Im Schweizer «Tatort» mit dem Titel « Freitod » reist eine deutsche Staatsangehörige in die Schweiz, um aus dem Leben zu scheiden. Sie ist in Begleitung ihrer Tochter. Damit ist das ganze Drama umrissen.
Das Drama derer, die freiwillig aus dem Leben scheiden wollen, aber manchmal nicht können, nicht dürfen. Die Unterstützung suchen, manchmal bei Familienangehörigen, die von dieser Aufgabe schlicht überfordert sind. Die Grenze des Menschlichen ist in dieser Grenzsituation erreicht.
Der «Tatort» behandelt im Fiktiven die Fragen, die der philosophische Stammtisch der «Sternstunde Philosophie» aus einer anderen Perspektive beleuchtet.
Wie frei ist ein Mensch, wie selbstbestimmt? Und um welchen Begriff geht es: Um Freitod oder Selbstmord?
Um welchen Begriff geht es?
Die Diskussion beginnt mit dem Versuch der Begriffsklärung. Worüber spricht man eigentlich: über Selbstmord, Freitod, Selbsttötung oder Suizid? Konrad Paul Liessmann, Philosoph aus Wien, beschreibt, wie sehr diese Begriffe schon eine Wertverschiebung in sich bergen, «eine Einstellungsänderung». Ein elementarer Unterschied sei zu verzeichnen zwischen Selbstmord und Freitod.
Peter Schaber, Ethikprofessor aus Zürich, findet den Begriff Selbstmord problematisch, weil Mord im juristischen Sinne mit Niedertracht einhergehe. So sei der Begriff Selbstmord anrüchig geworden, wir stünden aber noch immer in seiner Tradition, indem wir dem Selbstmörder unterstellen, er begehe einen moralischen Fehler.
Catherine Newmark sagt, das Wort Mord sei unangemessen und auch beim Begriff Tötung gebe es Unterschiede. Sie verweist auf ein Beispiel, jemanden qualvoll bei einem Verkehrsunfall verbrennen zu sehen. Darf man denjenigen töten, wenn keine gesicherte Chance auf Rettung besteht, ihm den Gnadenstoss geben?
Die Freiheit der Entscheidung
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Catherine Newmark sagt, die Entscheidung aus dem Leben zu gehen, sei die unumkehrbare Entscheidung schlechthin, grösser und entscheidender, als jede andere im Leben.
Das sei auch der Grund, warum man sich in der gesellschaftlichen Diskussion damit so schwer tue.
Liessmann fragt, wie frei denn eine Entscheidung sein könne, wenn die Motivation laute: Man wolle niemandem zur Last fallen, wenn eine unheilbare Krankheit droht. Geht da jemand freiwillig oder um nicht zur Last zu fallen? Ist das das Gleiche oder besteht ein Unterschied? Wie frei kann die Entscheidung zum Freitod überhaupt sein?
Die Selbstbestimmung
Der Begriff Selbstbestimmung ist sowohl philosophisch als auch juristisch zentral: Bei einer Freitodbegleitung ist entscheidend, ob jemand die Entscheidung selbstbestimmt trifft. Heisst: Kann er sie noch treffen? Catherine Newmark sagt, die Frage nach der Selbstbestimmung, der Autonomie sei eine, die rational gegen emotional stelle. Rational bedeute quasi autonom, emotional schränke die rationale Urteilsfähigkeit ein. So sei die landläufige Meinung.
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In Tat und Wahrheit sei der Mensch aber kein «rationales Tier». Emotionen würden die wichtigsten Entscheidungen in unserem Leben mitbestimmen. Andererseits sei eine Freitodbegleitung in einer Affektsituation juristisch nicht möglich.
Schaber stimmt darin überein: Der Todeswunsch dürfe keine affektbestimmte Kurzschlusshandlung sein, sondern «der Todeswunsch muss über lange Zeit stabil sein.»
Für Liessmann bleibt die Frage danach problematisch, was ein plausibler Grund sei, aus dem Leben zu scheiden. Da stünden sich zwei Perspektiven schwer vereinbar gegenüber.
Was hält derjenige, der sterben will, für einen plausiblen Grund und was die Gesellschaft? Und welches Recht hat diese, darüber zu entscheiden, was plausibel ist und was nicht?