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Antisemitismus-Debatte «Judenfeindlichkeit gehört nicht zur DNA des Islams»

Wie antisemitisch ist der Islam? Das fragten sich viele nach dem Angriff auf einen Kippa-Träger in Berlin. Der Islamwissenschaftler Muhammad Sameer Murtaza will zeigen: Es gibt keine religiöse Grundlage für Judenhass. Im Gegenteil.

Das Verhältnis von Juden und Muslimen könnte so harmonisch sein. Auch Muslime berufen sich auf Abraham, den gemeinsamen Stammvater.

Sie stehen dem Judentum in vielen Fragen näher als die Christen es tun: Islam und Judentum kennen Beschneidung, Speisegesetze, Bilderverbot – und beide betonen einen strengen Monotheismus. Hinzu kommen kulturelle Ähnlichkeiten.

«Schalom» und «Salam»

Die Tora wird ebenso wie der Koran von rechts nach links gelesen. Juden begrüssen sich auf Hebräisch mit «Schalom Alechem», was «Friede sei mit dir» bedeutet. «Salam Aleikum» heisst das auf Arabisch. Auch die sprachliche Ähnlichkeit zeigt, wie nahe sich die beiden semitischen Kulturen sind.

Muhammad Sameer Murtaza

Muhammad Sameer Murtaza

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Muhammad Sameer Murtaza ist ein pakistanisch-deutscher Islam- und Politikwissenschaftler und Buchautor. Bis 2017 lehrte er an der Universität Osnabrück. Als erster Muslim ist er zudem bei der «Stiftung Weltethos» tätig, die versucht, ein den Weltreligionen gemeinsames Ethos zu schaffen.

«Die Juden sahen seit jeher die Muslime – mit Verweis auf den Bund Noahs – als Fromme unter den Weltvölkern an», schreibt der Islam- und Politikwissenschaftler Muhammad Sameer Murtaza in seinem eben erschienenen Buch «Schalom und Salam». Die Muslime wiederum betrachteten die Juden stets «als Leute der Schrift, die unter dem Schutz der Muslime standen».

Buchhinweis

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Muhammad Sameer Murtaza: «Schalom und Salam: Wider den islamisch verbrämten Antisemitismus.» Frankfurt am Main, 2018.

Sorge um muslimischen Judenhass

Trotzdem gilt das Verhältnis als angespannter denn je. Vor Wochen ging ein Video viral, das einen Araber zeigt, der einen Kippa-Träger in Berlin mit einem Gürtel attackierte. Ein schockierendes Zeugnis des Antisemitismus, der auch von Flüchtlingen nach Europa importiert wird.

Doch dieses Narrativ sei zu einfach, findet Muhammad Sameer Murtaza – und schreibt dagegen an. Denn jahrhundertelang lebten Juden und Muslime weitgehend friedlich zusammen.

Bis die Europäer den Antisemitismus in die arabische Welt exportierten – und der Imperialismus geopolitische Realitäten schuf, die heute die Region zwischen Gaza und Golan zu einem Pulverfass machen. Mit der fatalen Folge, dass der Zionismus und die Politik Netanjahus mit «dem Judentum» und «den Juden» gleichgesetzt würden.

 Muhammad Sameer Murtaza bei der Buchpräsentation.
Legende: Plädiert für eine jüdisch-muslimische Symbiose: Muhammad Sameer Murtaza. Imago/Mauersberger

«Antisemitismus ist nicht islam-inhärent»

Muhammad Sameer Murtaza kritisiert den Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi, der in Freiburg im Breisgau lehrt. Ourghi verweise auf Suren, in denen Juden schlecht wegkämen, und gehe von einem islamischen Antijudaismus aus.

Judenfeindlichkeit zur DNA des Islams zu erklären – dagegen wehrt sich Muhammad Sameer Murtaza. Der Antisemitismus sei nicht islam-inhärent.

Friede als Grundprinzip

Im Wort Islam stecke «Salam», «Frieden» – und der Name sei Programm. Islamisten seien daher keine besonders frommen Eiferer, sondern Terroristen, die islamische Rechtsauffassungen verletzten.

Insofern enthält das Buch «Schalom und Salam» eine gute Nachricht: Der muslimische Antisemitismus sei historisch bedingt – und somit «auch wieder behebbar», schreibt Muhammad Sameer Murtaza. Er verweist auf Bosnien und Kosovo, wo es praktisch keinen Antisemitismus gebe – dafür aber jede Menge nationalistischer Feindbilder.

Erhellendes, aber wenig fokussiertes Buch

Muhammad Sameer Murtaza präsentiert einen guten Einblick in ein politisch hoch relevantes und virulentes Thema. Ein schärferer Fokus hätte dem Buch aber gutgetan.

Zwei Hände zeigen die religiösen Symbole Hand der Fatima und Davidstern.
Legende: Muhammad Sameer Murtazas Wunsch: Dass Muslime und Juden an einem Strang ziehen. Imago/UIG

Der Autor referiert ausführlich den allseits bekannten Nahostkonflikt, geht aber über weniger bekannte Details zu schnell hinweg – etwa, dass Mohammed auch eine Jüdin als Ehefrau hatte.

Sein Schlussplädoyer ist so utopisch wie wünschenswert: ein Revival der jüdisch-muslimischen Symbiose von einst. Dafür müssten alle an einem Strang ziehen: Juden, Muslime – aber auch Christen und Atheisten.

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