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Neu im Kino Steven Spielbergs «The Fabelmans»: Halb erinnert, halb fabuliert

In seinem bisher persönlichsten Filmdrama bringt Hollywoods Regiemeister seine Kindheitserinnerungen auf die Leinwand.

Was geschieht, wenn sich ein überschwänglicher Geschichtenerzähler wie Steven Spielberg an seine Jugend erinnert? Auf jeden Fall etwas Unterhaltsames.

Meschugge nach Kunst

Wie viel davon fabuliert, wie viel autobiografisch ist, lässt der Regiemeister geschickt offen. Das ist im Sinne der Verdichtung durchaus legitim. Schliesslich heisst dieses Familienporträt nicht «The Spielbergs», sondern «The Fabelmans» und sein Held Sammy, nicht Steven.

Gut gelaunter Steven Spielberg auf dem Regiestuhl von «The Fabelmans».
Legende: Sieht die Welt durch die Linse: Steven Spielberg blühte am Set seines «persönlichsten Films» auf. Storyteller Distribution / Universal

«Kunst ist unsere Droge», hören wir dessen Onkel Boris an einer besonders prominenten Stelle zum pubertierenden Sammy sagen: «Familie lieben wir … Aber Kunst: Wir sind meschugge nach Kunst!» Interessant an dieser Szene ist nicht etwa ihr Pathos, sondern die Frage, die das Gesagte provoziert: was unter Kunst zu verstehen ist.

Im Geiste ein Löwenbändiger

Mit Blick auf Steven Spielbergs Schaffen liesse sich parallel dazu fragen: Sind seine Filme Kunst? «The Fabelmans» bejaht dies metaphorisch, indem das heitere Drama einen sehr breiten Kunstbegriff vertritt.

Ein Kunstbegriff, der nicht nur das Kreieren von einflussreichen Blockbustern wie «Der weisse Hai» umfasst, sondern auch den tollkühnen Beruf von Onkel Boris, einem Raubtierbändiger.

Angst, Mut und andere Universalien

«Den Kopf in ein Löwenmaul stecken, ist Kunst?», fragt Sammy seinen entfernten Blutsverwandten ungläubig. Was dieser mit schallendem Gelächter beantwortet, sowie einem treffenden Konter: «Nein, den Kopf in das Maul eines Löwen zu stecken, das ist Wagemut. Dafür sorgen, dass der Löwe den Kopf nicht frisst, das ist Kunst!»

Die grosse Kunst von Spielberg wiederum besteht darin, aus Persönlichem das Universelle herauszuschälen. Denn einen verrückten Onkel hat wohl jeder. Auch wenn nur die wenigsten davon ihre Brötchen mit der Peitsche in der Hand verdienen dürften – wie Indiana Jones.

Mehr als narzisstische Eitelkeit

«Ich wollte meine Geschichte nicht als Eitelkeitsprojekt erzählen», beteuert Spielberg passend dazu im Interview: «Sondern als Blick in einen Spiegel, in dem alle die eigene Familie erkennen können.»

Filmszene mit sämtlichen Familienmitglieder der Familie Fabelman.
Legende: Aufwachsen in den USA der 1950er-Jahre: Sammy Fabelman mit Mutter Mitzi (Michelle Williams), Papa Burt (Paul Dano) und seinen Geschwistern. Storyteller Distribution / Universal

Dies gelingt dem Film, der von der Oscar-Academy in sieben Kategorien nominiert wurde, mit spielerischer Leichtigkeit. Von einer selbstgefälligen Nabelschau ist «The Fabelmans» jedenfalls weit entfernt.

Das mag an der Art und Weise liegen, mit der Spielberg sein Alter Ego inszeniert: Als bloss halbwegs sympathischen Sonderling, der seine Ängste nur dann verarbeiten kann, wenn er sie auf Zelluloid bannt. Oder am liebevollen Blick, den er allen Familienmitgliedern zukommen lässt – jenseits ihrer Rolle als Vater, Mutter oder Schwester.

Gastauftritt von David Lynch

Langjährige Weggefährten wie Filmmusiker John Williams und Kameramann Janusz Kaminski tragen das Ihre dazu bei, dass Spielberg mit «The Fabelmans» zu alter Stärke zurückfindet.

Wirklich bemerkenswert an der jüngsten Regiearbeit des 76-Jährigen ist aber nicht die vertraute Spielberg-Magie, sondern das, was diese übersteigt. So dürfte das witzige Ende des Films viele überraschen.

Nicht nur, weil es weniger emotional daherkommt, als man es von Spielberg erwartet. Sondern weil David Lynch darin ein schauspielerisches Glanzlicht setzt, das nicht nur Fans des Kultfilmers entzücken wird.

Kinostart: 9.3.2023

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 08:06 Uhr.

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