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Sternerestaurant Noma schliesst
Aus Kultur-Aktualität vom 10.01.2023. Bild: Jens Dresling/Polfoto/AP
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Bestes Restaurant schliesst «Das Noma war eine neue Interpretation von Gastronomie»

Fünfmal wurde das Restaurant Noma in Kopenhagen zum besten Restaurant der Welt gewählt, zuletzt 2021. Ebenfalls 2021 holte es sich den dritten Michelin-Stern. Nun ist nach 20 Jahren Schluss: Die Equipe um Küchenchef René Redzepi schliesst das Restaurant überraschend auf Ende 2024. Das gastronomische Monument verwandelt sich in eine Testküche. Was bedeutet das Ende dieses Lokals? Gastro-Kolumnist und Buchautor Christian Seiler im Gespräch.

Christian Seiler

Christian Seiler

Autor und Journalist

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Christian Seiler, Jahrgang 1961, war Kulturredaktor der

«Weltwoche» und Chefredaktor von «profil» und dem «Du»-Magazin. Heute schreibt er als selbstständiger Reporter und Kolumnist für diverse Zeitschriften übers Essen, Trinken und Reisen, unter anderem für das «Magazin». Er hat mehrere Bücher zum Thema Essen veröffentlicht.

SRF: Was verliert die Spitzengastronomie, wenn das Noma nicht mehr als Restaurant existiert?

Christian Seiler: Sie verliert einen weltweiten Leitbetrieb. Einen Ort, wo jeder Küchenchef und jeder Mensch, der sich für Essen und Trinken interessiert, hingeschaut hat.

Das Spannende am Noma ist, dass es sich nie um Konventionen gekümmert hat.

Im Noma wurde mit einer unglaublichen und nicht nachlassenden Kreativität gearbeitet, nicht nur am einzelnen Gericht, sondern am Begriff von Gastronomie. Das Noma war ein Kreativzentrum – und ich denke, das wird es auch in anderer Form bleiben.

Sie haben mehrmals im Noma gegessen. Was war das Besondere?

Als ich das erste Mal dort ass, war es absolut überwältigend. Das Noma war eine völlig neue Interpretation von Gastronomie. Es hat die Grundprinzipien des «Fine Dining», wie man es etwa aus Frankreich kannte, völlig auf den Kopf gestellt.

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Aus dem Archiv: «Noma» ist bestes Restaurant der Welt
Aus Tagesschau vom 01.05.2012.
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Das Noma wählte eine viel lässigere und zugänglichere Präsentation. Man ass dort Dinge, die man in dieser Form nirgendwo sonst auf der Welt kannte.

Was waren das für Dinge, die Sie noch nicht kannten?

Das Noma zelebriert einen dogmatischen Regionalismus und verwendet nur Lebensmittel aus dem nordischen Raum. Das ist etwas, was wir in Mittel- oder Südeuropa überhaupt nicht kennen.

Das Team hat permanent mit Dingen experimentiert, die es in der Form noch nicht gab.

Zudem waren die Präsentationen unglaublich spannend – etwa Blumengestecke, die auf dem Tisch standen, die man eigentlich als Dekoration gesehen hat, die aber essbar waren.

Oder es wurden lebende Krabben serviert, man wurde also mit dem Tabu des Tötens von Tieren konfrontiert. Jeder Besuch im Noma war eine Überraschung, jeder nächste Gang war «Terra incognita».

Das Noma hat drei Michelin-Sterne und war fünfmal bestes Restaurant der Welt. Wie erreicht ein Küchenchef diesen Status?

Indem er innovativ ist und hart daran arbeitet. Das Spannende am Noma ist, dass es sich nie um Konventionen gekümmert hat.

Der Michelin gibt ja viele Dinge vor, die man erfüllen muss, damit man ausgezeichnet wird. Das Noma machte immer das Gegenteil davon – oder etwas ganz anderes. Das war eigentlich die ganz besondere Fähigkeit dieses Restaurants und von René Redzepis Team.

Ein Gastronom sitzt au einem Barhocker.
Legende: René Redzepi, der Küchenchef des Restaurants Noma in Kopenhagen. EPA/ROBIN VAN LONKHUIJSEN

Die Sterne waren die letzte Auszeichnung, die das Noma bekam. Alle anderen Meriten und Ehrungen hatte es schon abgeräumt. Eigentlich war es eine Schande für den Michelin, dass er erst so spät verbriefte, dass das Noma ganz nach oben gehört.

Das Noma war berühmt für die Fermentierküche. Können Sie die Technik erläutern?

Wir alle kennen fermentierte Lebensmittel, etwa Sauerkraut. Das Noma hat permanent mit Dingen experimentiert, die es in dieser Form noch nicht gab. Im eigenen Foodlabor und der Fermentationsküche wurden Lebensmittel gereift, vergoren oder durch Milchsäurebakterien behandelt.

Das Noma hat Dinge durchexerziert, ausprobiert und unglaublich viele Versuchsreihen angestellt, um das eine oder andere auch tatsächlich im eigenen Restaurant auf den Tisch zu bekommen.

Das Gespräch führte Raphael Zehnder.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 11.01.2023, 07:06 Uhr;

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