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Mike Müller übers Erben «Ein Testament ist auch ein Misstrauensvotum»

Erben kann Lachkrämpfe auslösen. Selten war das Thema so vergnüglich wie im aktuellen Stück von Mike Müller. In «Erbsache – Heinzer gegen Heinzer und Heinzer» treffen sich drei Geschwister vor Gericht.

Dazu kommen unter anderem die Richterin, Anwälte, eine Pflegerin, der Verstorbene selbst. Insgesamt elf Figuren gibt Mike Müller zum Besten. Er legt dabei nicht nur eine beeindruckende Dialektvielfalt an den Tag, sondern beweist auch filigranes Ballett-Können.

So komödiantisch das Stück daherkommt, so ernsthaft und seriös hat sich Mike Müller mit der Thematik «Erben» auseinandergesetzt.

Mike Müller

Schauspieler

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Der studierte Philosoph Mike Müller ist Schauspieler und Autor von Theaterstücken. Seit Anfang der 80er-Jahre war und ist er in verschiedenen Theaterhäusern und später immer öfters auch im Fernsehen zu sehen. Zwischen 2008 und 2016 hostete er mit Viktor Giacobbo die wöchentliche Satireshow «Giacobbo/Müller». In sieben Staffeln war Mike Müller zudem in der SRF- Erfolgsserie als «Bestatter» zu sehen.

SRF: Vom Bestatter zum Erbspezialisten – eine bemerkenswerte Karriere. Hören Sie das oft?

Mike Müller: Nein, interessanterweise wird der Link nicht oft gemacht. Aber das Thema Erben hat mich schon lange vor dem «Bestatter» interessiert. Irgendwann habe ich es hervorgeholt.          

Ist das Testament die letzte Gelegenheit, seine Kinder zu ärgern, wie Sie im Stück sagen?

Das kann man so sehen. Ein Testament ist auch ein Misstrauensvotum, weil man seinen Nachkommen nicht zutraut, das zu regeln.

Erben ist Gratisgeld und hat mit Leistung nichts zu tun.

Zu Recht, wie die Geschwister Heinzer in ihrem Stück beweisen.

Das Testament ist immer nur so gut oder schlecht wie die Runde, die davon betroffen ist. Es gibt gute Lösungen, aber auch ganz bittere. Und dies, obwohl in der Schweiz die frei verfügbare Erbmasse gar nicht so gross ist. Mit dem neuen Erbrecht ab 2023 wird sie grösser sein. Früher konnte man noch über bis zu 100 Prozent des Erbes frei entscheiden.

Schauspieler mit Anzug und weissem Hemd tanzt auf der Bühne.
Legende: Derzeit kann man Mike Müller unter anderem auch tanzend auf der Bühne erleben. zvg/Joel Schweizer

Ist das Erbrecht ein Abbild der Zeit?

Das Erbschaftsrecht ist wie das Scheidungsrecht: Man muss es immer wieder den Umständen und Sitten anpassen, in denen eine Gesellschaft lebt.

Sie wollen auf der Bühne «keinen Scheiss erzählen», sagten Sie und haben akribisch recherchiert. Sind Sie nun ein Spezialist in Erbfragen?

Überhaupt nicht! Dazu gibt es eine Ausbildung zum Fachanwalt, die man nach dem Anwaltspatent macht. Verglichen damit bin ich nur ein interessierter Laie.

Der Rechtswissenschaftler Peter Breitschmid hat mich juristisch beraten und das Skript geprüft, damit die Richterin und die Anwälte auf der Bühne keinen «Seich verzapfen». Die wenigen Paragrafen, die ich nenne, stimmen also. Sonst hätte mir Peter die Freundschaft gekündigt.

Was ist die wichtigste Erkenntnis aus ihrer Recherche?

Wir haben in der Schweiz eine gewisse Testierunwilligkeit, obwohl riesige Unsummen vererbt werden. Ich finde es zudem eine Schande, dass wir die Erbschaftssteuer bachab geschickt haben. Erben ist Gratisgeld und hat mit Leistung nichts zu tun.

Über das Erben lässt sich sehr viel Interessantes über das Land erzählen.

Wie schwierig war der Spagat zwischen dramaturgischer Zuspitzung und juristischer Korrektheit?

Das ist immer eine Gratwanderung. Als Teil der juristischen Ausbildung würde ich das Stück eher nicht empfehlen. Wir stellen einen achtzigminütigen Theaterabend auf die Bühne, der unterhalten soll und für den die Leute Eintritt zahlen.

Die Komödie lebt vom lustvollen Scheitern, das ist ihr Sinn und Zweck. Dazu muss man innerhalb des juristischen Rahmens eine plausible Behauptung aufstellen.

Was fasziniert Sie am Thema?

Über das Erben lässt sich sehr viel Interessantes über das Land erzählen. Über Berufe, soziologische Dinge, Ökonomie, Feminismus, Bevorzugung, Beziehungen, Manipulation, Liebe und was Erben mit Familien macht. Es geht um zu wenig Liebe, um Zurückweisung, Gier, Eifersucht und Familiensysteme. Erben kann bitterer als eine Scheidung sein.

Beiträge und Sendungen zum SRF Schwerpunkt Erben

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Drei Hände, die nach einem Haus greifen. Darüber der Text: SRF Erben. Geschichten von Geld, Macht und Lieber
Legende: SRF

Online srf.ch und SRF News App

Freitag, 3. Dezember

SRF-Hintergrund-Podcast «News Plus Hintergründe»

Die Geschichte eines Erbstreits, der zum Juristenfutter wurde und eine Familie zerbrechen liess.

Sonntag, 5. Dezem ber

Online-Wochenendangebot:

Dienstag, 7. Dezember

Ist Erben fair?

Über die ethische und moralische Dimension des Erbens.

Mittwoch, 8. Dezember

Digitales Erbe

Die Crux mit dem Erben von Kryptowährungen.

TV

Sonntag, 5. Dezember, 11.00, SRF 1

Sternstunde Philosophie: Erben – Ungerecht weil unverdient?

Rund 95 Milliarden Schweizerfranken wurden 2020 hierzulande vererbt. Mehr denn je zuvor. Viele finden das ungerecht, weil unverdient. Was sagt die Philosophie zum Thema? Ein Streitgespräch.

Mittwoch, 8. Dezember, 21.50, SRF 1

10 vor 10

Erb-Land Schweiz: Die neusten Zahlen

Donnerstag, 9. Dezember, 21.50, SRF 1

10 vor 10

Erben in der Schweiz und die Crux mit dem Erben von Kryptowährungen.

Mittwoch, 8. November, 22.25, SRF 1

Kulturplatz

Monothematische Sendung zum Thema Erben mit Mike Müller

Radio

Mittwoch, 8. Dezember, 8.15, SRF 2 Kultur

Gespräch mit Susanne Schmugge

Die Autorin der dreiteiligen SRF-Audio-Serie über einen Erbstreit, der eine Familie zerbrechen liess. Sie erzählt von ihren Recherchen.

Mittwoch, 8. Dezember, 9.00, SRF 2 Kultur

Hotspot

Sieben fatale Jahre: Episode 1 der SRF-Audio-Serie über einen Erbstreit, der eine Familie zerbrechen liess.

Freitag, 10. Dezember, ab 7.00, SRF 1

Thementag Erben

Gäste unter anderem: Philosophin Barbara Bleisch, Ökonom Marius Brülhart und Jurist Peter Breitschmid.

Samstag, 11. Dezember, 8.00, SRF 1

Trend

Die Geschichte des Uhrensammlers Hans-Peter Hertig, der sein Erbe nicht loswird.

Letztlich muss mich das Milieu dazu inspirieren, eine Geschichte zu erzählen. Und wenn’s dysfunktional wird, wird es interessant.

Basiert das Stück auch auf wahren Begebenheiten?

Nein, es ist alles erfunden. Klar habe ich Elemente aufgenommen und verbraten, die mir zu Ohren gekommen sind. Aber letztlich muss die Geschichte Fleisch am Knochen haben.

Ich habe drei Geschwister gebraucht, weil es interessanter ist als mit zweien. Ich habe eine mittelständische Familie gesucht, die einerseits nicht zu reich ist, aber andererseits ein Wohnhaus mit Apotheke besitzt. Das Ganze darf nicht zu lächerlich sein, nicht zu plakativ, nicht zu stur – das ist immer ein Austarieren.

Stückhinweis

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«Erbsache – Heinzer gegen Heinzer und Heinzer» : Die Komödie von und mit Mike Müller in allen Rollen (Regie: Rafael Sanchez) ist bis September 2022 in Theatern in der ganzen Schweiz zu sehen.

Was haben Sie dabei über Menschen gelernt?

Die Richterskala im Erbrecht reicht noch viel tiefer als gedacht. Leider lassen sich mit einem Testament nicht alle Probleme lösen. Wenn du das Erbe also zu Lebzeiten lösen kannst, dann mach es!

Immer mehr Vermögen bleibt innerhalb von Familien. Ist Erben ungerecht?

Ich finde es ungerecht, ja. Klar ist das Leben an sich ungerecht. Wir werden auch mit unterschiedlichen Talenten geboren. Aber Talente driften nicht immer stärker auseinander, Vermögen schon. Da haben wir ein Problem mit wachsender Ungleichheit und wir müssen schauen, dass ein Ausgleich stattfindet.

Eine hundertprozentige Erbschaftssteuer ist wohl keine gute Lösung.

Wenn man sein komplettes Erbe abgeben müsste, wären viele Probleme gelöst, heisst es im Stück. Wäre die Welt gerechter, wenn alle immer wieder bei null anfangen müssten?

100 Prozent Erbschaftssteuer wäre natürlich ein dogmatischer Ansatz und mit Ideologie kommt man nicht weit. Das Erbrecht hat eine Geschichte und es ist interessant, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Früher hat man in der Schweiz nur Vermögen besteuert, keine Einkünfte.

Paradoxerweise zahlt man heute dort steuern, wo man schläft und nicht dort, wo man arbeitet. Nicht die Leistung ist entscheidend. Das ist kompletter Blödsinn. Ich muss aber auch sagen: Je länger ich mich mit der Materie auseinandergesetzt habe, desto komplexer erscheint sie mir. Darum ist auch eine hundertprozentige Erbschaftssteuer wohl keine gute Lösung.

Mann mit weissem Hemd und Anzug auf der Bühne im Scheinwerferlicht.
Legende: «Wenn du das Erbe zu Lebzeiten lösen kannst, dann mach es»: Mike Müller hat sich über seinen Nachlass Gedanken gemacht. zvg/Joel Schweizer

Haben Sie sich schon Gedanken gemacht über Ihr Erbe?

Ja, ich habe das Testament gemacht. Ich habe mir das gut überlegt, Schritte eingeleitet und Leute informiert. Es ist gut, wenn man das regelt. Man kann viele Probleme lösen, wenn auch nicht alle.

Und wie sieht es mit dem künstlerischen Erbe aus?

(Lacht) Das Künstlerische ist mir scheissegal. Ich bin Unterhaltungskünstler und sehe mich nicht als Dichter für die Ewigkeit. Ich bin nicht ein Gottfried Keller, eher ein Gebrauchsdichter.

SRF 1, Sternstunde Philosophie, 5.12.2021, 11:00 Uhr

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