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Roms Calatrava-Bauruine soll gerettet werden – ein leeres Versprechen?
Aus Kultur-Aktualität vom 05.09.2023. Bild: iStock/Daniele Consorti
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Bau von Santiago Calatrava Hoffen auf Hilfe von oben: Rom will berühmte Bauruine vollenden

Die «Città dello Sport» von Stararchitekt Santiago Calatrava sollte ein Vorzeigeprojekt sein. Stattdessen wird in dem unfertigen Bau nun mit Drogen gedealt.

Italiens faszinierendste moderne Bauruine sollte man selbst am helllichten Tag nicht aufsuchen. Aus Sicherheitsgründen. Die vor sich hin gammelnden Gebäude am östlichen Stadtrand Roms ragen auf einem von der Dauerhitze verbrannten Terrain in die Höhe. Das grösste von ihnen erinnert an ein gigantisches Segel: ein weisses Gerüst, in weiten Teilen verrostet. 

Segelartiges weisses Gebäude neben weissem unfertigen Stadium in verbrannter Landschaft
Legende: Betreten auf eigene Gefahr: Das Gelände um die Bauruine gleicht einer Wüste. Im Inneren wird häufig mit Drogen gedealt. iStock/Marco Piunti

Gigantischer Geldfresser

Geplant war das Bauensemble als Austragungsort für sportliche Wettkämpfe und kulturelle Veranstaltungen. 15'000 Zuschauer sollten hier Platz finden. Die Einweihungsfeier war für 2009 angedacht, rechtzeitig zur internationalen Schwimmweltmeisterschaft.

Entworfen wurde das futuristisch anmutende Projekt von niemand geringerem als dem spanischen Stararchitekten Santiago Calatrava. 2005 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Nur vier Jahre später wurde alles dicht gemacht.

In dem riesigen Innenraum des Segels mit seinem Betonsockel, den filigran gewellten Stahlgitterwänden und dem fast 70 Meter hohen, spitz zulaufenden Deckenscheitel wird heute gedealt. Vor allem harte Drogen. Die «Città dello Sport» ist somit nicht gerade ein einladender Ort für jene Besucherinnen und Besucher, die das unbestritten eindrucksvollste zeitgenössische Bauwerk Roms gerne besichtigen würden.

Verfallenes Stadium in orangenem Licht
Legende: Neben dem Kolosseum eine weitere Sportstätte als gigantische Ruine: Die «Città dello Sport» sollte 15'000 Menschen Platz bieten. iStock/Marco Piunti

Hoffen auf das Heilige Jahr

Für nationales Aufsehen sorgten die enormen Kosten des Bauwerks. Zunächst ging man von zirka 60 Millionen Franken aus. Dann war plötzlich die Rede von stolzen 660 Millionen Franken. Die Folge: Die politisch Verantwortlichen, die Kommune Rom und die Region Latium, gaben das ehrgeizige Projekt sang- und klanglos auf und überliessen es dem Verfall.

Doch jetzt soll frischer Wind in Calatravas Segel gebracht werden. Das entschied Roms sozialdemokratischer Bürgermeister Roberto Gualtieri: «Das Projekt sieht eine Finanzierung von 70 Millionen Franken vor», erklärte Gualtieri vor wenigen Tagen.

Rechtzeitig zum Heiligen Jahr 2025, einem Jubiläumsjahr der katholischen Kirche, hofft er, «soll das Gebiet benutzbar sein. Spätestens aber 2030, wenn wir hoffentlich die Weltausstellung Expo ausrichten werden.»

Mann in blauem Sakko mit schwarzer Brille und schütterem Haar
Legende: Daumen hoch: Roberto Gualtieri, der sozialdemokratische Bürgermeister Roms, hat den Römerinnen und Römern versprochen, die «Città dello Sport» fertigzustellen. IMAGO/NurPhoto

Aber was nützen 70 Millionen Franken in einer Bauruine, die zunächst einmal komplett überholt werden muss, vom Rost über die Statik bis hin zu Materialschäden? Mehr als zehn Jahre lang war die «Città dello Sport» Wind und Wetter ausgesetzt.

Rund 700 Bauruinen in Italien

Um Schäden an der bereits bestehenden Baustruktur zu beseitigen, stehen etwa 12.4 Millionen Franken bereit. Kenner des Bauwerks sprechen angesichts der aktuellen Situation von einem lächerlich geringen Betrag. Mit dem übrigen Geld sollen die Gebäude der «Stadt des Sports» endlich fertiggestellt werden.

Verfallenes Stadium in verbrannter Landschaft
Legende: Bleibt alles beim Alten? Es ist nicht auszuschliessen, dass die «Città dello Sport» auch in zehn Jahren noch eine Ruine ist. iStock/Marco Piunti

Ob der Bürgermeister selbst an das Projekt glaubt, sei dahingestellt. Experten der römischen Bürokratie befürchten, dass das Calatrava-Segel und die übrigen Bauten weiterhin eine erschreckend beeindruckende Bauruine bleiben. Denn nicht die chronisch klamme Stadt Rom soll das Geld aufbringen, sondern der Staat.

Damit wäre die Stadt des Sports in guter Gesellschaft: Italien soll rund 700 Bauwerke der öffentlichen Hand besitzen, die nie fertiggestellt wurden. Das zeigt eine Statistik des Infrastrukturministeriums. Diese haben die italienische Steuerzahlenden bisher rund vier Milliarden Franken gekostet.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 5.9.2023, 7:06 Uhr

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