Schaut man ins aktuelle WEF-Programm, ist eines augenfällig: Vertreter von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie Amnesty International, WWF oder Human Rights Watch sitzen auf den Podien – gemeinsam mit Regierungsvertretern und Unternehmenschefs. Das war nicht immer so.
Mehr Bereitschaft zum Dialog
Grund dafür sieht Jürg Krummenacher, langjähriger Direktor von Caritas, in der massiven Wandlung der NGOs seit den 1990er-Jahren: «Die NGOs haben sich professionalisiert. Sie orientieren sich heute viel stärker an Managementmodellen, wie sie auch in der Privatwirtschaft üblich sind.»
Krummenacher beobachtet noch eine weitere Entwicklung. «Die Unternehmen sind offener geworden für die Inputs der NGOs. Auf beiden Seiten ist die Bereitschaft zum Dialog gewachsen.»
Dieser Dialog ist im diesjährigen Programm des WEF eindeutig erkennbar – er war aber lange nicht selbstverständlich, weiss Jürg Krummenacher aus eigener Erfahrung: Als einst die Generalsekretärin von Caritas Internationalis vom WEF eingelanden wurde, hätte es grosse Diskussionen gegeben: «Ist das sinnvoll, ist das opportun? Heute ist das mehr oder weniger unbestritten, dass man diesen Dialog führt.»
Auch die Erklärung von Bern muss umdenken
Jemand, der sich nie auf ein WEF-Podium bitten liess – aber während 15 Jahren als kritische Stimme in Davos war – ist die Organisation Erklärung von Bern (EvB). Die NGO lancierte 2000 die Gegenveranstaltung «Public Eye on Davos». Dazu gehörten auch die jährlich verliehenen Schmähpreise an Unternehmen mit ethisch und ökologisch fragwürdigen Geschäftspraktiken. Letztes Jahr hat die EvB die Veranstaltung aus strategischen Gründen eingestellt.
Nachhaltigkeit gehört zum guten Ton
Wie erklärt sich EvB-Sprecher Oliver Classen das aktuelle Themensetting, das auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit ausgerichtet ist? Gewisse Themen seien im breiten gesellschaftlichen Diskurs und entsprechend auch am WEF angekommen, meint er.
Beiträge zum Thema
«Das korreliert mit dem allgemeinen Nachhaltigkeits-Diskurs. Jedes Unternehmen, das heute etwas auf sich hält oder das sich in einer breiteren Öffentlichkeit legitimieren muss, hat einen Nachhaltigkeitsbericht. Das gehört heute zum guten Ton. Und das Weltwirtschaftsforum ist da natürlich vorne weg – entsprechend sind ein Teil dieser Themen auch auf den Veranstaltungskalendern.»
Oliver Classen glaubt, dass die NGOs in Davos bei den Unternehmern und Entscheidungsträgern durchaus Gehör finden können. Allerdings dürfe man sich nicht täuschen lassen: Die Podien und Diskussionsrunden seien nicht der Kern des WEF, sagt er. «Das ist nur eine Schale drumrum, ein Schaufenster, das den Rest der Veranstaltung legitimieren soll.»