Auf dem Grundstück neben der Markthalle La Cebada gedeihen in Holzkisten Kräuter, Spinat, Tomaten und weiteres Gemüse. Auf selbstgebauten Holzbänken lesen, dösen und diskutieren junge Leute.
Das Dorf in der Stadt
Der Musiker Pedro organisiert zusammen mit Monica und weiteren Freiwilligen den Garten, Feste, Konzerte, Lesungen und das Freiluftkino des Campo de la Cebada. Wer etwas veranstalten möchte, bringt die Vorschläge montags auf der Vollversammlung ein.
«Das Viertel atmet und lebt die Vielfalt», schwärmt Pedro vom Madrider Stadtteil Lavapiés, das am Campo de la Cebada beginnt.
Buntes Durcheinander
In Lavapiés gedeihen zahlreiche Welten, manche nebeneinander, viele miteinander: chinesische, pakistanische, westafrikanische und türkische Imbissbuden, alternative Cafés, uralte Kneipen, Bars, Wohnstuben und kleine Lebensmittelgeschäfte, wie sie anderswo längst verschwunden sind.
Monica arbeitet für eine Konzertagentur. Dazu singt sie, tritt als Tänzerin auf und entwickelt mit Künstlerkollegen Performance-Stücke.
Manche der zahlreichen Bars und Kneipen öffnen nach Laune der Besitzer, andere sind rund um die Uhr geöffnet. An den Wochenenden veranstalten viele Live-Konzerte, oft spielen Musiker eine spontane Jam-Session.
Kultur für die Nachbarschaft
Wer keinen Job findet, schafft sich einen oder versucht es zumindest: Architekten bieten Stadtführungen an, ein ehemaliger Vodafone-Manager eröffnete eine Kochschule und Kulturbegeisterte gründeten das Teatro del Barrio, das Stadtteil-Theater.
Das Teatro del Barrio trägt Kultur in die Nachbarschaft: mit Eigenproduktionen, Theaterworkshops, Gastspielen und einer eigenen Universität.
Montags und dienstags holt es Wissenschaftler für kostenlose Diskussionsabende in seine Räume.
Kultur für alle macht Politik
Es geht um Politik, Wirtschaft, Naturwissenschaften. Oft sind es Themen, «über die man sonst nicht so gerne spricht»: die Aufarbeitung der Franco-Diktatur oder das Königshaus.
Entstanden ist eine Bewegung, die Spanien verändert hat: Podemos lud 2011 zu einer ihrer ersten Versammlungen ins Teatro del Barrio. Gegründet wurde die spätere Partei im Laden gegenüber.
Voller Einsatz für Podemos
Fanni war von Anfang an dabei. Die Aufbruchstimmung der vielen Demonstranten auf dem Hauptplatz Madrids, die Puerta del Sol, faszinierte sie.
Der diffuse Protest wurde zur Bürgerbewegung. Die Informatikerin geht neben ihrem Fulltime-Job zu Versammlungen und arbeitet an Bürgerinitiativen mit. «Privatleben habe ich keines mehr», sagt die 36-Jährige.
«Wir regieren mit»
Aufgeben kommt für Fanni ebenso wenig in Frage wie für Yolanda, die wegen einer Behinderung eine Rente bekommt.
Abgekämpft wirkt auch sie, aber voller «ilusión» – ein Wort, das sich mit Illusionen, Träumerei übersetzen lässt. Sie ist aber auch voller Hoffnung und Vorfreude auf die Veränderungen, die Podemos in Spanien noch bewirken möchte.
«Leute haben sich umgebracht, weil die Krankenkasse lebensnotwendige Medikamente nicht mehr bezahlt», erzählt Yolanda, selbst den Tränen nahe. Kraft schöpft sie aus den Veränderungen, welch die Protestbewegung schon bewirkt hat: «Menschen wie du und ich finden Gehör und regieren mit.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 5.8.2016, 17:22 Uhr.