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Psychotherapeut Jörg Berger über Wege aus der Erschöpfung
Aus Perspektiven vom 30.09.2023. Bild: Getty Images / William Whitehurst
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Tipps vom Psychotherapeuten Warum wir uns von Menschen befreien sollten, die uns nicht guttun

Psychotherapeut Jörg Berger zeigt Wege aus der Erschöpfung. Aber: kein Stress! Was erschöpfte Menschen nicht brauchen, sind neue To-do-Listen. Berger plädiert für einen ganzheitlichen Ansatz, mit einer guten Prise Freundlichkeit zu sich selbst.

Alle reden von Erschöpfung. Eltern, Kinder, pflegende Seniorinnen, Klinikpersonal. In der Arbeitswelt greifen Programme gegen Burn-out nur so um sich. Denn: Ist die Erschöpfung erstmal da, ist es zu spät.

In seinem Buch «Die Anti-Erschöpfungsstrategie. 7 Wege zu innerer Kraft» gibt der Heidelberger Therapeut Jörg Berger Tipps zu einem entspannteren Leben.

Freundlich zu sich selbst sein

Wir sollen uns vor allem selbst befragen: Was tut mir gut? Was stresst mich? Welche Beziehungen geben mir Kraft? Welche kosten Kraft?

Gute Beziehungen sind ein Hauptfaktor für Gesundheit. Das hat die klinische Psychologie längst nachgewiesen.

Sich von erschöpfenden Beziehungen zu distanzieren, sei nicht egoistisch, meint der Psychotherapeut Jörg Berger.
Legende: Sich von erschöpfenden Beziehungen zu distanzieren, sei nicht egoistisch, meint der Psychotherapeut Jörg Berger. Jörg Rodrian

Darum sollten wir unsere Kraft in jene Beziehungen stecken, die uns guttun, erklärt Berger. Beziehungen zu schwierigen Menschen sollte man ruhen lassen. Das fällt gar nicht so leicht. Vor allem, wenn es sich bei den «schwierigen Menschen» um den Bruder oder die beste Freundin handelt.

Zehn Prozent aller Menschen sind verhaltensgestört

Für solche Fälle hat Jörg Berger folgenden Rat: Es gebe Mitmenschen, mit denen es unmöglich sei, eine gesunde Beziehung führen. Der Psychotherapeut nennt sie «stachelig». Laut Statistik habe jeder zehnte Mensch eine soziale Verhaltensstörung.

Allein mit dieser Information konnte er schon viele seiner Patientinnen und Patienten entlasten, erzählt er.

Emotionaler Energiesparmodus

Viele Beziehungen sind gesetzt, etwa familiäre oder jene zu Arbeitskolleginnen oder Nachbarn. Trotzdem gibt es Strategien, mit schwierigen Menschen umzugehen, denen man nicht ganz aus dem Weg gehen kann.

Tipps gegen Erschöpfung

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  • Auf die Signale des Körpers hören. Puls, Schweiss, Bauchgefühl - und nicht gegen den Körper leben: Acht geben auf: genügend Schlaf, frische Luft, Pausen, mehr Musik und Natur, weniger Suchtmittel, weniger Zeit mit stressigen Menschen
  • Sich fragen: Was treibt mich eigentlich so an? Woran mache ich meinen Selbstwert fest? Sich selbst bedingungslos schätzen lernen unabhängig von «Leistung», den inneren Kritiker fortschicken
  • Sich fragen: Wer tut mir eigentlich gut? Wer tut mir weh? Schwierige Menschen so weit wie möglich auf Distanz halten, sich von ihnen unabhängig machen, gute Gesellschaft suchen und pflegen
  • Passende Entspannungstechniken wählen. Muskelentspannungsübungen am Schreibtisch, Yoga, Autogenes Training, Zeiten der Stille, Täglich meditieren, Musikhören, Musik machen, Zeit mit Menschen verbringen, die guttun
  • Sporttreiben. Giftige Stresshormone kann der Körper nur mit pulstreibendem Sport abbauen, Sport in Gemeinschaft macht mehr Spass
  • Zeit in der Natur.
  • Die eigenen menschlichen Schwächen akzeptieren. Die eigenen Schwächen kennen: Sie sind menschlich
  • Essen, was wach macht. Schwere Nahrung macht müde, gesunde Nahrung macht nachhaltig froh
  • Spiritualität. Viele dieser Techniken sind auch Teil religiöser Traditionen. Aus Spiritualität kann man viel Kraft schöpfen

Freundlich, respektvoll, wertschätzend solle man sein – ohne sich zu sehr zu öffnen. Abwertung solle man nicht zu nah an sich heranlassen. Wer es schafft, von Menschen, die ständig ihre «Stachel» ausfahren, nichts mehr emotional Positives zu erwarten, ist nicht mehr so verletzbar. «Da hat man überraschende Spielräume», sagt Berger. Distanzierung könne emotionale Energie sparen.

In Jörg Bergers Praxis in Heidelberg kommen viele Menschen mit sozialen Berufen und christlichem Hintergrund. Oft können sie nicht loslassen, wollen jedem Mitmenschen helfen, auch «schwierigen» Personen.

Schemenhafte Darstellung eines Mannes und einer Frau, die sich anschreien
Legende: Häufiger Streit kostet viel Kraft. Sich von «schwierigen Menschen» zu distanzieren, spart emotionale Energie, sagt Psychotherapeut Jörg Berger. IMAGO / Ikon Images

Mit ihnen spricht er darüber, dass ein gesunder Selbstschutz vor «toxischen» Menschen nicht dem Gebot der Nächstenliebe widersprechen muss. Schliesslich gehört zum biblischen Nächstenliebe-Gebot auch der liebevolle Umgang mit sich selbst.

Die eigenen Beziehungen zu überprüfen und die giftigen auszusortieren, sei höchst sozial. Auf die Trennung oder Distanzierung von Menschen, die uns nicht guttun, folge nämlich das Gefühl von Befreiung, erlebt Jörg Berger bei seinen Klientinnen. Kraft, die bisher in schwierige Beziehungen investiert wurde, wird frei. Kraft, die dann in Beziehungen gesteckt werden kann, die guttun.

Gegenkultur zur Erschöpfungsgesellschaft

Die gängigen Techniken gegen Erschöpfung, zum Entspannen und gesünder Leben seien richtig und wirksam, betont Berger. Er unterstreicht nur: Alles wirke besser und wir blieben motivierter, wenn wir in guter Gesellschaft sind.

Uns von erschöpfenden Beziehungen zu distanzieren, privat und beruflich, das sei also kein Egotrip. Im Gegenteil: Wir dürfen selbst entscheiden, wer Anspruch auf unsere Kraft, Zeit und Liebe hat.

Buchhinweis

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Jörg Berger: «Die Anti-Erschöpfungsstrategie. 7 Wege zu innerer Kraft». Verlag Herder 2023.

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Radio SRF 2 Kultur, Perspektiven, 1.10.2023, 8:30 Uhr

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