Die Filmindustrie in Saudi-Arabien hat sich seit den Dreharbeiten ihres letzten Filmes grundlegend verändert: 2012 musste Haifaa Al Mansour für «Wadjda» noch über ein Walkie-Talkie aus einem Kleinbus heraus Regieanweisungen geben.
Für ihren neuen Film «The Perfect Candidate» konnte die Regisseurin unverschleiert direkt vor Ort mit der Crew zusammenarbeiten.
Mehr Respekt für Künstler
Unter der streng wahabitischen Ideologie in Saudi-Arabien wurden Frauen, aber auch Kunst und Kultur lange aus dem öffentlichen Raum verbannt.
Mit der Vergabe von Auszeichnungen versucht man in Saudi-Arabien etwa der Schauspielkunst mehr Respekt entgegenzubringen. Die sozialen Stigmata aber seien noch immer da. «Schauspielerin ist kein Beruf, den man sich für seine Tochter wünscht», sagt Regisseurin Haifaa Al-Mansour.
Gleichzeitig ist in Saudi-Arabien in den nächsten zehn Jahren der Bau von 350 Kinos geplant. In Kürze soll eine ganze Filmindustrie entstehen. Und mitten drin Haifaa Al Mansour als internationales Aushängeschild des saudischen Kinos.
Ihr neuer Film «The Perfect Candidate» wird vom saudischen Regime mitfinanziert. Ist das Werk also regimetreue Propaganda? Oder doch ein gesellschaftskritischer Film, wie man es sich von der Regisseurin gewohnt ist?
Ihr Film sei eine Komödie, sagt Al Mansour, die zeige, wie eine junge Frau versuche, ihre Stimme zu finden. Es müsse sich noch vieles ändern in der Art, wie die Frauen in Saudi-Arabien selbst die Welt sehen.
Unterhaltung statt Aktivismus
Auf den Schweizer Dokumentarfilm «Saudi Runaway» (2020) von Susanne Regina Meures angesprochen, reagiert Al Mansour unwirsch. Der Film zeigt die dramatische Flucht einer saudischen Frau und nie dagewesene Bilder aus dem Innenleben des repressiven Patriarchats.
Sie wolle nicht über Filme und Haltungen anderer sprechen, so Al Mansour. «Ich habe meine eigenen Ausdrucksmittel.»
Kunst ist für mich nicht Aktivismus. Ich möchte Menschen nicht aus ihrer Komfortzone drängen.
Hat denn Kunst, hat ihr Film, keine politische Relevanz? Doch, sagt die Regisseurin. Aber Kunst sei für sie nicht Aktivismus. «Meine Kunst ist unterhaltsam, berührt die Seele und schafft im besten Fall eine Atmosphäre, in der Menschen etwas lernen und sich öffnen.»
Sie wolle die Menschen nicht aus deren Komfortzonen drängen. In einem gereizten Klima klammere man sich sonst um so mehr an seine Werte und verhindere Wandel.
Ein anderes Männerbild zeigen
Eine Atmosphäre der Offenheit schafft Al Mansour unter anderem mit Szenen in ihrem Film, die ein anderes Männerbild zeigen: Die Männer verkörpern darin nicht das Böse schlechthin.
Der Vater im Film ist seinen Kindern gegenüber etwa gütig und unterstützend. Er hat als Berufsmusiker eigene Träume. Es sei wichtig, diese Art der Männlichkeit im Nahen Osten zu würdigen und in Filmen oder auch in der Popkultur prominent darzustellen.
«Im Nahen Osten erschöpft sich die Rolle des Vaters im Fernsehen oft darin, die Töchter zu schlagen und zu unterdrücken», sagt Haifaa Al Mansour.
Die ständige Darstellung dieser Gewalt habe eine Vorstellung von Männlichkeit produziert, der viele nacheifern. Diesem Bild wolle sie entgegenwirken.
Kinostart: 8.6.2020