Eine Ausbildung hat Weisse nicht. Durch «Learning by Doing» sei er über die Jahre zu einem der gefragtesten Modellbauer weltweit geworden.
Handwerk droht auszusterben
Konkurrenz habe er wenig, da Miniaturbauten im Film immer noch ein Nischenprodukt seien und es nicht viele Fachpersonen dafür gäbe, so Weisse: «Im Moment läuft es gut für uns, aber Nachwuchs zu finden, ist schwer. Meine Tochter arbeitet mit mir zusammen und übernimmt vielleicht später ein paar Aufträge.»
Weisse bemüht sich darum, dass die alte Handwerkskunst nicht verloren geht, indem er an Festivals darüber spricht. So zum Beispiel am diesjährigen Neuchâtel International Fantastic Filmfestival. Zudem gibt er Masterklassen an Filmschulen.
«Die Studierenden sind oft erstaunt, was man alles mit analogen Techniken machen kann. Viele denken, dass es nur noch digital geht», sagt Weisse, der seit 36 Jahren die Filmwelt mit seinen Modellen und Requisiten ausstattet.
Gerade hat er die sechste Zusammenarbeit mit Wes Anderson abgeschlossen, für «The Phoenician Scheme». Die Filme des Kultregisseurs werden insbesondere für ihre verspielte Bühnenbild-Ästhetik und ausgefallenen Szenenbilder gefeiert – zu denen Simon Weisse einen wichtigen Teil beiträgt.