«Wer hat euch beigebracht, euch selbst zu hassen?» – Diese Frage stellte Malcolm X in mehreren Reden. Sie richtete sich nicht nur gegen das rassistische System, sondern auch gegen das beschädigte Selbstbild einer unterdrückten Gemeinschaft.
Malcolm X' Worte waren hart, nie versöhnlich. Sie waren ein direkter Angriff auf die weisse Vorherrschaft und die Vorstellung, Gerechtigkeit liesse sich freundlich erbitten, wie es der Bürgerrechts-Aktivist Martin Luther King praktizierte.
Vermächtnis eines Unversöhnlichen
1925 als Malcolm Little in Nebraska geboren, wurde er früh mit rassistischer Gewalt konfrontiert. Der Tod seines aktivistischen Vaters unter ungeklärten Umständen und der Zusammenbruch seiner Mutter führten zu einer schwierigen Jugend.
Nach ersten kriminellen Erfahrungen und Haft begann in Gefängnissen seine Transformation: Intensives Lesen, Nachdenken und Schreiben sowie sein Eintritt in die «Nation of Islam» formten aus Malcolm Little den bekannten Malcolm X.
In den 1950er- und frühen 1960er-Jahren avancierte er zur Stimme der Nation of Islam – und wurde zur Reizfigur der weissen Mehrheitsgesellschaft.
Integration und Abgrenzung
Seine Reden prangerten die weisse Dominanz an und forderten Unabhängigkeit statt Anpassung. Für Malcolm X war Integration ein Trugbild und Gewalt ein legitimes Mittel.
Der Amerikanist Michael Hochgeschwender sieht in ihm eine Schlüsselfigur des schwarzen Nationalismus, der auf eine eigenständige Existenz jenseits der weissen Gesellschaft abzielte – und gescheitert ist.
1964 brach Malcolm X mit der Nation of Islam, reiste nach Afrika und in den Nahen Osten. Die Pilgerfahrt nach Mekka, bei der er Muslime aus aller Welt Seite an Seite beteten, bewirkte einen grundlegenden Wandel in seiner Weltanschauung.
Zurück in den USA nahm er den Namen El-Hajj Malik El-Shabazz an, während sein entschlossener Ton unverändert blieb.
Am 21. Februar 1965 wurde Malcolm X in New York erschossen – vor den Augen seiner Familie. Drei Mitglieder der Nation of Islam wurden verurteilt. Bis heute ist unklar, inwieweit staatliche Stellen involviert waren.
Hochgeschwender verweist auf mögliche Verstrickungen des FBI, deren Unterwanderungs-Programm «Cointelpro» systematisch Schwarze Führungsfiguren zersetzte.
Ikone und Erbe
Nach seinem Tod wuchs Malcolm X' Einfluss stetig. Seine Autobiografie avancierte zum Klassiker der Bürgerrechtsbewegung. Spike Lees Film mit Denzel Washington machte ihn zur Kultfigur. Dabei wird Malcolm X bisweilen zu einer gefälligen Symbolfigur entschärft.
Heute berufen sich Bewegungen wie «Black Lives Matter» auf Malcolm X – jedoch mit veränderten Impulsen. Hochgeschwender hebt hervor, dass während Malcolm X und die Black Panther Party auf direkte Konfrontation setzten, Black Lives Matter gesellschaftliche Ungleichheiten differenziert betrachte. Auch stelle die Bewegung traditionelle Vorstellungen von Familie sowie Geschlechterrollen infrage.
Unerfüllter Dialog
In seinen letzten Monaten näherte sich Malcolm X Martin Luther King an – gerade als dieser unter dem Eindruck des Vietnamkriegs radikaler wurde. Doch bevor ein gemeinsamer Weg realisiert werden konnte, wurde Malcolm X ermordet.
Malcolm X bleibt ein Symbol unerschütterlicher Selbstbestimmung – ein Fanal des unbeirrbaren Widerstandes. Denn selbst in den dunkelsten Zeiten ist Widerstand nötig, wenn nicht sogar geboten.