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Ein paar Füsse steht vor einem Bett. Auf dem Bett liegen zwei Beine.
Legende: Vor dem Sex Ja sagen, soll in Schweden zum Umdenken führen: Sex muss immer einvernehmlich sein. Photocase/complize

Neue Sexualstrafgesetze Schweden sollen vor dem Sex «Ja» sagen

Was ist eine Vergewaltigung? Eigentlich klar, doch juristisch ist es diffizil. In Deutschland gilt: «Nein heisst Nein». Schweden möchte deutlich weitergehen: Nur ein Ja bedeutet Ja. Beide Partner müssen somit vor dem Sex einwilligen. Das neue Gesetz soll im kommenden Juli in Kraft treten.

SRF: Zugespitzt gefragt: Müssen Sexualpartner in Schweden demnächst schriftlich festhalten, dass sie mit dem Geschlechtsverkehr einverstanden sind?

Randi Häussler: Nein, es muss nichts schriftlich festgehalten werden. Aber in Schweden heisst es eben künftig bei jeder Art von Sexualverbrechen nicht nur «Nein heisst Nein», sondern «Nur ein Ja ist auch ein Ja».

Man darf also nicht unachtsam sein. Vor dem Akt muss man sich vergewissern, ob das Gegenüber auch will. Dann muss eine Form des Jas folgen – entweder mündlich, in Form von Worten oder eben als Geste.

So kennen die allermeisten von uns ja auch Sex. Das sind Zärtlichkeiten, die mit Worten oder Gesten erwidert werden. Und gerade wenn man sich noch nicht so gut kennt, dann vergewissert man sich sowieso, dass der andere auch will.

75 Prozent sind dafür, dass dieses Einverständnisgesetz kommen soll.

SRF: Schweden hat bereits jetzt schärfere Sexualgesetze als die meisten anderen Länder. Wieso sollen diese Gesetze nochmal verschärft werden?

Zur Person

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Randi Häussler arbeitet als freie Radio- und Fernsehjournalistin für das ARD-Studio Stockholm und berichtet aus Skandinavien und dem Baltikum.

Die bisherigen Gesetze haben bis jetzt noch nicht besonders gut gegriffen – gerade in Fällen, die nicht im Freien stattfinden, die typischen Übergriffsvergewaltigungen, sondern zu Hause unter Bekannten, unter Freunden, unter Paaren.

Dort soll dieses neue Gesetz besser greifen. Es gibt beispielsweise den Fall von Sophia, mit der ich gesprochen habe: eine Studentin, die mit Freunden gefeiert hat. Sie hat bei einem von ihnen übernachtet, denn Taxis sind in Schweden wirklich teuer. Sie fühlte sich sicher, sie kannte diesen Mann.

Mitten in der Nacht wachte sie auf, weil sie ihn in sich drin spürte. Er hat keine Gewalt angewendet, was ja vor Gericht häufig ein Kennzeichen von Vergewaltigung ist. Sie war so erschrocken in dem Moment, so gelähmt, hat sich nicht gewehrt, hat nicht Nein gesagt. Der Täter wurde deshalb freigesprochen.

Wenn man aber eine neue schwedische Studie berücksichtigt, die mit Vergewaltigungsopfern gesprochen hat, zeigt sich, dass 7 von 10 Frauen während einer Vergewaltigung erstarren – eine Art Angststarre. Häufig ist diese Passivität, dieses Sich-Nicht-Wehren, nicht Nein-Sagen, den Frauen dann vor Gericht als passive Zustimmung ausgelegt worden, und der Täter wurde freigesprochen. Das neue Gesetz hilft in diesen Situationen: Ein nicht vorhandenes Nein ist kein Ja.

Eine Studie zeigt, dass 7 von 10 Frauen während einer Vergewaltigung erstarren – eine Art Angststarre.

SRF: Wie kommt die Gesetzesverschärfung bei den schwedischen Bürgern an – oder in der schwedischen Öffentlichkeit?

Überwiegend positiv. Es gibt eine aktuelle Umfrage unter jungen Menschen: 75 Prozent sind dafür, dass dieses Einverständnisgesetz kommen soll. Schweden hat eine lange Tradition was Gleichberechtigung angeht.

Gerade deswegen hat #MeToo hier eingeschlagen wie eine Bombe. Tausende Frauen haben ihre Erlebnisse geteilt in den Sozialen Medien. Für schwedische Frauen ist ganz klar: Bei einer Vergewaltigung liegt die Schuld und die Scham nicht mehr bei ihnen, sondern beim Täter.

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Wie realistisch ist es, dass mit dem neuen Gesetz tatsächlich mehr Straftäter verurteilt werden können?

Es gibt schon auch kritische Stimmen. Im Grunde sind sich alle bewusst, dass es nach wie vor schwierig sein kann, eine Vergewaltigung vor Gericht zu beweisen. Es steht immer noch Wort gegen Wort. In der Regel sind bei solchen Fällen nur zwei Personen anwesend. Aber viele hoffen, dass im Gerichtsprozess der Fokus ein wenig mehr weg vom Opfer gelenkt wird.

Dass nicht nur gefragt wird: Was hast Du getan, um zu zeigen, dass Du nicht willst. Sondern, dass der Fokus auch auf den Täter gelenkt wird: Wie hast Du dich vergewissert, dass dein Gegenüber auch wirklich wollte.

Ist das Gesetz Symbolpolitik oder kann es wirklich etwas in den Köpfen verändern?

Das erhoffen sich die meisten von dem neuen Gesetz, dass es vielleicht vorbeugend wirken kann – erzieherisch sozusagen. Es gibt viele, die jetzt beispielsweise eine Reform des Sexualkunde-Unterrichts an Schulen fordern. Da soll Einverständnis ein Thema werden, das Verhältnis von Frauen und Männern zueinander und Rollenbilder in unseren Gesellschaften.

Damit zumindest den kommenden Generationen klar ist: Sex muss immer einvernehmlich sein. Und die Verantwortung dafür muss bei beiden liegen.

Das Gespräch führte Katharina Mutz.

Sendung: Kultur aktuell, 21.12.2017, Radio SRF 2 Kultur

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