«Entdecke, was du kannst» – unter diesem Claim präsentiert die Swisscom neuerdings ihr Angebot. Das bisherige «Gemeinsam bereit» scheint die neuen Möglichkeiten künstlerischer Intelligenz nicht mehr angemessen zu vermitteln. Herzstück der neuen Kampagne ist dann auch ein Image-Spot über ein KI-generiertes Kinderbuch:
Die sechsjährige Mia hat keine Lust mehr auf die Geschichten in ihrem Bücherregal. Also kreiert der Vater mithilfe einer KI eine Erzählung über eine Monsterprinzessin. Die Begeisterung der Tochter motiviert ihn obendrein, ein illustriertes Kinderbuch zu erstellen, das anschliessend als Kinofilm die Massen begeistert.
Ein überraschender Clou der Werbeaktion sind 6950 gedruckte Exemplare des Buchs, die in den Swisscom-Shops kostenlos erhältlich sind. Die Bücher enthalten eine Anleitung zur Erstellung eigener KI-Geschichten, mit Links zum Swisscom Campus, einer Plattform mit Tipps für die Mediennutzung.
Gesprächsbedarf bei Kreativen
Die neue Kampagne des Schweizer Kommunikationskoloss sorgt für einen Aufschrei in der Buchbranche. Der Verband Autorinnen und Autoren der Schweiz (A*dS), der Schweizer Buchhandels- und Verlags-Verband (SBVV) und weitere haben sich in einem Protestbrief an die Swisscom gewandt.
Kritisiert wird etwa die Erzählstruktur des Clips: Ein Kind lehnt herkömmliche Kinderbücher ab und bevorzugt Inhalte des Smartphones. «Es ist hier im Beispiel nicht die menschliche, sondern die Aufmerksamkeit der KI, die das Kind glücklich macht», sagt Tanja Messerli, Chefin des SBVV. «Das finden wir, die sich für Leseförderung durch Bezugspersonen einsetzen, überhaupt nicht hilfreich.»
Über die Wahl der Storyline sagt Swisscom-Sprecher Armin Schädeli: «Die Nutzung von AI im Familienkontext ist heute schon Realität – und das wollten wir auch thematisieren.»
Telekonzern vs. Buchbetrieb
Sorge bereitet Tanja Messerli zudem das Eindringen der Swisscom in einen sensiblen Markt: «Die Kreativwirtschaft erlebt durch Diebstahl und Missbrauch derzeit den grössten Einfluss durch KI». Auftragslücken bei Illustratoren und Übersetzerinnen seien längst feststellbar.
Die Kampagne hat zugleich eine Debatte über Kreativität entfacht: Während im «Monsterprinzessin»-Buch steht, die Publikation sei «etwas ganz Besonderes», weil es «mit KI geschrieben und gemalt» worden sei, sagt Cornelia Mechler, A*dS-Geschäftsführerin: «Kreativität kommt vom Menschen und das wird im Clip überhaupt nicht vermittelt.»
Einigen Autoren sei aufgefallen, dass die Monsterfiguren auffällige Ähnlichkeiten mit denen des Kinderbuches «Wo die wilden Kerle wohnen» hätten. «Ich halte es für eine Schema-F-Geschichte», sagt Mechler. «Es fehlen kreative Elemente, die eine liebevolle Geschichte ausmachen.»
Armin Schädeli hingegen betont, dass an der einmaligen Aktion über 30 Personen mitgewirkt haben. Es gehe nicht darum, KI als Ersatz menschlicher Empathie und Kreativität darzustellen. Vielmehr möchte man zeigen, dass ein Zusammenspiel von «Mensch und Technik sinnstiftend sein kann.»
Gegenüber stehen sich ein grosser Konzern, der nach neuen Wegen sucht, im KI-Imperium zu bestehen und die Vorteile der Technologie zu vermitteln. Und eine Kreativbranche, die neben Existenzsorgen einen gesellschaftlichen Bildungsauftrag in Gefahr sieht.