Zum Inhalt springen
Zwei Comic-Frauen, die eine mit flachen Schuhen, die andere stolpert auf Stilettos.
Legende: Hat der Absatz ausgedient? Stöckelschuhe jedenfalls wirken im Alltag oft unsouverän. SRF/Andy Fischli

Gesellschaft & Religion Flache Schuhe: Sie sind gekommen, um zu bleiben

Der grosse Vorteil vom flachen Schuh am weiblichen Fuss: Er ist alltagstauglich. Der Trend reicht aber noch weiter, ist sich Moderedaktorin Bettina Weber sicher. Frauen ohne hohe Hacken stehen für die Attitüde, nicht mehr länger durch traditionelle, feminine Attraktivität gefallen zu wollen.

Bettina Weber

Box aufklappen Box zuklappen
Porträt
Legende: Foto: Sarah Maurer.

Bettina Weber fühlt der Mode auf den Zahn: Als Leiterin des Gesellschafts-Bundes der «SonntagsZeitung» beschäftigt sich die 40-Jährige auch eingehend mit Veränderungen in der Modewelt. Doch eben nicht nur oberflächlich: Sie weiss immer auch über deren soziale Bedeutung Bescheid.

Und mit einem Mal wirken jene Schuhe, die seit jeher für Eleganz, Verführung, Weiblichkeit stehen, einfach nur: hoffnungslos unzeitgemäss. Stilettos, Pumps – Absätze überhaupt – haben ausgedient. Die moderne Frau trägt flach.

Selten war ein Richtungswechsel in der Mode derart augenfällig und derart fundamental. Natürlich: Auf die absurd hohen Hacken, die in den letzten Jahren notorisch waren, musste, dem ständigen Wechsel der Mode entsprechend, das Gegenteil folgen. Und dennoch steckt da mehr dahinter als einfach eine Laune, weil das Geschäft am Laufen gehalten werden muss. Dieser Trend kommt nicht von ungefähr.

Entspannt und authentisch

Zum einen zeichnete er sich schon seit längerem ab. Die einflussreichste Designerin der Welt, Phoebe Philo von Céline, wurde kaum je in Absätzen gesehen. Wenn sie nach ihren Modeschauen für einen kurzen Moment ins Scheinwerferlicht huschte, um den Applaus entgegenzunehmen, trug sie Turnschuhe. Jedenfalls Modelle, in denen sie rennen konnte.

Diese Schuhe trugen viel dazu bei, dass Philo diese umwerfende Entspanntheit ausstrahlte. Und weil das, was jene tragen, die Mode machen, mehr interessiert als das, was die auf den Laufsteg schicken, nämlich darum, weil es authentisch ist, wurde das sehr genau registriert. Philo ist nicht die «Schau!mich!an!»-Frau. Aufmerksamkeit dieser Art interessiert sie nicht. Und genau darum geht es.

Zum anderen. Um eine neue weibliche Attitüde, die darin besteht, nicht gefallen zu wollen. Zumindest nicht auf die Weise, was man gemeinhin unter femininer Attraktivität versteht. Weshalb eine Frau, die in Stöckelschuhen über Pflastersteine stakst, nicht mehr sexy wirkt. Sondern bloss angestrengt. Also unsouverän.

Dem Zeitgeist auf der Spur

Box aufklappen Box zuklappen

Von Selfies bis Normcore: der Zeitgeist hinterlässt seine Spuren. Mit sieben gesellschaftlichen Trends sollen die Merkmale unserer Zeit erklärt werden.

Das Zauberwort: realistische Mode

In der Mode geben mittlerweile die Designerinnen den Ton an. Und die definieren Weiblichkeit neu, nämlich aus weiblicher Sicht. Sie mögen ihre Geschlechtsgenossinnen nicht verkleiden, sie nicht mit Etiketten versehen wie «Sexbombe», «Rockerbraut» oder «sizilianische Witwe», wie das ihre männlichen Kollegen gerne tun.

Die Designerinnen wissen: Frauen haben Berufe. Sind Mütter. Oder beides. Wie sie auch. Ihr Alltag verlangt viel, was heisst: Kleidung und Schuhe, die sich nur zum Sitzen eignen, taugen nichts. Und schmerzende Füsse sind das Letzte, was diese Frauen brauchen. Sie wollen gut aussehen, ja, aber nicht behindert werden, dafür haben sie keine Zeit. Das Zauberwort heisst: realistische Mode. Und die kann auch mit flachen Schuhen todschick sein. Dieses Kunststück brachten die Designerinnen fertig.

Und sie machen jünger!

Hinzu kommt eine verblüffende Feststellung: Sie machen jünger, die flachen Modelle. Die Leichtfüssigkeit verleiht mädchenhafte Frische und Unbekümmertheit. Umgekehrt gesagt: Stöckelschuhe machen plötzlich alt. Weil diese Art Weiblichkeit auf einmal vorgestrig wirkt.

Weitere Zeitgeist-Phänomene zum Hören

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 28.7.2014, 12 Uhr.

Meistgelesene Artikel