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Gilda Sahebi über die feministische Revolution im Iran
Aus Sternstunde Religion vom 05.03.2023.
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Feministische Revolte im Iran Wie Irans Kleriker den Islam missbrauchen

Seit Monaten protestieren die Menschen im Iran gegen das Regime. Was haben der Widerstand und die Unterdrückung vor Ort mit dem Islam zu tun? Die Autorin Gilda Sahebi gibt Antworten.

«Vergewaltigung im Gefängnis: Stand das auch im Koran?» Mit diesem Sprechchor zieht eine Trauergemeinde durch eine iranische Kleinstadt. Es ist der 1. November 2022: Die regierungskritischen Proteste haben das ganze Land erfasst, seit die 22-jährige Kurdin Jina Mahsa Amini am 17. September drei Tage nach ihrer Festnahme gestorben war.

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«Der Islam ist für dieses Regime ein Universalschlüssel für jede Art von Hass und Unterdrückung», sagt die Autorin Gilda Sahebi. Sie kenne viele Iranerinnen, die gläubig seien und sich fragten, ob diese Kleriker überhaupt an Gott glaubten.

Geschichten, die unter die Haut gehen

«Dieses Regime will Erinnerungen auslöschen, indem es Menschen ins Gefängnis wirft oder sie tötet», sagt Gilda Sahebi. «Das Einzige, was man dem entgegensetzen kann, ist, ihre Geschichten zu erzählen.»

Solche Geschichten hat die deutsch-iranische Journalistin jetzt in ihrem Buch «Unser Schwert ist Liebe» gesammelt. Immer wieder sind es Erzählungen von Frauen.

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Das steinzeitliche Kleriker-Regime unterdrücke und sexualisiere die Frauen, sagt Sahebi. Einer der Kleriker erklärte einmal, Frauen seien wie Tiere und nur dazu da, den Mann zu befriedigen.»

Gleichzeitig gäbe es enorm viele selbstbewusste und gut gebildete Frauen, da Frauen auch in der Islamischen Republik studieren dürfen: «Das musste einmal eskalieren.»

Sexualisierung rechtfertigt Gewalt

Schon Revolutionsführer Khomeini hätte gesagt, Frauen, die sich gegen das Regime wehrten, seien Prostituierte. Die Protestierenden, so heisst es heute von Regime-Anhängern, wollten bloss jede Nacht mit jemand anderem schlafen. Es werde alles sexualisiert, sagt Gilda Sahebi. «Und diese Sexualisierung rechtfertigt die Ausübung von Gewalt.»

Dabei hatte sich Khomeini im französischen Exil noch verlauten lasse, dass er im Iran eine Demokratie errichten werde, sagt der Historiker Frank Bösch.

KOheini steht neben anderen Männern auf der Bühne und spricht.
Legende: Am 1. Februar 2979 spricht Ayatollah Khomeini – nach 14 Jahren im Exil – zu seinen Anhängern. Khomeini gilt als Gründer der Islamischen Republik Iran. KEYSTONE/AP Photo/FY

Entstanden sei dann 1979 ein Doppelstaat, eine Theokratie mit demokratischen Elementen: die Islamische Republik Iran, erklärt Bösch weiter.

Sahebi sagt, dieses ausgeklügelte Herrschaftssystem, das regelmässig Wahlen durchführt, hätte den Menschen Freiheiten erlaubt. So durften Mädchen zur Schule und Frauen an die Universität gehen. Das hätten islamistische Extremisten woanders verhindert. 

Eine Hure, wer kein Kopftuch trägt? 

Aber die Regeln zum Tragen eines Kopftuches im öffentlichen Raum seien schon immer durchgesetzt worden. Das erlebte auch Sahebi.

Als Jugendliche war sie mit ihrer Tante in Teheran unterwegs und wurde von einem Milizionär als Hure beschimpft, weil sie ihr Kopftuch nicht richtig trug. «Ich habe geschrien und geflucht», erzählt Sahebi. Ihre Tante habe beschwichtigt, sich entschuldigt und sie weggezogen.

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«Ich konnte mit 14 noch nicht ausdrücken, warum ich wütend war», sagt Sahebi. «Aber ich realisierte intuitiv, wenn ein Mann einer Frau sagt, wie man sich zu kleiden hat, dann ist das eine massive Grenzüberschreitung.»

«Das wird so weitergehen»

Wie lange solche und andere Grenzen noch überschritten werden, kann Gilda Sahebi nicht sagen. Doch am Ende werde das Licht über die Dunkelheit siegen, davon sei sie überzeugt.

«Der revolutionäre Prozess hat schon 2017/2018 begonnen. Seitdem ist die Frequenz an Protesten gewachsen. Das wird so weitergehen, bis dieses menschenverachtende und frauenverachtende Regime weg ist.»

Buchhinweis

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Gilda Sahebi: «Unser Schwert ist Liebe». S. Fischer Verlag, 2023.

SRF 1, Sternstunde Religion, 05.03.2023, 10:00 Uhr

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