Selbstbewusst und mit geradem Blick schaut Abissatou Diatta in die Kamera. Eine Frau im mittleren Alter, traditionell gekleidet, die erzählt, wie es zu ihrer Beschneidung kam.
Sie selbst bat im Alter von 15 Jahren ihre Mutter darum, beschnitten zu werden, weil sie dazugehören wollte. Weil sie dem sozialen Druck nicht standhielt. Später bereute sie es: «Der mit der Beschneidung verbundene Schmerz ist bis heute präsent und unvergessen. Es ist wahr: Dieser Schmerz ist ein Gefühl, das sich tief in meine Erinnerungen eingebrannt hat und nie verblasst ist.»
Im Senegal sind rund 40 bis 50 Prozent der Frauen beschnitten, trotz des gesetzlichen Verbots. Wer verstehen will, weshalb, müsse sich mit der gesellschaftlichen Bedeutung dieser Praxis beschäftigen, sagt Manuela Di Marco. Sie ist Co-Geschäftsführerin der Organisation Iamaneh, die sich seit 45 Jahren unter anderem in Westafrika für sexuelle Gesundheit und gegen Gewalt an Frauen einsetzt.
«Die Beschneidung ist eine kollektive Geschichte. Wenn wir etwas ändern wollen, müssen wir mit der ganzen Gemeinschaft daran arbeiten und nicht nur mit den Individuen», so Di Marco. Es müssten alle damit einverstanden sein, die ganzen Dorfbevölkerungen. Denn nicht beschnittene Frauen würden stigmatisiert.
Neue Rituale finden
Die Ausstellung im kHaus in Basel dokumentiert ein Projekt der Organisation Eusobul im Süden Senegals. Dort engagiert sich eine Dorfgemeinschaft gegen die Beschneidung und dafür, neue Formen für das dazugehörige Ritual zu finden.
«Das Ritual der Beschneidung steht für den Übergang vom Mädchen zur Frau, das ist sehr wichtig», sagt Manuela Di Marco. Hier habe das Projekt angesetzt: «Wir haben gesagt, wir können ja diesen Übergang beibehalten, aber ohne die Beschneidung.»
Verzicht auf Beschneidung in Zukunft
Mittlerweile sei das Projekt so weit, dass sich sogar frühere Beschneiderinnen – sogenannte «Gardiennes de la tradition» – öffentlich verpflichtet haben, keine Beschneidungen mehr durchzuführen. Auch von diesen Frauen gibt es Bilder, Töne und Geschichten in der Ausstellung, und auch sie schauen gerade und selbstbewusst in die Kamera. Da ist nichts von Scham zu spüren, trotz des intimen und tabubehafteten Themas.
Nicht umsonst hat sich die Fotografin Claudia Link formal für Porträts entschieden: «Die grösste Herausforderung war, dieses Thema ganz anders anzugehen, weil man ja vielleicht andere Bilder im Kopf hat.»
Frauen, keine Opfer
Für die Auswahl der Protagonistinnen sorgte die senegalesische Partnerorganisation Eusobul, die das Projekt vor Ort durchführt. Was der Fotografin bei den Bildern wichtig war: «Unser Blick ist ein weisser Blick. Ich kann das nicht ablegen, aber es war uns sehr wichtig, dass es ein Blick auf Augenhöhe ist. Wir wollen starke Frauen zeigen und keine Opfer.»
Auch für Manuela Di Marco von Iamaneh war die Augenhöhe wichtig. Eine Sache möchte sie klarstellen: «Mädchen zu beschneiden, ist eine Menschenrechtsverletzung. Aber es gibt Lösungen, und um sie zu erreichen, muss man die Komplexität des Themas verstehen. Das möchten wir mit dieser Ausstellung erreichen.»