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Georg Gänswein Wirbel im Vatikan: Der Schattenmann sucht das Scheinwerferlicht

Machtspiele und Intrigen: Georg Gänswein, lange Jahre die rechte Hand zweier Päpste, plaudert in seinem Buch aus dem Nähkästchen.

Die Situation ist historisch: Ein amtierender und ein emeritierter Papst leben gleichzeitig im Vatikan. Zwischen den Fronten: Erzbischof Georg Gänswein. 20 Jahre amtete er als Privatsekretär von Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI. Gleichzeitig koordinierte er als Haus-Präfekt Termine für Papst Franziskus.

In seinem neuen Buch «Nient’altro che la verità» («Nichts als die Wahrheit») zeigt Gänswein nun: Das Nebeneinander von Franziskus und Benedikt war verständnisvoll und gleichzeitig kompliziert. So wollte Papst Franziskus gleich nach seiner Wahl seinen Vorgänger anrufen. Er konnte ihn aber nicht erreichen, weil dieser vor dem Fernseher sass und das Klingeln des Telefons nicht hörte.

Unterschiedliche Visionen von Kirche

Andere Anekdote: Franziskus bat seinen Vorgänger Benedikt zu Beginn seiner Amtszeit um dessen Meinung zu einem Interview. Darin erklärte Franziskus, der Beichtstuhl sei «kein Folterinstrument, sondern ein Ort der Barmherzigkeit». Er denke an eine Frau, deren Ehe gescheitert war, in der sie auch abgetrieben hatte.

Benedikt betonte in seiner Stellungnahme, der Respekt vor der Person und die Glaubenslehre der Kirche müssten sich die Waage halten und stellte klar, Abtreibung sei ein «Nein zum Schöpfer».

Georg Gänswein am 5. Januar an der Beerdigung von Benedikt XVI. vor dem Petersdom.
Legende: Man nennt ihn auch den «George Clooney des Vatikans»: Georg Gänswein am 5. Januar an der Beerdigung von Benedikt XVI. vor dem Petersdom.: IMAGO /Ulmer/Teamfoto

In Georg Gänsweins Ausführungen wird deutlich, dass Benedikt und Franziskus für unterschiedliche Visionen ihrer Kirche standen: hier die unverrückbare Lehre der Kirche, barmherzige Seelsorge dort. Später verzichtete Papst Franziskus offenbar darauf, Benedikt um seine Meinung zu fragen.

Feindseligkeiten und Intrigen im Vatikan

Georg Gänswein – auch «Don Giorgio» oder «George Clooney des Vatikans» genannt – schildert im eben auf Italienisch erschienenen Buch Konkurrenz, Intrigen und Machtspiele im Vatikan, dem Zentrum der römisch-katholischen Kirche.

Georg Gänswein 2015 beim Treffen zwischen Papst Franziskus und seinem Vorgänger Benedikt.
Legende: Helfende Hand im Hintergrund: Gänswein – hier im Jahr 2015 beim Treffen zwischen Papst Franziskus und seinem Vorgänger Benedikt. Vatican Pool/Getty Images

Noch ein Beispiel aus dem Buch: Kardinäle versuchten, den emeritierten Papst Benedikt XVI. für ihre Zwecke einzuspannen. Robert Sarah, ehemaliger Leiter einer Kongregation, machte Benedikt 2020 zu Unrecht zum Co-Autor eines Buches.

Damit wollte er seine Forderung gegenüber Franziskus untermauern, den Zölibat beizubehalten, die Verpflichtung von Priestern zur Ehelosigkeit. Georg Gänswein gesteht: «Mir gefror das Blut in den Adern.»

Papst Franziskus stellte Georg Gänswein daraufhin als Haus-Präfekt kalt. Er habe seine Suspendierung als «Strafe» empfunden, gesteht Gänswein im Buch: «Ich war schockiert und sprachlos.»

Wein und Süsses für Benedikt

Das Buch animiert auch zum Schmunzeln. Wenn Papst Franziskus seinen Vorgänger im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan besuchte, brachte er eine Flasche Wein und eine Süssspeise aus seiner Heimat Argentinien mit.

Er wusste von Georg Gänswein: Benedikt liebt «i dolci». Dieser revanchierte sich bei Franziskus mit Lebkuchen aus Bayern.

Georg Gänswein gibt interessante Einblicke in Machenschaften hinter den Mauern des Vatikans. Die Schilderungen widerspiegeln auch seine Eitelkeit. Das Buch wirkt jedoch immer da unglaubwürdig, wo Gänswein seinen ehemaligen Mentor «einen der grössten Protagonisten der Geschichte des letzten Jahrhunderts» nennt.

Buchhinweis

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Georg Gänswein ist im Schwarzwald nahe der Schweizer Grenze aufgewachsen. Das Buch «Nient’altro che la verità» («Nichts als die Wahrheit») hat er mit dem Journalisten Saverio Gaeta in italienischer Sprache verfasst. Es soll demnächst auf Deutsch erscheinen.

Radio SRF 1, Rendez-vous, 12.01.2023, 12:30 Uhr

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