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Gesellschaft & Religion Zirkus fürs Ohr: Beni Thurnheer kommentiert eine Nock-Vorstellung

Zirkus ist bunt – wie fürs Auge gemacht. Wie also soll Zirkus am Radio funktionieren? Es braucht einen Dolmetscher, der die Wortakrobatik beherrscht: Beni Thurnheer hat für den Radio-«Hörpunkt» eine Vorstellung des Zirkus Nock kommentiert. Der Ex-Sportmoderator über seine Faszination für den Zirkus.

SRF Kultur: Wir stecken mitten in der Fussball-EM – Sie aber kommentieren keinen Match in Paris, sondern eine Vorstellung des Zirkus Nock für den «Hörpunkt» von Radio SRF 2 Kultur. Wo ist für Sie der Unterschied zwischen Fussballreporter und Zirkusreporter?

Beni Thurnheer: Beides ist Showbusiness. Bei beidem ist der Zuschauer gespannt, was passieren wird. Der Reporter vermittelt dem Radiohörer dieses Erlebnis. Die Aufgabe ist also ähnlich, um nicht zu sagen gleich. Nur das Thema ist unterschiedlich. Natürlich ist eine Zirkusnummer wiederholbarer, die wird immer wieder ähnlich gezeigt. Ein Fussballspiel ist immer anders. Und es geht ums Gewinnen.

«Hörpunkt» zum Zirkus

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«Manege frei – Zirkus zwischen Wunderland, Wirklichkeit und Vision»: Radio SRF 2 Kultur widmet dem Zirkus mehrere Stunden – im «Hörpunkt» vom 2. Juli 2016. Von 09.00 bis 15.00 Uhr live. Ab 17.00 wird die ganze Sendung wiederholt. Danach kann man sie online nachhören.

Eigentlich sind wir mit dem Zirkus ja näher beim Kunstturnen als beim Fussball.

Ja, das überschneidet sich sogar. Die Artisten führen Abläufe aus, die ich vom Kunstturnen kenne. Es gibt auch viele Zirkusartisten, die früher Kunstturner waren. Der Cirque du Soleil etwa hat an jeder Kunstturn-EM oder -WM einen Stand, wo sich die Kunstturner einschreiben können. Und das ist dann der Einstieg von vielen Spitzensportlern in den Zirkus.

Sie sind gut informiert – liege ich richtig, wenn ich Sie als Zirkusfan bezeichne?

Ja, ich bin tatsächlich Zirkusfan. Nicht zuletzt wegen meiner Fernsehsendung «Benissimo», in der immer wieder Zirkusartisten aufgetreten sind. Dafür haben wir regelmässig Zirkusvorstellungen besucht und geschaut, was sich eignen würde.

Ist Zirkus für Sie Kunst oder Unterhaltung?

Gute Zirkusnummern sind Kunst!

…und schlechte Zirkusnummern sind Unterhaltung?

Gute Zirkusnummern sind sowohl Kunst wie auch gute Unterhaltung. Und schlechte Zirkusnummern sind nur schlechte Unterhaltung und keine Kunst.

Sie machen also keinen Unterschied zwischen Kunst und Unterhaltung, sondern nur zwischen gut und schlecht?

Unterhaltung ist für mich ein Teilbereich der Kunst. Zwar sind Kunst und Unterhaltung nicht dasselbe, aber Unterhaltung ist ein Unterbegriff, wenn Kunst ein Oberbegriff ist.

Zurück zur Vorstellung vom Zirkus Nock, die Sie für unseren Hörpunkt «Manege frei! Zirkus zwischen Wunderland, Wirklichkeit und Vision» kommentiert haben. Wo haben Sie am meisten mitgefiebert?

Ganz klar bei der unglaublichen Hochseilnummer am Schluss mit den Fahrrädern und der Siebenmann-Pyramide. Das hat mir fast den Atem geraubt. Gerade bei so gefährlichen Luftnummern wohnen zwei Seelen in meiner Brust: Einerseits hoffe ich, dass nichts passiert. Andererseits klatsche ich am Schluss wie wild und verdränge dabei natürlich, dass die Artistinnen und Artisten am nächsten und am übernächsten Tag ihr Leben schon wieder aufs Spiel setzen.

Wir haben Ihnen die Wahl gelassen, ob Sie die Zirkusvorstellung in Mundart oder Hochdeutsch kommentieren möchten, Sie haben sich für Hochdeutsch entschieden – warum?

Schweizerdeutsch ist eine recht primitive Sprache, ein Gedanke folgt dem anderen, also 1 – 2 – 3 – 4. In der Manege aber passieren verschiedene Dinge gleichzeitig. Ich muss also sprachlich die Möglichkeit haben, von einem Gedanken kurz abzuweichen, etwas anderes einzuschieben und trotzdem einen ganzen Satz zu bilden, also 1a – 2 – 3 - 1b – 2a – 1c. Mit Hochdeutsch gelingt diese Gleichzeitigkeit besser als mit Mundart.

Ich fand es beeindruckend, wie detailliert Sie jeden einzelnen Schritt dieser Hochseilartisten beschrieben haben. Ich frage mich: Was passiert da in Ihrem Gehirn? Passiert da überhaupt noch etwas bewusst oder läuft das alles automatisch ab.

Das läuft bewusst. Man kann nicht etwas sagen, was man nicht denkt. Entweder denken oder sagen – das ist Unsinn. Es gibt nur einen sehr kurzen Zeitraum zwischen Denken und Sagen.

Und bei Ihnen ist er ein bisschen kürzer als bei anderen!

Ja, genau (lacht).

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