Es ist eine kleine Sensation: Eine Schweizerin hat bei der Internationalen Philosophie-Olympiade in Bari eine Silbermedaille gewonnen. Es ist erst die zweite Medaille der Schweiz seit 2006. Bei dem Wettbewerb messen sich Jungtalente aus der ganzen Welt im Verfassen philosophischer Essays. Die 19-jährige Filipa Lüthy erzählt, wie sie schon als Kind Philosophin wurde.
SRF: Gratulation zum Titel. Gab es eine Feier?
Filipa Lüthy: Ja, ich habe mit der Familie angestossen und alle haben sich gefreut.
Haben Sie im Fach Philosophie besonders fleissig gelernt?
Ich hatte im Gymnasium Philosophie-Unterricht, aber mein wirklicher Zugang zur Philosophie liegt in meiner Kindheit. Ich bin in einem kleinen, konservativen Dorf im Oberbaselbiet aufgewachsen. Dort war ich fast die einzige Vegetarierin und eine der einzigen Nichtgläubigen. So eine Lebenseinstellung war für einige andere Kinder im Dorf gar nicht vorstellbar. Das führte automatisch zu philosophischen Gesprächen.
Philosophische Dorf-Gespräche unter Kindern. Wie muss man sich das vorstellen?
Nun ja, sobald man die eigene Meinung vertreten will, aber gleichzeitig auch eine Neugier für die Ansichten der anderen hat, entsteht ein philosophisches Gespräch. Da braucht es kein Vorwissen über Immanuel Kant. Ich bin nun Leiterin in der Jungschar. Wenn ich meine Vegi-Wurst am Lagerfeuer auspacke, dann führt das zu interessanten Diskussionen.
Wer überzeugen will, der muss andere zuerst verstehen.
Manche Kinder sagen dann, dass Gott Kühe erschaffen habe, damit sie lecker seien und es deshalb Gottes Wille sei, dass wir Kühe essen. Ich habe so wohl gelernt, offene und produktive Gespräche mit Menschen zu führen, die andere Meinungen vertreten. Was ich auch gelernt habe und mir sehr wichtig ist: Wer überzeugen will, der muss andere zuerst verstehen.
Wie kann man sich die Teilnehmenden einer Philosophie-Olympiade vorstellen?
Das stört mich am Image dieser Wissenschaftsolympiaden. Viele Menschen fühlen sich da wohl sehr abgeschreckt, weil sie denken, die Teilnehmenden hätten wohl alle Werke von deutschen Philosophinnen und Philosophen gelesen. Sie denken, man würde dieses Wissen dann einfach so gegeneinander werfen. So ist es überhaupt nicht. Da sind normale Menschen, die sich für Philosophie interessieren.
Wie kann man Philosophie überhaupt in einem Wettbewerb beurteilen?
Argumente können mehr oder weniger überzeugend sein. Es können Fehlschlüsse gemacht werden, das zählt weniger, als wenn man alles logisch korrekt herleitet. Wenn man originelle Positionen hat, anstatt einfach nachzureden, was bereits gedacht wurde, gibt das Pluspunkte. Obwohl es nicht einfach eine richtige Lösung gibt, kann man Philosophie beurteilen. Philosophische Argumente sind sehr ähnlich aufgebaut wie mathematische Beweise. Man versucht, wahre Aussagen zu produzieren, indem man schaut, welche Sache logisch zu welcher anderen Sache führt.
Viele Menschen haben Vorurteile gegenüber Philosophiestudierenden.
Sie studieren ab dem Sommer Mathematik und Philosophie. Ist das eine für den Brot-, das andere für den Herzensjob?
Mein grober Plan ist, Mathematik- und Philosophie-Lehrerin zu werden. Viele haben Vorurteile und das Gefühl, alle Philosophiestudierenden enden wie Diogenes. Das ist so ein antiker Philosoph aus Griechenland, der in einem Fass lebte und eigentlich immer nur Menschen beleidigte. Aber ich glaube, das ist eine falsche Vorstellung. Denn, so als Fun-Fact: Menschen mit einem Philosophieabschluss sind wenig wahrscheinlich arbeitslos. Einfach, weil es so viele Bereiche gibt, in denen Philosophie einen weiterbringt.
Das Gespräch führte Sara Leuthold.