Elliot Page kennt man eigentlich schon aus Filmen wie «Inception» oder «Juno». Damals trug er allerdings noch einen anderen Namen. Denn Elliot outete sich 2020 als transgender und kehrte für ein paar Jahre der Schauspielerei den Rücken zu.
Mit «Close to You» ist er nun mit einem Film zurück, in dem er nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern den er auch mitgeschrieben und mitproduziert hat. Die Geschichte ist deutlich von seinen eigenen Erfahrungen geprägt.
Der Protagonist Sam ist wie Elliot Page ein Transmann. Zum ersten Mal seit seiner Transition muss er zurück in seinen Heimatort, ein verschlafenes Kaff in Kanada. Sein Vater hat Geburtstag. «Das ist mutig von dir!», sagt ihm die Mitbewohnerin noch am selben Morgen. Seine Präsenz könne provokativ auf seine Familienangehörigen wirken, meint sie.
Akzeptierende Eltern, unsensible Kommentare
Doch heftigen Reaktionen auf Sams neue Geschlechtsidentität bleiben aus. Die Eltern freuen sich, ihn endlich wiederzusehen, akzeptieren offensichtlich sein neues Leben als Mann.
In einem der berührendsten Momente des Films sagt Sams Vater den Tränen nahe, wie froh er sei, zu wissen, dass Sam jetzt glücklich ist. Wie schrecklich es war, ihn als unglücklichen Teenager zu sehen.
Es ist schliesslich der Verlobte von Sams Schwester, der Sam mit der Frage provoziert, ob er ihn auch Schwager nennen dürfte. Er hat sichtlich Mühe, Sams neue Identität zu akzeptieren. Er wirft ihm vor, dass sich alle ihm beugen müssten und weigert sich, seinen alten Spitznamen nicht mehr zu sagen. Die Situation eskaliert und Sam verlässt die Feier.
Zu zaghaft, zu vorhersehbar
Das wirkt konstruiert. Regisseur Dominic Savage ist so sehr darauf bedacht, nicht in Klischees zu fallen, dass der Film leider genau deswegen vorhersehbar wird.
Doch das ist nicht das einzige Problem. In «Close to You» wird nichts überdramatisiert, der Erzählton ist immer zurückhaltend. So zurückhaltend, dass man sich schliesslich doch mehr Spannung wünscht. Trotz einiger starker Momente wirkt der Film zaghaft, schüchtern, zu vorsichtig.
Wie eine Doku
Was in diesem leisen Drama überzeugt, ist das Schauspiel. Die Dialoge wirken echt und immer natürlich. Das liegt wohl auch daran, dass vieles vom Text beim Dreh improvisiert wurde.
Ein weiterer Grund, warum der Film beinahe dokumentarisch wirkt, ist die Kameraarbeit. Das Publikum ist passend zum Titel «Close to You» immer nahe an den Figuren dran. Die Kamera ist von Hand gehalten.
Das passt zur Geschichte, in der oberflächlich nicht viel passiert und doch vieles verhandelt wird.
Zu viel Message für zu wenig Film
Über die Haupthandlung, die sich nur über einen Tag erstreckt, bekommt das Kinopublikum einen intimen Einblick in das Erleben einer Transperson. Der Film zeigt, wie aufwühlend und anstrengend ein scheinbar harmloser Anlass wie eine Familienfeier für eine Transperson sein kann.
Das Problem: Diese Intention ist immer spürbar und überschattet den Plot. So wirkt «Close to You» eher wie ein wohlgemeinter Vortrag oder ein Stück gut nachgespielte Autobiografie als ein Film.
Kinostart: 5. September 2024