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Corona – wie weiter? «Es wird nie wieder sein, wie es einmal war»

Wie wird Corona das Leben des Individuums und der Gemeinschaft verändern? Wie die Rolle des Staates, der Wissenschaft und wie die Kultur? Diese vier Stimmen aus vier Disziplinen werfen einen Blick auf die Gegenwart und in die Zukunft:

  • Lisz Hirn, Philosophin
  • Heinz Bude, Soziologe
  • Elisabeth Bronfen, Kulturwissenschaftlerin
  • Michael Hagner, Wissenschaftshistoriker

Macht uns das Virus verletzlicher? Antworten von Philosophin Lisz Hirn

Lisz Hirn

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Lisz Hirn ist Philosophin und Autorin. 2020 veröffentlichte sie das Buch «Wer braucht Superhelden. Was wirklich nötig ist, um unsere Welt zu retten» im Molden Verlag. Die Schwerpunkte ihrer philosophischen und wissenschaftlichen Arbeit sind die philosophische Anthropologie, politische Philosophie und interkulturellen Ethik. Lisz Hirn lebt und arbeitet in Wien.

SRF: Wie würden Sie die Veränderung des Lebens für das Individuum durch Corona beschreiben?

Lisz Hirn: Die jüngeren Generationen sind zum ersten Mal mit der Einschränkung ihrer Freiheiten konfrontiert. Selbstverständliches wie Bewegungsfreiheit, Reisefreiheit sind quasi ausgesetzt – und wir wissen nicht, für wie lange.

Kollektiv sind wir zum ersten Mal mit einer so grossen Unsicherheit konfrontiert. Die ist nicht regional, nicht national, sondern global. Es ist also nicht damit getan, dass einzelne Länder die Krise überwinden, sondern die Pandemie wird immer unser aller Problem sein. Solange das nicht gelöst ist, ist an eine Rückkehr zu unseren Freiheiten nicht zu denken.

Illustration von drei Personen unterschiedlichen Alters, die ängstlich im Tram sitzen, umgeben von überdimensionierten und grimmig dreinblickenden Coronaviren.
Legende: «Wir entdecken gerade unsere Verletzlichkeit», beobachtet Lisz Hirn. Eine Verletzlichkeit, die wir «gar nicht mehr gespürt» haben. SRF / Yvonne Rogenmoser

Was wird sich im Verhältnis Individuum und Gesellschaft verändern?

Ich kann keine Prognose abgegeben, Zukunft ist unbestimmt. Aber es zeigt sich in den Diskursen, dass die Gemeinschaft auf das Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen angewiesen ist.

Es zeigt sich auch, dass es Sinn macht, in ein starkes Sozial- und Gesundheitssystem zu investieren, wovon wiederum das Individuum profitieren kann. Dafür ist im Augenblick Akzeptanz da, die man politisch nutzen könnte.

Mit Akzeptanz meinen Sie den Applaus auf Balkonen für Pflegekräfte?

Applaudieren ist zu wenig. Da muss kollektiv mehr passieren, man muss die Berufe aufwerten und die Menschen besser bezahlen. Applaus ist schön, aber billig – auch für die Regierungen.

Manche entdecken in dieser Krise auch Chancen, was halten Sie davon?

Wir wollen die Chancen in der Krise sehen, das ist verständlich. Warum aber nicht schauen, was in dieser Krise gut funktioniert: Das ist das Sozial- und Gesundheitssystem, das muss man danach stärken. Das wird aber einiges an Arbeit und Finanzkraft von unserer Seite erfordern.

Was zeigt uns diese Krise grundsätzlich?

Digitale Medien überbrücken zwar Distanzen, aber wir merken, dass wir nicht nur soziale, sondern auch körperliche Wesen sind. Wir entdecken gerade unsere Verletzlichkeit. Wir haben diese Verletzlichkeit dadurch, dass wir in vielen Teilen Europas ein gutes Gesundheitssystem und ein funktionierendes soziales Netz haben, gar nicht mehr gespürt. Dieses Virus zeigt uns gerade unsere und die Grenzen unseres Systems auf.

Ich würde warnen, die grosse Illusion dranzusetzen, die Krise mache uns zu ‹besseren› Menschen.
Autor: Lisz Hirn Philosophin

Die Krise taucht in Diskursen als Impuls auf, über das eigene Leben, über eine Verlangsamung nachzudenken.

Ich wage es zu bezweifeln, dass jetzt eine Einsicht in die Notwendigkeit einer Entschleunigung kommt. In China wird die Maschinerie mit Vollgas wieder hochgefahren und auch in westlichen Staaten wird gerechnet, wie lange es dauert, wieder auf dem Vor-Corona-Status zu sein. Das spricht alles nicht für ein grosses Umdenken.

Ich würde warnen, die grosse Illusion dranzusetzen, die Krise mache uns zu «besseren» Menschen. Daran müssten wir gezielt arbeiten.

Entschleunigung ist ein Luxus, den sich wenige leisten können.
Autor: Lisz Hirn Philsophin

Das hört sich eher nach Aufholjagd an?

Wirtschaftlich ja und auch für Einzelne. Die, die jetzt im Homeschooling vielleicht Lücken bekommen und im Herbst studieren wollen, werden sich nicht noch ein Jahr gönnen.

Entschleunigung ist ein Luxus, den sich wenige leisten können. Die vielen Kleinunternehmer werden einfach versuchen, ihr Überleben und das ihrer Familie zu sichern.

Wie beeinflusst Corona die Rolle des Staates? Antworten von Soziologe Heinz Bude

Heinz Bude

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Heinz Bude ist Soziologe. Er lehrte an der Freien Universität Berlin und an der Viadrina in Frankfurt/Oder und war 1996 Visiting Scholar am Center for European Studies der Cornell University. Seit 2000 hat er den Lehrstuhl für Makrosoziologie an der Universität Kassel inne.

Er veröffentlichte u. a.: «Gesellschaft der Angst» in der Hamburger Edition (2014), «Das Gefühl der Welt: Über die Macht von Stimmungen» (2016) im Hanser Verlag sowie «Solidarität: Die Zukunft einer grossen Idee» (2019) ebenfalls bei Hanser.

SRF: Wie verändert sich unter der Corona-Krise das Verhältnis von Bürgern, Gesellschaft und Staat?

Heinz Bude: Es gibt ein neues Bewusstsein für die Staatsbedürftigkeit der Gesellschaft: Den Bürgerinnen und Bürgern ist klar geworden, dass in der Situation der Gefahr der Staat die entscheidende Handlungsinstanz ist, die den Schutz für alle gewährleisten kann.

Es geht nicht darum, eine Superinstanz einzuführen, die jetzt darüber richten kann, was dem Einzelnen zustehe oder was nicht. Es geht darum, Schutzkompetenzen an staatliche Instanzen abzugeben und das mit hoher Legitimität in der Bevölkerung.

Illustration eines blau gekleideten Mannes, der einen rot-weiss gestreiften Schirm über eine abstrakt gezeichnete Schweiz mit Matterhorn und Prime Tower hält.
Legende: Heinz Bude sieht den Staat als «die entscheidende Handlungsinstanz, die den Schutz für alle gewährleisten kann». SRF / Yvonne Rogenmoser

In der Tat wird vielen der Ernst der Lage immer mehr bewusst. Das erfordert aber auch ein hohes Mass an Solidarität. Wie ist es um die bestellt?

Die Anforderung ist komplex. Man muss Solidarität walten lassen, indem man sich distanziert. Man muss Herz und Kopf zusammenbringen mit Disziplin. Je länger die Stilllegung des öffentlichen Lebens andauert, desto eher werden Phänomene wie Isolationsmüdigkeit hervorgerufen.

Deshalb die Frage: Eine Lockerung der Stillstellung des öffentlichen Lebens wird es irgendwann geben. Wie will man dann den Pandemieschutz verstärken?

Das Schutzmotiv ist zentraler als die Frage nach der Privatheit.
Autor: Heinz Bude Soziologe

Die «Fridays for Future»-Bewegung beklagte einen Mangel an Solidarität zwischen den Generationen. Wie sieht es jetzt mit dieser Solidarität aus?

Ich würde die mittlere Generation hervorheben, die zwischen Mitte 30 und Mitte 40. Das ist die Generation, die die Massnahmen bei den Kindern durchsetzen muss und gleichzeitig die eigenen Eltern braucht, zur Aufsicht der Enkel. Die Frage ist: Wie kann man die Generation 75+ nicht nur schützen, sondern am Prozess beteiligen? Man kann die nicht rausdrängen. Da gibt es gewisse Renitenzen. Und da kommt es auf die mittlere Generation an, das bei ihren Eltern durchzusetzen.

«Fridays for Future» wird eine Transformation erleben. Diese Haltung: Ihr habt uns eine furchtbare Welt hinterlassen, mit der wir jetzt zurechtkommen müssen, ist Geschichte.

Wie verhalten sich Freiheit und Schutz zueinander, wenn das Erfassen von Bewegungsdaten in immer mehr Ländern steigende Akzeptanz verzeichnet?

Im Moment scheint das Einverständnis, eine App zu benutzen, relativ hoch. Das Schutzmotiv ist zentraler als die Frage nach der Privatheit. Es muss öffentlich immer wieder thematisiert werden, dass solche Massnahmen terminiert sind und wann solche Daten wieder gelöscht werden.

Die Frage ist, ob man das den grossen Digitalfirmen überlässt oder lieber im nationalen Kontrollkontext hat.

Es wird die Erkenntnis dieser Krise sein, dass wir ganz anders über die Bedeutung des Staates denken müssen.
Autor: Heinz Bude Soziologe

Was zeigt diese Krise für Sie noch?

Für mich ist das Bild der Gegenwart, dass sich die beiden Länder, die uns den Neoliberalismus gebracht haben, nämlich Grossbritannien und die Vereinigten Staaten, in der schwierigsten Situation ihrer Gesellschaftsgeschichte befinden.

Es wird die Erkenntnis dieser Krise sein, dass wir ganz anders über die Bedeutung des Staates, über die Struktur gesellschaftlicher Solidarität und über die Logik der Globalisierung denken müssen.

Wie wird sich das kulturelle Leben verändern? Antworten von Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen

Elisabeth Bronfen

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Elisabeth Bronfen studierte am Radcliffe College, an der Harvard University und an der Universität München. Sie ist Lehrstuhlinhaberin am Englischen Seminar der Universität Zürich und Global Distinguished Professor an der New York University und publizierte zahlreiche Aufsätze und Bücher in den Bereichen Gender Studies, Kunst-, Film- und Kulturwissenschaften. 2016 erschien von ihr «Besessen. Meine Kochmemoiren» im Echtzeitverlag.

SRF: Was könnte Kultur im Moment leisten?

Elisabeth Bronfen: Das, was sie schon mehrfach geleistet hat. Fangen wir mit dem kitschigen Wort «Trost» an: Musik auf Balkonen.

Und: Es schauen im Moment viele Leute Katastrophenfilme. Eine Infektion auf dem Bildschirm ist sinnstiftend, denn es gibt immer eine narrative Auflösung. Das ist tröstend und besonders beruhigend zu einem Zeitpunkt, wo es in der Realität nicht so ist.

Wir hören in den Nachrichten Prognosen, was vielleicht passieren könnte. Die Kunst könnte analysieren und beginnen, Geschichten zu erzählen, die Erklärung und Sinn bieten. Auf jeden Fall wäre jetzt die Stunde der Kultur.

Illustration eines leeren Theatersaals mit einer einzelnen Figur, die auf der Bühne sitzt.
Legende: «Kunst, die einen geteilten Raum für viele braucht, ist komplett stillgelegt. Der grösste Verlust im Moment ist der Verlust von Unmittelbarkeit», sagt Elisabeth Bronfen. SRF / Yvonne Rogenmoser

Warum hört man vergleichsweise wenig?

Das künstlerische Leben ist so stillgelegt wie der Flugverkehr.

Ich bin gerade in einem ganz anderen Zusammenhang auf den Nachkriegsfilm gestossen: «Zwischen Gestern und Morgen». Das trifft auf die Situation jetzt auch zu. Wir wissen, es wird nie wieder sein, wie es einmal war. Wir wissen aber nicht, wie es morgen werden wird.

Es ist ein Dazwischen, eine angehaltene Zeit, in der sich die ganze Gesellschaft befindet und mit ihr die Art von Kunst, die einen geteilten Raum für viele braucht. Sie ist komplett stillgelegt. Der grösste Verlust im Moment ist der Verlust von Unmittelbarkeit.

Und die materielle Situation für Künstler ist prekär: Löhne nicht gezahlt, Verträge geplatzt, Dreharbeiten verschoben, für alle Freiberufler die totale Katastrophe.

Die Beschleunigung bleibt. Nur wir können uns nicht mehr bewegen. Wir sind statisch. Das ist für eine Kultur, die so von Bewegung geprägt war, ganz besonders.
Autor: Elisabeth Bronfen Kulturwissenschaftlerin

Was ist das Besondere an der augenblicklichen Situation?

Ich kann mich nicht erinnern, so etwas erlebt zu haben. Es ist ein Stillstand. Wir erleben das jetzt deshalb besonders, weil wir beschleunigt gelebt haben, global vernetzt, und das sind wir weiterhin. Wir sehen unsäglich viele Fotos und Filme aus allen möglichen Regionen der Welt.

Diese Beschleunigung bleibt. Nur wir können uns nicht mehr bewegen. Wir sind statisch. Und das ist für eine Kultur, die so von Bewegung geprägt war, ganz besonders. Dieses Coronavirus stellt alles infrage.

Viele haben schon ein intensives Verhältnis zum Bildschirm, das wird jetzt noch stärker.
Autor: Elisabeth Bronfen Kulturwissenschaftlerin

Was denken Sie, wie wird sich Corona auf unsere Kultur auswirken?

Man weiss es nicht. Ich weiss von Leuten aus dem Kinobetrieb, die grosse Sorge haben, dass sich die Leute so ans Streaming gewöhnt haben, dass sie vielleicht gar nicht mehr ins Kino gehen wollen. Alles, was ich sagen kann, ist eine Angst- und Wunschfantasie.

Wir lernen gerade, auf eine kleine Gruppe Menschen konzentriert zu sein. Das wirkt sich möglicherweise darauf aus, wie wir nach Corona mit grösseren Menschenmengen umgehen werden. Es kann sein, dass die Menschen unglaublich fröhlich feiern werden. Es kann aber auch sein, dass eine gewisse Zurückhaltung gewahrt wird. Ich bin mir unsicher, welche Konsequenzen das haben wird.

Viele haben schon ein intensives Verhältnis zum Bildschirm, das wird jetzt noch stärker. Es wird interessant sein, ob es eine Gegenreaktion gibt: «Endlich nicht mehr Bildschirm, sondern normale Menschen.» Oder ob die Reaktion ist: «Der Bildschirm war doch viel einfacher.»

Wie ändert sich das Verhältnis von Wissenschaft und Staat? Antworten von Wissenschaftshistoriker Michael Hagner

Michael Hagner

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Michael Hagner ist seit 2003 ordentlicher Professor für Wissenschaftsforschung an der ETH in Zürich. Er ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Leopoldina und der Akademie der Wissenschaften.

Bekannt wurde er durch seine Arbeiten zur Geschichte der Hirnforschung . Er publizierte u. a. «Homo cerebralis. Der Wandel vom Seelenorgan zum Gehirn» (Insel Verlag, Frankfurt 2000) sowie «Geniale Gehirne. Zur Geschichte der Elitegehirnforschung» (Wallstein Verlag, München 2004).

SRF: In der Corona-Krise vergeht kaum eine Pressekonferenz, in der nicht die Politik gemeinsam mit der Wissenschaft informiert. Was passiert da gerade?

Michael Hagner: Ich glaube, dass die Politik sich in der Kommunikation mit der Bevölkerung Legitimationsunterstützung holen möchte, weil bei diesen Pressekonferenzen Entscheidungen mitgeteilt werden, die einen so gravierenden Eingriff in die bürgerlichen Rechte der Bevölkerung bedeuten, wie es das – nach meiner Kenntnis – in den westlichen Ländern seit 1945 nicht gegeben hat.

Illustration eines blau gekleideten Mannes, der sich interessiert die Ergebnisse von drei Wissenschaftlerinnen ansieht.
Legende: «Es kann nicht die Aufgabe der Wissenschaft sein zu regieren. Sie stellt idealerweise Wissen zur Verfügung», sagt Michael Hagner. SRF / Yvonne Rogenmoser

Befinden wir uns menschheitsgeschichtlich zum ersten Mal in einer solchen Krisensituation ausgelöst durch ein Virus?

Ja und nein. Viele haben gerade das erste Kapitel von Boccaccios «Il Decamerone» gelesen, in dem man eindringlich sehen kann, wie 1348 im zivilisierten Florenz die sozialen Regeln der Menschen kollabierten, als die Pest wütete. So schlimm ist es heute nicht, aber natürlich erfahren viele Corona als Krisensituation.

Weil die Medizin und Hygiene so erfolgreich waren und gefährliche Epidemien bislang verhindern konnten, verfügen unsere Gesellschaften über keine Erfahrungen mehr mit solchen Krisen. Insofern ist das ein einmaliger Vorgang.

Man ist gut beraten, Politik und Wissenschaft weiterhin voneinander getrennt zu halten.
Autor: Michael Hagner Wissenschaftshistoriker

Was wird sich verändern am Verhältnis Politik und Wissenschaft?

Man ist gut beraten, diese Bereiche weiterhin voneinander getrennt zu halten. Aufeinander Bezug nehmen – ja. Immer wieder. Das sehen wir jetzt gerade. Ohne die Erkenntnisse der Experten, etwa in der Biomedizin, wäre die Pandemie eine unvorstellbare Katastrophe. Schon jetzt ist sie schwer auszuhalten, aber es könnte noch viel schlimmer sein.

Umgekehrt ist die Wissenschaft abhängig von der Politik, die sie in demokratischen Staaten weitgehend mit öffentlichen Mitteln finanziert. Die beiden sind vielfach miteinander verwoben. Aber dass jetzt die Wissenschaft direkt Politik macht, als «Expertokratie», davor möge uns der Himmel bewahren.

Wie sähe es mit einer erweiterten Gewaltenteilung aus?

Genau. Die Gewaltenteilung ist, wenn man so will, die Mutter der Demokratie. Man könnte sie erweitern, indem man sagt: Es gibt Systeme innerhalb eines Staates, die eine gewisse Macht haben. Dazu gehört nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die Kunst und die Religion.

Sie sollten aber in demokratischen Staaten klar von politischen Belangen getrennt werden. So wie wir ausdrücklich keinen Gottesstaat wollen, so wollen wir auch keinen ästhetisch-künstlerischen Staat, und wir wollen auch keinen wissenschaftlich-technischen Experten-Staat.

Als unverbesserlicher Aufklärer wünsche ich mir, dass mehr Leute kapieren, dass es nicht die Aufgabe der Wissenschaft sein kann, zu regieren.
Autor: Michael Hagner Wissenschaftshistoriker

Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen bezogen auf das Verhältnis von Wissenschaft und Politik?

Als unverbesserlicher Aufklärer wünsche ich mir, dass mehr Leute kapieren, dass es nicht die Aufgabe der Wissenschaft sein kann zu regieren. Sie stellt idealerweise Wissen zur Verfügung, das für die Gesellschaft, für die Zukunft unseres Planeten von Bedeutung ist.

Und dass, ausgehend von der jetzigen Krise, die Fundamentalisten, Fanatiker, Rechtsausleger und Hetzer eine Niederlage erleiden. Das ist eine Hoffnung. Ob sich die erfüllt, weiss ich nicht.

Die Gespräche führte Franz Kasperski.

SRF 1, Sternstunde Philosophie, 26.4.2020, 11 Uhr

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