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Shitstorm auf Französisch Alles Männer, oder was? Der Fauxpas des «Film français»

Diversität: Fehlanzeige. Wie sich eine französische Filmzeitschrift mit einem Cover-Foto in die Bredouille bringt.

In Frankreich geht gerade ein Foto viral. Grundtenor: «Haarige Sache» – und das liegt nicht an den schönen Frisuren und schicken Bärten.

Man muss die Herrschaften nicht beim Namen kennen, um zu merken, dass mit diesem Titelbild der Zeitschrift «Le Film français» etwas nicht stimmt. Sieben Männer, aber keine Frau? Weisse Männer, um genau zu sein, aber maximal zwei Menschen mit Migrationshintergrund? Und was heisst eigentlich «Shitstorm» auf Französisch?

«Le Film français» – Finanzen im Fokus

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Das französische Filmmagazin wurde 1944 gegründet und erscheint einmal die Woche. «Le Film français» interessiert sich vor allem für den wirtschaftlichen Aspekt des Kinos.

Sie lächeln so lässig

Schwer zu sagen, ob die Schauspieler Pio Marmaï, Guillaume Canet, Vincent Cassel, François Civil, Pierre Niney und Dany Boon, die sich hier um die Produzenten-Legende Jérôme Seydoux scharen, immer noch so lässig lächeln, wenn sie sich dieser Tage selbst googeln.

Wie kann es sein, dass keinem dieser «sexy Sieben» etwas spanisch vorkam, als sie sich vor der Kamera aufbauten? Warum hatten auf der Redaktion alle Riesentomaten auf den Augen, als man sich über das druckfertige Cover beugte? Oder ist das einfach die famose französische Filmwelt, die hier ihr wahres Gesicht zeigt?

Und dann der Titel

Wir erinnern uns dunkel an einen Brief, den namhafte französische Schauspielerinnen wie Catherine Deneuve mitunterzeichnet hatten. Nichts gegen #MeToo, hiess es vor ungefähr vier Jahren sinngemäss in «Le Monde»: Aber beraubt uns da eine Bewegung mit ihrem Männerhass nicht gerade unserer sexuellen Freiheit?

Zurück zum «Film français». «Rien ne va, ni la photo, ni le titre», liess sich etwa der Filmproduzent Marc Missionner («French Women – Was Frauen wirklich wollen») verlauten. Überschrift wie Cover seien ein echtes No-Go.

Womit wir beim Titel dieser Titelgeschichte wären, der die ganze Chose bestenfalls verschlimmbessert. Immer vorausgesetzt, wir übersetzen das in Grossbuchstaben gehaltene «Objectif: Reconquête» mit «Ziel: Rückeroberung» ohne Denkfehler ins Deutsche.

Krude Kampfansage

Plötzlich scheint alles Sinn zu ergeben – und erst recht Unsinn zu bleiben. Es braucht gar keine Frauen auf dem Cover. Ganz im Gegenteil, sie wären völlig fehl am Platz. Denn was «Le Film français» hier versucht, ist nicht weniger als eine Kampfansage.

«Wir Männer holen uns das Kino zurück», ist die bizarre Botschaft dieses Covers. Da kann die Animationsfilmerin Anaïs Bouton noch so lange twittern: «C’est pas possible!» und Frauennamen nachreichen («Virginie Efira, Marion Cotillard, Rebecca Zlotowski, Leïla Bekhti, Marie Masmonteil, Sylvie Pialat, Julia Ducourna ...»), die auch auf dieses unselige Cover gehört hätten.

«Unglücklich und bedauernswert»

Wer auch immer, wie auch immer. Die Redaktion von «Le Film français» hat sich bereits am Freitag per Twitter zu Wort gemeldet und will den Fauxpas mit dem Begriffspaar «malheureux et regrettable» erklärt haben – die Sache sei höchst «unglücklich und bedauernswert».

Man habe sich unbedarfterweise für ein Bild entschieden, das einen Ausblick «auf einige der Highlights des kommenden Kinojahres» bieten wolle, aber mitnichten für das aktuelle Filmschaffen in Frankreich repräsentativ sei, schreibt das Magazin weiter.

Ob das nun heisst, Frauen und andere Nicht-Herren der Schöpfung seien nicht in der Lage, Highlights hinzukriegen? Möglicherweise steht «Le Film français» bald der nächste Shitstorm ins Haus. Auf Französisch übrigens «tempête de merde».

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Nachrichten, 3.10.2022, 16:30 Uhr

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