Eine Überraschung war es – aber schon die Vorfreude nicht ganz so gross, als Stefan Raab vergangenen September mit viel Trara sein TV-Comeback ankündigte. Riesig war dafür die Vorschadenfreude, die dem «King of Schadenfreude» aus den verbliebenen Feuilletons deutscher Höchstsprache entgegenlächelte, wo wieder Turmspring-Trallala und Wok-Wahnsinn vor der Tür standen, hinter der sich die TV-Landschaft doch leicht verändert hatte. Gretchenfrage: Ein Remake vom Schlage «Schlag den Raab»: Geht das noch? Und wer will das noch sehen?
«Überzeugt nicht ausreichend»
Nicht allzu viele offenbar, der neue Raab gehört ab Juni wieder zum alten Eisen. Schön für ihn, dass er am ESC noch in ein paar Mikrofone grinsen kann, an dem er sich in seinen besten Jahren mit «Wadde hadde dudde da» auf den fünften Platz gesungen hatte.
Noch im Corona-Jahr 2020 schrieb ein gewisser Brommskibeat (bürgerlicher Name der Redaktion nicht bekannt) fast ohne Punkt und ganz ohne Komma in eine Kommentarspalte: «Man kann auch nach fast 20 Jahren sagen ‹Geniale Leistung von Stefan Raab› und man bedenke alles was ER anfasst führt zum Erfolg.»
Nur sechs Monate später scheint der Beweis erbracht, Raab habe sich vergriffen. Im Ton vielleicht? Vermutlich lagen ER und sein RTL einfach ziemlich daneben, als man vollmundig verkündete, es sei jetzt eine Generation herangewachsen, die nie gesehen habe, was gute TV-Unterhaltung sein könne.
«Die jetzige Form von ‹Du gewinnst hier nicht die Million› – ein Mix aus Quiz, Game-Show, Stand-up und Comedy – überzeugt unser Publikum im linearen TV nicht ausreichend», liess sich Inga Leschek zitieren, Chief Content Officer bei RTL Deutschland. Der Witz natürlich: Da ist jetzt eine Generation, die kein fern mehr sieht.
Die Masche des Metzgersohns
Stefan Raab hat, das wird ihm niemand nehmen können, das Unterhaltungsfernsehen neu gedacht. Im Grunde seines Scherzens war sein Unding der «Ätsch-Humor». Raab fischte aus den Tiefen des Trash-Fernsehens komisch-kompromittierende Schnipsel und warf sie seinem Publikum zum Frasse vor. Der Sohn eines Metzgers war der Wiederverwurster der Nation. Ein Resteverwerter in Reinkultur. Der Dödel-DJ.
Manche hatten sich schon vor dem Show-Start gefragt: Wurden dafür nicht extra das Internet im Allgemeinen und die sozialen Medien im Speziellen erfunden? Möglicherweise passte der Raab-Reboot in die Logik der Trump-Trompete. Wieder mit Öl heizen! Besser Benziner fahren! Oder einfach: Alte weisse Männer versuchen mit letzter Anstrengung, das Motorrad der Zeit zurückzudrehen.
Besser als Harald Schmidt
Harald Schmidt, Raabs gewesener Gegenspieler, hat früher erkannt, wann es Zeit ist, den Hut zu nehmen und ihn nicht wieder aufzusetzen. Schmidt beliebt neuerdings zu scherzen, er habe die grosse TV-Bühne nur gesucht, damit ihn die Leute heute in kleinen Theatern aufsuchen müssen, wo er wieder Kabarett macht, wenn er sich nicht in Interviews zynisch-zotig zu Zeitfragen äussert. Merksatz: «Wenn jemand Satire machen will, ohne jemanden zu verletzen, kann er's gleich bleiben lassen.»
Stefan Raab verschwand irgendwann völlig und völlig unbemerkt von der Bildschirmfläche. Schmidt-Fans raunten sich damals zu: Wenigstens das kann er besser! Seinen neuerlichen Abschied bei RTL gab Raab so bekannt: «Vielen Dank für Ihre langtägige Treue – aber irgendwann ist auch mal Schluss.» Mal sehen, ob er sein Wort hält.