«Franziskus ist umzingelt. Von Washington bis Warschau weht ihm ein kalter Wind entgegen»: So beginnt Marco Politis Buch «Das Franziskus-Komplott». Kapitel für Kapitel spannt der Journalist ein Netz von Widerständen über die Weltkarte, in dem sich Papst Franziskus zu verfangen drohe.
Seit 40 Jahren ist Marco Politi Kenner des Vatikans – ein Insider, wie man in einer solch verschwiegenen Umgebung eben Insider sein kann. In seinem neusten Buch zeichnet er nach, wie Papst Franziskus von verschiedenen Seiten umstellt sei.
Eine Allianz von Gegnern
Dabei geht es nicht nur um Kardinäle oder Kirchenvertreter. Im Fokus sind auch Politiker wie Salvini, Orbán oder Trump, denen Franziskus‘ Kapitalismus-Schelte, seine Kritik an der Migrationspolitik und sein vehementer Einsatz für die Umwelt zuwider sind.
Daraus entstehe eine unheilige Allianz zwischen Politikern und Kirchenmännern, so Politi. Eine Opposition, die sich mit politisch-ökonomischen Interessen verbündet habe. Eine breite Front von Kritikern, die angeblich eine Agenda verfolge: Beim nächsten Konklave soll keinesfalls ein Franziskus II. gewählt werden.
Opposition mit System
Der Vatikanist Marco Politi spricht deshalb von einer systematischen Delegitimierung. Immer wieder zitiert er Franziskus, der unlängst gesagt haben soll, «dass er wisse, dass es Priester gäbe, die seinen Tod wünschen.»
Politi erwähnt auch den Kirchenhistoriker Andrea Riccardi, der sagte, dass es in den letzten 100 Jahren vonseiten des Klerus und der Bischöfe nie eine solche Opposition gegen einen amtierenden Papst gab wie heute.
Konservativer Kurs in den USA
Exemplarisch erfährt Franziskus auch Widerstand aus konservativen und traditionalistischen Kreisen der USA. Diese werfen dem Papst vor, er wolle die katholische Lehre verändern und moralische Normen verwässern.
Der ehemalige Apostolische Nuntius Carlo Maria Viganò, sozusagen der Botschafter des Heiligen Stuhls in den USA, verfasste etwa 2018 einen Brief, in welchem er Franziskus im Missbrauchsfall des Kardinals Theodore McCarrick als Mitwissenden anklagte und zum Rücktritt aufforderte.
Vor wenigen Tagen machte Viganò wieder von sich reden, weil er sich in einem offenen Brief anerkennend über Trumps Politik äusserste.
Für Politi ist klar: Es gibt einen harten Kern, der nicht einverstanden ist mit Franziskus’ Kurs und seiner Reformpolitik. Konnte Franziskus auch darum viele Reformen nicht durchbringen?
Gegner als Alibi?
Der Soziologe Marco Marzano steht dieser Sicht der Dinge sehr kritisch gegenüber. Er ist überzeugt, dass das Bild von Franziskus als verhindertem Reformer ein falsches und äusserst zählebiges Narrativ sei.
Vielmehr dienen ihm die Feinde in den eigenen Kreisen als Alibi die angekündigten Reformen nicht durchzuführen, so die Meinung des Soziologen. Vorwiegend seien die Gegner nämlich emeritierte Kardinäle mit ohnehin reduziertem Einfluss.
Zwar seien Franziskus’ Gesten in Bezug auf die Frauenfrage, die Homosexualität, geschiedene Wiederverheiratete oder uneheliche Kinder progressiv. Doch in den lehramtlichen Schreiben finden sich keine Hinweise auf eine Reform.
Einflussreiche Seilschaften
Politi will diesen Einwand nicht gelten lassen. Wie auch Politiker entwickeln Kardinäle während ihrer Amtszeit eine Seilschaft von Anhängern, die selbst zu Bischöfen oder Kardinälen werden. So entsteht eine Opposition von gleichdenkenden Leuten.
Genau diese Opposition werde bei Synoden oder Konklaven zu einem Problem, zumal dort Beschlüsse mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit entschieden werden. Wenn nun, wie in den Familiensynoden, nur schon etwas mehr als ein Drittel gegen Reformen sind, dann seien diese Gegner doch gewichtig.