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Niklaus Meienberg sitzt in einer Illustration am Tisch, vor sich Bücher.
Legende: «Seine Sprache ist ein Sog» – Julian Schmidli über Meienberg. SRF/Cécilia Bozzoli

Gesellschaft & Religion Meienberg und der Mensch hinter den Worten

Meienberg wertete und verurteilte, er setzte sich für Menschen ein wie ein Anwalt für seine Klientel. Er brachte sich als Autor stark in seine Text ein und wurde zum Teil der Geschichte – das fehlt dem heutigen Journalismus.

Als ich in den Journalismus kam, war Meienberg schon 15 Jahre tot. Und es sollte noch zwei weitere Jahre gehen, bis ich seinen ersten Text zu lesen bekam. Die Behauptung, ich würde Meienberg kennen, wäre so kühn wie falsch. Ich kenne den Meienberg, von dem die Leute – Journalisten und Historiker vor allem – sprechen. Ich kenne den Meienberg als Autor, der durch seine Texte und Bücher schimmert. Ich kenne den Meienberg aus den paar Bild- und Tondokumenten, die im Internet zu finden sind. Daraus ist in meinem Kopf mein eigener Meienberg entstanden.

Zur Person

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Julian Schmidli ist investigativer Reporter bei der «SonntagsZeitung». Zuvor arbeitete er als freier Journalist und Filmemacher in Europa. Er hat sich auf aufwendige Recherchen und datengetriebene Ansätze spezialisiert und wurde bereits mehrfach dafür ausgezeichnet.

Meienberg für mich ist das Prinzip des Menschen hinter den Worten. Ich habe bisher keinen anderen Journalisten gelesen, der sich mehr in den Text einbrachte als er. Es ist diese scharfkantige Eigensinnigkeit, mit der er seine Geschichten formte und in denen er selbst auch immer eine Rolle spielte. Er wertete und verurteilte. Er setzte sich für Menschen ein wie ein Anwalt für seine Klienten.

Ab und zu liess er Realität und Fiktion verschmelzen, zu Hyperrealität, wie er es nannte. Meienberg tat all das, wovon ich in der Journalismus-Schule gelernt hatte, es gerade nicht zu tun. Er machte den Menschen hinter den Worten zum Teil der Geschichte. Das machte ihn und seine Texte menschlich. Diese Qualität vermisse ich im heutigen Journalismus.

Unheimlicher unmenschlicher Journalismus

Als Autor heute Menschlichkeit und Eigensinn zu zeigen, die eigenen Gefühle und Gedanken in einen Text einzubringen, ist vor allem ein Risiko. Es macht angreifbar und untergräbt die allgemeine Erwartung, ein Journalist müsse stets die Objektivität bewahren. Gerade in Kombination mit einer brisanten Thematik – so scheint mir die landläufige Meinung auf den Redaktionen zu sein – tangiert Stil die Glaubwürdigkeit einer Recherche.

Für mich ist das Gegenteil der Fall. Der Autor als Mensch ist immer Teil einer Recherche. Deshalb sollte er es auch im Text sein. Ein unmenschlicher weil menschlichkeitsloser Journalismus ist mir unheimlich.

Keine Wahrheitsmaschine

Deshalb gefällt mir Meienberg. Er nimmt eine Haltung ein. Seine Sprache ist ein Sog, hinein in die Gedankenwelt eines Getriebenen, eines unangepassten, neugierigen Aufklärers. Seine Texte machen es dem Leser nicht immer einfach, aber niemand muss seine Haltung übernehmen. Sie sind ein Angebot und laden zur Debatte ein. Und wie Meienberg debattiert hat! Als ging es um sein Leben.

Meienberg erinnert mich daran: Journalisten sind keine absoluten Wahrheitsmaschinen. Sie sind auch Menschen mit Gefühlen und einer Haltung. Sie würden gut daran tun, diese mehr zu artikulieren.

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