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Island auf der Weltbühne Islands Präsident bringt sogar das Silicon Valley zum Lachen

Am 17. Juni feiert Island seine Unabhängigkeit: Ein kleines Land mit grossem Selbstvertrauen. Am Rande des Vulkans sind Spontaneität und Eigensinn gefragte Eigenschaften – bis hinauf zum Präsidenten.

Einfach ist auf Island nichts. Das Land ist abgelegen. Die Natur ist harsch. Das Wetter unberechenbar. Von einer Minute auf die andere kann der internationale Flughafen Keflavik, 50 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Reykjavik, wegen Sturmböen für den Verkehr geschlossen werden.

Und wenn Keflavik schliesst, dann ist das gut 100'000 Quadratkilometer grosse Land mit seinen knapp 370'000 Einwohnerinnen und Einwohnern de facto vom Rest der Welt abgeschnitten. Denn bis auf einige wenige Reisende, die mit der Überseefähre in Seydisfjördur ganz im Osten den Inselstaat erreichen, erfolgt die Ein- und Ausreise fast ausschliesslich über den früheren amerikanischen Militärstützpunkt Keflavik.

Fussgängerzone in der Hauptstadt Reykjavik
Legende: Mit gut 128'000 Einwohnern leben über eine Drittel der Isländer und Isländerinnen in der Hauptstadt Reykjavik. Bruno Kaufmann

«Wir sind es gewohnt, jeden Tag so zu nehmen, wie er kommt», sagt Gudni Thorlacius Johannesson. Der 54-jährige Historiker ist seit sechs Jahren Staatspräsident und wurde unlängst mit 92,2 Prozent der Stimmen für eine zweite Amtszeit gewählt.

Er empfängt den Journalisten aus der Schweiz in der Privatbibliothek seines Amtssitzes Bessastadir zu einem ausführlichen Gespräch: «Es ist schön hier in Bessastadir. Hier lebe ich mit meiner Frau und meinen vier Kindern», gibt Johannesson zu Protokoll, während durch die Fugen des weissgestrichenen Holzhauses der Sturmwind pfeift und es in der Eingangshalle in der Nacht wegen eines undichten Fensters hineingeregnet hat.

Gespräch mit Islands Staatspräsident Gudni Johannesson in dessen Privatbibliothek am Amtssitz Bessastadir
Legende: Islands Staatspräsident Gudni Johannesson ist seit 2016 im Amt. Der Historiker spricht fliessend Englisch und hat ausserdem gute Dänisch-, Norwegisch- und Deutschkenntnisse. Bruno Kaufmann

Kleines Land – grosse Stimme 

Aus der sprichwörtlichen isländischen Ruhe lässt sich der sechste Staatschef des seit 1944 unabhängigen Landes wegen ein bisschen Sturm und Regenwasser jedoch nicht bringen: «Wir Isländerinnen und Isländer haben es trotz aller Widerwärtigkeiten geschafft, ein unabhängiger Staat zu werden und auf der Weltbühne eine Stimme zu haben», betont Gudni Johannesson. Er verweist unter anderem darauf, dass sein Land zu den Nato-Gründernationen gehört, ohne eine Armee zu haben. Seit 1995 ist Island ausserdem Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR).

Den bescheidenen menschlichen und finanziellen Ressourcen zum Trotz, tritt Island international mit einem gesunden Selbstvertrauen auf: allen voran der Präsident, der sich mit seiner schwarzen Staatskarosse nie zu schade ist, auf dem Weg von und nach Bessastadir (das auf einer Halbinsel vor Reykjavik im Nordatlantik liegt) autostoppenden Kindern den Weg in die Schule etwas zu verkürzen.

Überlandstrasse in Nordisland zwischen Akureyri und Husavik.
Legende: Ein klassisches Bild der Insel: Endlose Weite und schneebedeckte Berge an einsamen Überlandstrassen. Bruno Kaufmann

Die Kraft des Isländischen 

In diesem Frühjahr reiste der höchste Isländer mit einer kleinen Delegation an die amerikanische Westküste und beglückte die dortigen Tech-Riesen im Silicon Valley mit einem Besuch: «Ich erklärte den Leuten von Google, Twitter, Amazon und Apple, dass es nicht reiche, wenn deren Geräte nur Englisch und andere weit verbreitete Sprachen verstehen – die müssen auch Isländisch können.»

«Wie viele Menschen denn dieses Isländische überhaupt sprechen, wurde ich von den smarten Techmanagern gefragt», berichtet Johanesson und ergänzt: «Ich sagte: der Präsident, seine Mutter und noch ein paar andere.» Neben Humor, Gelassenheit und Zuversicht möchte Islands Präsident zum Nationalfeiertag auch die Dankbarkeit seines Volkes ganz weit oben im Norden der Welt ausdrücken. Denn letztlich sei doch «jeder Tag ein Geschenk».

Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 17.06.2022, 9:05 Uhr

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